Elio Pellin (Universitätsbibliothek Bern UB) erklärt in seinem Beitrag, wie Bern Open Publishing das wissenschaftsgeleitete Publizieren umsetzt und in welchen Projekten sich die Universitätsbibliothek Bern engagiert, um das institutionelle Diamond-OA-Publizieren zu verbessern. Der Beitrag ist Teil einer Blogreihe zu aktuellen Themen rund um Open Data in den Geistes- und Sozialwissenschaften in der Schweiz, die anlässlich der infoclio.ch-Tagung 2025 «Open Science in History. Die Öffnung der Wissenschaften von der Aufklärung bis zur künstlichen Intelligenz» publiziert wird.
Die neue nationale Schweizer Strategie Open Access von 2024 hält wie bereits die erste Strategie von 2017 an der Vision fest, öffentlich finanzierte, wissenschaftliche Publikationen auch offen zugänglich zu machen. Die neue Strategie zielt aber nicht nur auf möglichst flächendeckendes Open Access (OA), das die wissenschaftlichen und wissenschaftsunterstützenden Institutionen in den letzten Jahren mit schwindelerregenden Summen für Read-and-Publish-Verträge und stetig zunehmenden Article und Book Processing Charges (APCs, BPCs) alimentiert haben. Die Strategie 2024 zeigt auch eine Ausweitung der Ziele, die neu die Kontrolle über die Produktion von wissenschaftlichen Publikationen abdecken: Es soll ein Ökosystem von OA-Infrastrukturen und -Dienstleistungen entstehen. Dabei geht es um «die Schaffung eines wissenschaftsgeleiteten Publikationssystems und die synergetische, kosteneffiziente Bündelung institutioneller Kapazitäten, insbesondere im Bereich Diamond OA.»1
Forschung im Zentrum
Bern Open Publishing (BOP) der Universitätsbibliothek Bern bietet den Forschenden der Uni Bern solche institutionellen Kapazitäten im Bereich Diamond OA, also Infrastrukturen, Tools und Services für die Publikation von begutachteten wissenschaftlichen Zeitschriften und Büchern.2 BOP ist kein Verlag, sondern ein Dienstleistungsangebot an die Forschenden. Sie sollen nicht nach ökonomischen Kriterien, sondern allein nach den Kriterien der wissenschaftlichen Relevanz und Qualität Zeitschriften und Bücher publizieren können. Die Publikationen auf BOP sind Diamond OA, das heisst Autor:innen müssen nichts fürs Publizieren bezahlen, die Zeitschriften- oder Reihentitel gehören den Forschenden, nicht einem kommerziellen Verlag, und die Publikationen sind dank einer offenen Lizenz für andere Forschende nachnutzbar.
BOP bietet den Herausgeber:innen verschiedene Workflows und Tools, mit denen sich die Publikationsformate HTML, XML und natürlich PDF in einem Arbeitsgang und mit überschaubarem Aufwand erstellen lassen. Auch eine Print-on-demand-Lösung steht selbstverständlich zur Verfügung.

Zeitschriften auf BOP
Die Open-Source-Software OJS (Open Journal System), mit der die Zeitschriften von BOP publiziert werden, ist die am weitesten verbreitete Software für wissenschaftliche Zeitschriften. Über 50‘000 wissenschaftliche Journals werden weltweit mit OJS publiziert. Unterhalten und weiterentwickelt wird OJS vom Public Knowledge Project (PKP) der Simon Fraser University in Vancouver und von einer grossen, global vernetzten Community. Die Software erlaubt es den Herausger:innenn, den Eingabe-, den Begutachtungs- und den Publikationsprozess zentral zu betreiben und schlank zu verwalten.

