Von Verträgen, Schulden und Nutzungsrechten. Das „Zivilgericht“ Worb 1700-1850

Cognome dell'autore
Maria
Gfeller
Tipo di ricerca
Tesi di laurea
Stato
abgeschlossen/terminé
Cognome del docente
Prof.
Heinrich Richard
Schmidt
Istituzione
Historisches Institut
Luogo
Bern
Anno
2002/2003
Abstract

Seit den 1990er Jahren erlebt die historische Kriminalitätsforschung im deutschen Sprachraum Aufschwung. Vor allem die frühneuzeitliche Sozialgeschichtsschreibung ist es, die den Wert strafrechtlicher Quellen für ihre Fragestellungen entdeckt hat. Verstösse gegen strafrechtlich relevante Normen (zum Beispiel Eigentumsdelikte, Ehrverletzungen) und die Art ihrer Bestrafung liefern Historikerinnen und Historikern wichtige Hinweise zu Konflikten und Veränderungsprozessen in der Gesellschaft.

 

Dabei ist bislang die Zivilgerichtsbarkeit im Schatten der (spektakuläreren) Kriminalgerichtsbarkeit geblieben. Zu Unrecht. Denn auch zivilrechtliche Akten geben Aufschluss zu sozialhistorischen Fragestellungen. So können beispielsweise Erbstreitigkeiten oder die Rege- lung von Schuldverhältnissen ebenso auf soziale Problemlagen hinweisen.

 

Die Lizentiatsarbeit will der Fokussierung auf strafrechtliche Quellen entgegenwirken. Mit der Wahl eines epochenübergeifenden Untersuchungszeitraums (18. und 19. Jahrhundert) soll die Fragestellung zudem im Hinblick auf einen allfälligen Paradigmenwechsel „Vormoderne – Moderne“ durchleuchtet werden.

 

In einer quantitativen Analyse werden Fälle vor dem Dorf- und dem Herrschaftsgericht Worb (18. Jahrhundert) beziehungsweise dem Amtsgericht Konolfingen (19. Jahrhundert) untersucht. Dabei stehen vor allem Häufigkeiten und ihre Entwicklung im Lauf der Zeit im Vordergrund. Im Zentrum der qualitativen Analyse steht anschliessend der Konflikt um die Nutzung der Gemeindewälder in Worb. Der Fokus hierbei liegt stärker auf den Motiven und Lösungsversuchen der Auseinandersetzung.

 

Die Ergebnisse der quantitativen Analyse zeigen einerseits ein Bild der Konstanz: Trotz der politisch und institutionell einschneidenden Veränderungen, denen die Berner Landbevölkerung nach 1798 unterworfen war, veränderte sich der zivilrechtliche Regelungsbedarf im Lebensalltag der Menschen nicht stark. Richterliche Funktionen gingen nahtlos von einer Obrigkeit auf die nächste über. So übernahmen beispielsweise der Konolfinger Oberamtmann zwischen 1803 und 1831 beziehungsweise der Amtsgerichtspräsident zwischen 1831 und 1846 etliche herrschaftliche Einzelrichterfunktionen, die im 18. Jahrhundert zuvor der Worber Herrschaftsherr ausgeübt hatte. Andererseits lässt sich ein Einfluss von sozialen Stresssituationen (zum Beispiel Hungersnot) auf die Häufigkeiten zivilrechtlicher Gerichtsverhandlungen (zum Beispiel Streit um Schulden) feststellen. Waren die ökonomischen Lebensgrundlagen der Worber Bevölkerung bedroht, so versuchte sie vermehrt, diese vor Gericht zu verteidigen. Sozusagen als Ausgleich dazu versuchte die Obrigkeit, die Rechtssicherheit stetig zu verbessern mit dem Ziel, die Eskalation (sozialer) Konflikte durch stärkere Legitimation vertraglich festgelegter Vereinbarungen zu verhindern. Diese Bestrebungen hatten auch zum Zweck, die Untertanen von teuren Gerichtshändeln abzuhalten. Hohe Gerichtskosten führten nicht selten zu Privatkonkursen und belasteten indirekt die Gemeindekassen (Armenfürsorge).

 

Aufgrund der Ergebnisse der qualitativen Analyse wird ersichtlich, wie zwei Bevölkerungsgruppen von unterschiedlicher ökonomischer und sozial-politischer Potenz („arme“ Tauner gegen „reiche“ Rechtsamebesitzer) die Verteilung der sich stetig verknappenden Holzressourcen in den Worber Gemeindewäldern regelten. Die rund zwei Jahrhunderte dauernde Auseinandersetzung war – nicht zuletzt aufgrund ausgleichender Bemühungen der Obrigkeit (Worber Herrschaftsherr und Berner Rat) – grösstenteils von Gewaltfreiheit und aussergerichtlichen Lösungsstrategien (z. B. gütliche Einigung) geprägt. Im Jahre 1841 konnte der Worber Holzstreit beigelegt werden, indem die Rechtsamebesitzer den Taunern vertraglich einen Teil der umstrittenen Wälder überliessen.

 

Als durchgängiger Zug sowohl in der quantitativen wie auch in der qualitativen Analyse erscheinen die Bemühungen der Obrigkeit(en) zur Deeskalation (sozialer) Konflikte. In gewisser Hinsicht lässt sich dabei ein Bogen spannen zu Winfried Schulzes These der „Verrechtlichung sozialer Konflikte“.

 

Die Arbeit wird in der Reihe „Berner Forschungen zur Regionalgeschichte“ vom Verlag Traugott Bautz publiziert (www.bautz.de).

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