Tipo di ricerca
Dottorato
Stato
abgeschlossen/terminé
Cognome del docente
Prof.
Harald
Fischer-Tiné
Istituzione
ETH Zürich, Institut für Geschichte, Lehrstuhl Geschichte der modernen Welt
Luogo
Zürich
Anno
2018/2019
Abstract
Das Forschungsprojekt untersucht die Geschichte des Khalsa College, Amritsar, in der britisch-indischen Provinz Punjab als Ort der Aus- und Verhandlung religiöser, politischer und pädagogischer Programme von seiner Anfangsphase in den 1880er-Jahren bis zum Ende der britischen Kolonialherrschaft 1947. Massiv unterstützt von Beamten der Kolonialregierung, hatten Vertreter sozio-religiöser Reformbewegungen innerhalb der religiösen Minderheit der Sikhs die Einrichtung 1892 gegründet. Als erstes College, das sich dezidiert zum Ziel gesetzt hatte, englische Bildung an Sikh-Jungen und –Männer zu vermitteln, wurde es rasch zu einer äusserst eiflussreichen Institution im öffentlichen Leben dieser Gemeinschaft sowie des Punjab im Allgemeinen. Das College war eine rege genutzte Plattform für die Diskussion kontroverser religiöser und politischer Ideen und spielte gerade in der Endphase der britischen Herrschaft in Indien eine wichtige Rolle, als religiös und ethnisch motivierte Identitätspolitik zunehmend in den Vordergrund der öffentlichen Debatte rückte.
Das Forschungsprojekt untersucht das Khalsa College auf drei miteinander verknüpften analytischen Ebenen. Zum einen analysiert es den gesellschaftlich-politischen Kontext, in welchem sich das College bewegte, und skizziert dabei die Rolle, die die Institution in zeitgenössischen religiösen und kommunalen Debatten des Punjab sowie bei der Formierung und Sozialisierung der aufstrebenden neuen Eliten und Führungspersönlichkeiten einnahm. Besonderes Augenmerk in der Analyse wird auf die (Neu-)Formulierung einer distinktiven Sikh-Identität, vor allem der gesellschaftlichen Etablierung eines ‚orthodoxen‘ sogenannte Tat-Khalsa-Ideals, gelegt. Dieses neue resp. erneuerte Gruppenbewusstsein soll dabei in seiner vielfältigen Auseinandersetzung einerseits mit der Kolonialverwaltung, anderseits mit den rivalisierenden religiösen Gemeinschaften (Hindus und Muslimen) untersucht werden. Auf einer zweiten Ebene beschäftigt sich die Studie mit Inhalt und Form des Wissens, das die Bildungseinrichtung in der turbulenten Spätphase der kolonialen Epoche seinen Schülern zu vermitteln versuchte. Dabei wird analysiert, in welcher Art und Weise und unter dem Einfluss welcher historischer – indischer wie europäischer - Akteure und Interessengruppen der Curriculum der Einrichtung Gestalt annahm. Auch der Einfluss trans- und internationaler Diskurse zu „nützlichem“ Wissen und „effizienten“ pädagogischen Methoden sowie deren Anpassung an die lokalen Gegebenheiten und die tägliche Unterrichtspraxis werden hier berücksichtigt. Die Analyse der curricularen und der extracurricularen Dimension von Bildung wird schliesslich auf einer dritten analytischen Ebene kombiniert durch eine Betrachtung der Normen und Werte, welche am College in Amritsar der Studentenschaft vermittelt wurden. Hier rücken insbesondere Fragen von Gender und Rasse (‚race‘) in den Vordergrund. Lange wurden die Sikhs des Punjab nicht nur von Beamten des Kolonialapparates sondern auch von indischen und Sikh-Anführern selbst als sogenannte „martial race“ verstanden, welcher eine besondere Eignung zum Polizei- und Militärdienst zugesprochen wurde. Dementsprechend fragt die Studie, inwiefern auch das Khalsa College an der Propagierung und Festigung derartiger Ideale einer kriegerischen Sikh-Maskulinität beteiligt war, bspw. durch die Analyse von Schulbüchern resp. den darin vermittelten Geschlechterbildern. Insbesondere auch die Rolle körperlicher Ertüchtigung und kompetitiven Sports am College als Ausdruck maskuliner Sikh-Identität wird im Detail untersucht.
Die Studie leistet folglich einen Beitrag einerseits (a) zur kritischen Neubeurteilung der Sozial- und Kulturgeschichte indischer (Sub-)Nationalismen, (b) der Geschichte von global vernetzter Bildung und transkulturellem Wissenstransfer, sowie schliesslich (c) der transkulturellen Gendergeschichte im Allgemeinen und der Geschichte südasiatischer Maskulinität im Speziellen.
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