Tipo di ricerca
Tesi di master
Stato
abgeschlossen/terminé
Cognome del docente
Prof.
Christian
Windler
Istituzione
Historisches Institut
Luogo
Bern
Anno
2017/2018
Abstract
Die akteurszentrierte Perspektive ermöglicht es, zwei Ansätze der Frühneuzeitforschung, den verflechtungsgeschichtlichen Zugang und die „Kulturgeschichte des Politischen“, miteinander zu verbinden. Während ersterer das Augenmerk auf Strukturen und Praktiken personaler Beziehungsnetze richtet, rückt letzterer die Diskurse und Praktiken in den Mittelpunkt, derer sich die Akteure bedienten, um sich über Herrschaft zu verständigen und diese auszugestalten. Obwohl im kirchlichen Kontext der Kirchenstaat und die römische Kurie die Forschungsfelder der Verflechtungsgeschichte waren, blieb der Ordensklerus – insbesondere die alten Orden – dabei ausgeblendet. Ebenso wenig wurden Phänomene des Nepotismus bei der Besetzung und Ausübung kirchlicher Ämter bisher aus einer Ordensperspektive untersucht. Die vorliegende Masterarbeit hatte deshalb zum Ziel, sich anhand einer Fallstudie zum Kloster St. Gallen unter Abt Celestino Sfondrati (1644 – 1696) dieser Forschungsdefizite anzunehmen.
Dabei werden folgende Problemkreise aufgearbeitet: Erstens wird der Frage nach der Durchsetzung von Ordensreform und Observanz in der Interaktion mit der Kurie und weltlichen Patronen und Protektoren nachgegangen. Zweitens wird die Bedeutung personaler Verflechtung und Verwandtschaft auf verschiedenen Handlungsebenen sowohl innerhalb des Ordens als auch im Verhältnis der Ordensgeistlichen zur „Welt“ untersucht. Mit Celestino Sfondrati kam 1687 ein Mönch an die Spitze des Klosters St. Gallen, der es nicht nur verstand, sich als weltlicher Herrscher der Fürstabtei im Spannungsfeld mit den angrenzenden Mächten zu bewegen. Der Spross
einer lombardischen Adelsfamilie trieb gleichermassen die innere Reform des Klosters voran und festigte den katholischen Glauben in dessen Untertanengebieten. Mit den ungewöhnlich engen Beziehungen nach Rom und den Positionsbezügen zu kirchenpolitischen Fragen von allgemeiner Bedeutung war Sfondrati auch im Kontext der Gesamtkirche kein Unbekannter, wie seine Erhebung zum Kardinal im Jahr 1695 bestätigte. Seine Regierungszeit ist deshalb für die gewählte Fragestellung aus zweierlei Hinsicht besonders vielversprechend: Erstens war Sfondratis Praxis der Klosterregierung im Gegensatz zu jener seiner Vorgänger und Nachfolger mittels Verflechtungsbeziehungen stark nach Rom ausgerichtet. Dies führt zur Frage nach dem Stellenwert der Position als Fürstabt im cursus honorum des späteren Kardinals. Zweitens kann exemplarisch aufgezeigt werden, welche Handlungsspielräume ein Klostervorsteher besass und inwiefern diese den Vorgaben der Ordensregel entsprachen. Mit der Analyse der sich im Stiftsarchiv St. Gallen befindlichen, umfangreichen Korrespondenz des Fürstabts zielt die Studie darauf ab, die mikropolitischen und symbolischen Logiken benediktinischer Klosterregierung freizulegen. Dabei wird insbesondere die Korrespondenz mit seiner Schwägerin, Contessa della Riviera, in den Blick genommen und aufgezeigt, welche Auswirkungen die Beziehungen mit dem Verwandtschaftsverband nach sich zogen und inwiefern diese im Dienst familiärer Mobilitätsstrategien standen. Zugleich eröffnet die Untersuchung der Familien- korrespondenz Einblicke in nepotistische Praktiken im Ordenskontext.