Von der Führungskrise 1914/15 bis zur Absetzung Falkenhayns: Führungsstrukturen und Netzwerke in der obersten deutschen Führungsebene

Cognome dell'autore
Fabio
Collalti
Tipo di ricerca
Tesi di master
Stato
abgeschlossen/terminé
Cognome del docente
PD Dr. phil
Daniel Marc
Segesser
Istituzione
Historisches Institut
Luogo
Bern
Anno
2018/2019
Abstract
Das Deutsche Kaiserreich war ein bundesstaatlich aufgebautes Gefüge von Monarchien, an dessen Spitze der Deutsche Kaiser als Führungsorgan stand. Kaiser Wilhelm II., der von 1888 bis 1918 diese Position innehatte, war schon zu Lebzeiten eine polarisierende Figur. Je nach Zeitperiode, in der sein Handeln betrachtet wird, bezeichnen ihn Forschende als „Schattenkaiser“ oder werfen ihm vor, ein eigenes persönliches Regime mit ihm an der Spitze geschaffen zu haben. In Anbetracht dieser gegensätzlichen Einschätzungen fragt die vorliegende Masterarbeit, welche Akteure während der Führungskrise 1914/15 und im Jahr 1916 bis zur Entlassung Falkenhayns in den Entscheidungsprozess der obersten deutschen Führung involviert waren und welche Rolle sie dabei spielten. Um dem Narrativ des grossen Mannes etwas entgegenzuhalten, untersucht die vorliegende Arbeit ebenso, inwiefern im Entscheidungsprozess auch „Männer der zweiten Reihe“ identifiziert werden können, die wesentlichen Einfluss auf die Entscheidungsfindung nahmen. Die Hauptfragestellung wird mithilfe zweier unterschiedlicher Methoden beantwortet. Einerseits wird eine qualitative Quellenanalyse durchgeführt. Die in beiden Beobachtungszeiträumen relevanten Akteure konnten auf diese Weise identifiziert werden. Andererseits wird eine quantitative Analyse durchgeführt. Grundannahme des quantitativen Teils ist, dass Akteure, die häufig mit anderen Akteuren der obersten deutschen Führungsebene interagierten, im Entscheidungsprozess eine relevante Rolle spielten. Auf der Grundlage der vorhandenen Quellenbasis wurden solche Interaktionen – bspw. Protokolle oder auch nur Hinweise zu Gesprächen über aktuelle Themen oder Korrespondenz zwischen Akteuren – gesammelt, analysiert und in Netzwerkgrafiken visualisiert. Zum Schluss wurden die Ergebnisse der beiden Analysen verglichen und Erklärungen für die Unterschiede gesucht. Von entscheidender Bedeutung war dabei eine solide Quellenbasis. Deshalb wurde eine grosse Vielfalt von Quellen herangezogen und kritisch bewertet. Dazu gehörten Erinnerungsliteratur, Briefe, Tagebücher und Archivnachlässe, die alle einen wichtigen Anteil bei der Beantwortung der Forschungsfragen hatten. Die erfolgreiche Verknüpfung von quantitativer und qualitativer Analyse vermochte aufzuzeigen, dass während der Führungskrise 1914/15 wie auch im Verlauf des Jahres 1916 bis zur Absetzung des Generalstabschefs Falkenhayn die Schlüsselakteure mit einer Ausnahme die institutionell relevanten Entscheidungsträger rund um den Kaiser waren. Ressortgrenzen wurden zwar manchmal strapaziert oder überschritten, aber insgesamt war die institutionelle Anbindung ein zentralerer Faktor als Bemühungen von Individuen. Der einzige Sonderfall, den sowohl die quantitative als auch die qualitative Analyse hervorzubringen vermochten, war der Falkenhayn-Kritiker Hans von Haeften, der in der Führungskrise 1914/15 eine wichtige Rolle einnahm, obwohl er als Adjutant des ehemaligen Generalstabschefs Helmuth von Moltke des Jüngeren keine offizielle Stellung mehr hatte und daher grösstenteils als „blosser Privatsekretär“ eines ehemaligen Generalstabschefs in Eigeninitiative unterwegs war. Trotz fehlender institutioneller Funktion traf er sich mit Vertretern der höchsten Führungsebene, Generalstabsoffizieren, Politikern, Industriellen und Armeeführern. Durch seine Interaktionen vernetzten sich die Kritiker des amtierenden Generalstabschefs Falkenhayn. Auch wenn dieses Netzwerk nie selber Akteurscharakter annahm, blieben die durch Haeften vermittelten und gestärkten Verbindungen auch 1916 relevant. Haeften selbst wurde aufgrund seiner Tätigkeiten in der Führungskrise 1914/15 strafversetzt und spielte im weiteren Verlauf der Diskussionen über die Zukunft Falkenhayns und die kriegswichtigen Entscheidungen nurmehr eine sehr untergeordnete Rolle. Die Analysen zeigen, dass der Entscheidungsprozess der obersten deutschen Führung in den Jahren 1914 bis 1916 primär von Männern dominiert wurde, denen Entscheidungskompetenzen gemäss ihrer institutionellen Position auch zustanden. Die bemerkenswerte Ausnahme bildete Hans von Haeften, der wohl von seiner Nähe zum ehemaligen Generalstabschef Moltke profitierte. Die vorliegende Arbeit vermochte aber auch noch etwas Weiteres aufzuzeigen. Neben den formellen Treffen sowie täglichen Lagevorträgen hatten alle Akteure auch die Möglichkeit, durch informelle Gespräche und den persönlichen Austausch Teil des Entscheidungsprozesses zu werden. Diese letzteren Aspekte sind zwar in den Quellen schwierig zu fassen, waren aber, wie die vorliegende Analyse zeigt, mit Blick auf die getroffenen Entscheidungen doch von einer nicht zu unterschätzenden Bedeutung.

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