Tipo di ricerca
Tesi di master
Stato
abgeschlossen/terminé
Cognome del docente
Prof.
Ueli
Haefeli
Istituzione
Historisches Institut
Luogo
Bern
Anno
2021/2022
Abstract
Am 28. August 1882 lieferten sich Zürcher Schulkinder ein Wettrennen mit neuartigen Gefährten, welche mit Pferden bespannt waren und von der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) tags darauf als „Wunderdinger“ bezeichnet wurden. Wovon die NZZ hier berichtete, waren die Testfahrten der ersten Strassenbahnwagen in Zürich. Dieses damals neue Verkehrsmittel fügte sich im ausgehenden 19. Jahrhundert in eine Fülle von Veränderungsprozessen ein, in deren Verlauf Zürich zur grössten und einwohnerreichsten Stadt der Schweiz heranwachsen sollte. Für die Mobilitätsgeschichte ist dieser Urbanisierungsprozess von grosser Bedeutung, da dieser in Zürich, analog zur Entwicklung in anderen europäischen Städten, neue Mobilitätsbedürfnisse generierte und unter anderem zum Aufkommen der Strassenbahn führte. Das urbane Verkehrsmittel fand hierbei nicht nur den Weg in zahlreiche Stadtteile, sondern auch in die Zeitungsspalten der NZZ, welche in dieser Masterarbeit mit Fokus auf die Periode von 1880 bis 1905 ausgewertet wurden.
Mit dem Blick in die liberale Tageszeitung soll hierbei nicht die vorhandene historische Forschung zur Zürcher Strassenbahn mit der Auswertung zusätzlicher Quellenbestände ergänzt werden, sondern der Versuch unternommen werden, diese um eine neue Perspektive zu erweitern: Obwohl Inhalte der NZZ zur Strassenbahn in Zürich in der besagten Untersuchungsperiode am Rande bereits in früheren Forschungsbeiträgen thematisiert wurden, fehlt bislang eine umfassende und tiefgründige Untersuchung von diesen. Für die Schliessung dieser Forschungslücke bietet das NZZ-Zeitungsarchiv spannende Möglichkeiten: Dessen Bestände sind digital erschlossen und können mit einer OCR-basierten Volltextsuchfunktion ausgewertet werden. In dieser Masterarbeit konnte daher der folgenden Fragstellung nachgegangen werden, deren Beantwortung neben qualitativen auch quantitative Auswertungen erforderte: Wie und in welcher Form erscheinen in der besagten Periode Zeitungsinhalte in der Neuen Zürcher Zeitung, welche mit der Zürcher Strassenbahn in Verbindung gebracht werden können? Welche inhaltlichen Muster zu deren Bedeutung für die innerstädtische Mobilität in Zürich lassen sich in diesen feststellen?
Zur Beantwortung dieser Fragestellung wurde das Zeitungsarchiv der NZZ in drei kriterienorientiert ausgewählten Teilperioden zwischen den Jahren 1880 und 1905 auf sämtliche Inhalte durchsucht, welche einen der Begriffe „Strassenbahn“, „Tramway“ oder „Tram“ enthalten. Die so eruierten Zeitungsinhalte wurden systematisch bereinigt und bilden das Quellenkorpus, welches im Anschluss einer quantitativ-qualitativen Analyse unterzogen wurde.
Die quantitativen Auswertungen orientierten sich dabei am Ansatz der Culturomics, mit welchem die Verteilung der eruierten Zeitungsinhalte auf einer Zeitachse aus verschiedenen Perspektiven untersucht wurde. In den daran anschliessenden qualitativen Auswertungen galt das Interesse den Inhalten des Quellenkorpusʼ, wobei die Bedeutung der Strassenbahn für die räumliche Erschliessung des urbanen Raums sowie für das GemeinwesenvonZürichimMittelpunktstanden.
Im Rahmen der quantitativen Analyse konnte so dargelegt werden, dass die Verwendung der drei Begriffe sowohl sprachliche wie strukturelle Muster aufweist: Während in den 1880er Jahren für das neue Verkehrsmittel vorwiegend der Begriff „Tramway“ in der NZZ Verwendung fand, verlor dieser bis zum Ende der Untersuchungsperiode fast vollständig an Bedeutung. An dessen Stelle traten die Begriffe „Strassenbahn“ und die Kurzform „Tram“, wobei der erstere in der redaktionellen Berichterstattung dominierte, während in Inseraten fast ausschliesslich vom „Tram“ die Rede war. Wichtige Schlüsselereignisse wie kommunale Abstimmungen, aber auch die wachsende Bedeutung von Inseraten zur Finanzierung der NZZ, führten spätestens ab den 1890er Jahren dazu, dass das neue Verkehrsmittel an deutlich mehr Kalendertagen als zuvor in der Zeitung erwähnt wurde.
Die qualitative Analyse fokussierte sich auf inhaltliche Muster im redaktionellen Teil der Zeitung. In dieser konnte festgestellt werden, dass die Strassenbahn in deren Anfangsphase zwar strategisch als essenziell für die weitere Stadtentwicklung Zürichs beschrieben wurde, dies jedoch noch kaum im Zusammenhang mit gesamtstädtischen Mobilitätsbedürfnissen.
In den beiden Jahrzehnten danach veränderten sich hierzu die Zeitungsinhalte: Während in den 1890er Jahren die redaktionelle Berichterstattung zu privaten Erschliessungsprojekten einzelner Stadtquartiere stark zunahm, führten kommunale Erschliessungsprojekte im Jahrzehnt danach zu einer starken Zunahme von Leserbriefen, wodurch Mobilitätsbedürfnisse einzelner Stadtteile wesentlich dynamischer in der Zeitung diskutiert wurden.
Zur Bedeutung der Strassenbahn für das Züricher Gemeinwesen liessen sich ebenfalls inhaltliche Muster feststellen. In der ersten Teilperiode wurde deren Betrieb in den Zeitungsinhalten zunächst nicht als behördliche Aufgabe verstanden. Dies änderte sich im Verlauf der beiden späteren Teilperioden, in welchen die Kommunalisierung privater Strassenbahnbetriebe sowie der Bau und Betrieb von unrentablen Linien auch von der redaktionellen Berichterstattung der NZZ befürwortet wurden: In den Zeitungsinhalten wurde das Tram so zur gemeinwohlorientierten Antwort auf gesamtstädtische Mobilitätsbedürfnisse und somit zu einem integralen Bestandteil der städtischen Infrastruktur.