Provinciae Romanae ist eine von mehr als 20 Zeitschriften auf BOP und folgt einem Diamant-OA-Modell.
BOP Bücher
Bücher werden auf BOP mit der Open Monograph Press (OMP), der Schwestersoftware von OJS, publiziert. Auch hier geht es darum, Publikationen nicht auf einen Markt hin auszurichten, sondern den Bedürfnissen und Möglichkeiten der Forschenden entsprechende Formate und Inhalte zu verbreiten. Daraus ergibt sich eine durchaus angestrebte Bibliodiversität der Langformate auf BOP. Da gibt es klassische PDF-Publikationen einerseits oder andererseits mehrformatige Ausgaben mit HTML, XML und PDF. Die Publikationen reichen von Editionen historischer Briefe, die mit moderatem technischem Aufwand erstellt wurden, bis zu aufwendigen wissenschaftlichen Langformaten mit integriertem Viewer für hochaufgelöste Bilder.

Drei Cover von Büchern, die auf BOP erschienen sind. Die BOP-Publikationen sind OA verfügbar und als print-on-demand auch in analgoer Form.
CRAFT-OA
Um mitzuhelfen, die Möglichkeiten von institutionellem Diamond-OA-Publizieren zu verbessern, engagiert sich die Universitätsbibliothek Bern in verschiedenen Projekten. Das Horizon Europe Projekt CRAFT-OA, in dem 23 Institutionen aus 14 europäischen Ländern mitarbeiten, wird unter anderem Zeitschriftenplattformen und -Software technisch verbessern und die Sichtbarkeit, Auffindbarkeit und Anerkennung für Diamond-OA-Publikationen erhöhen. CRAFT-OA wird etwa mit einer Datenbank und einem OJS-Plugin das Indexieren von Zeitschriften erleichtern. Für den OJS-Kern hat CRAFT-OA die Metadaten für multilinguale Inhalte und den Datenschutz für Autor:innen und Begutachter:innen verbessert. Weiter hat CRAFT-OA den Diamond Discovery Hub gebaut, ein Verzeichnis von geprüften Diamond-OA-Zeitschriften, das die Metadaten über offene Schnittstellen an Indexe und Aggregatoren liefert und so die Sichtbarkeit und Auffindbarkeit der Zeitschriften steigert. Um die Resultate aus CRAFT-OA und aus dem zweiten europäischen Diamond-OA-Projekt Diamas nachhaltig zu sichern und weiterzuentwickeln, wird der European Diamond Capacity Hub (EDCH) aufgebaut, der Tools, Qualitätsstandards, Trainingsmaterial und Infrastruktur anbietet und pflegt. Die Universitätsbibliothek Bern ist im EDCH über das von swissuniversities unterstützte Projekt Diamond Open Access CH (DOACH) engagiert. DOACH wird vom bereits bestehenden Netzwerk der institutionellen Publikationsdienstleister der Schweizer Universitäten entwickelt und ist als Anlaufstelle für Diamond Journals aus der Schweiz konzipiert. DOACH wird frei zugängliche Informationen, Tools und Schulungsmöglichkeiten fürs Diamond-OA-Publizieren anbieten.
Diamond Open Access
Mit der neuen Ausrichtung der Nationalen Strategie auch zu Diamond OA tritt wissenschaftsgeleitetes Publizieren stärker in den Fokus. Mit den Angeboten von institutionellen Publikationsdienstleistern wie BOP wird wissenschaftsgeleitetes Publizieren direkt unterstützt und gefördert. Und mit Projekten wie CRAFT-OA und DOACH wird wissenschaftsgeleitetes Publizieren in der Schweiz mit europäischen Initiativen und Infrastrukturen vernetzt und gestärkt.
Anmerkungen
1 swissuniversities: Nationale Schweizer Strategie Open Access, Bern 2024, S. 16., https://www.swissuniversities.ch/themen/open-science/open-access/nationale-strategie
2 Mit eterna in Basel, OAP in Genf, Hope in Zürich und SOAP2 in Fribourg/Lausanne/Luzern/Neuchâtel/Waadt bieten auch Universitäten bzw. Hochschulen in der Schweiz ihren Forschenden ähnliche Dienstleistungen und Strukturen an.