Rennen auf die Reben? Spätmittelalterlicher Reben- und Weinzinsbesitz am Nordufer des Bielersees

Cognome dell'autore
Niklaus
Bartlome
Tipo di ricerca
Tesi di master
Stato
abgeschlossen/terminé
Cognome del docente
Prof.
Regula
Schmid Keeling
Istituzione
Historisches Institut
Luogo
Bern
Anno
2020/2021
Abstract
Im Jahr 2017 kaufte das Kloster Engelberg einen Rebberg in Wingreis bei Twann am Bielersee, den es knapp 600 Jahre zuvor, am 5. Februar 1433, an den Berner Franz von Scharnachtal verkauft hatte. Dieser Erwerb wirft ein Schlaglicht auf die seeländische Weinbauregion, wo im Spätmittelalter verschiedenste Akteure am Kauf und Verkauf von Weinbergen und den darauf liegenden Weinzinsen aktiv beteiligt waren. Zwischen 1388 und 1475 war das Weinbaugebiet am Nordufer des Bielersees das bedeutendste im Einflussbereich der Stadt Bern. Die Arbeit setzte sich zum Ziel, für diesen Zeitraum den Kauf, den Verkauf und die Leihe von Rebgütern und Weinzinsen dreier im Weinbau tätigen Akteursgruppen, der Bewohner des Seelandes, der geistlichen Institutionen und der Stadt Berner, zu untersuchen. Wie veränderte sich während der Untersuchungsperiode die Besitzsituation von Reben und Weinzinsen und gab es Zeitspannen von geballtem Kaufverhalten, eben ein Rennen auf die Reben? Unmittelbar damit verknüpft wurde analysiert, was sich über Standort und Kaufpreis der Reben aussagen lässt und in welchen Bereichen besonders oft Konfliktsituationen auftraten. Um einen solchen Fragenkatalog aussagekräftig beantworten zu können, wurde mit quantitativ auswertbarem Material gearbeitet, welches mittels analytischer Methode aufbereitet und ausgewertet wurde. Das dafür verwendete Quellenkorpus besteht aus 414 Urkundenregesten des Berner Stadtarchivs und des Staatsarchivs des Kantons Bern. Bei der Leihe gab es drei Abgabemöglichkeiten von Rebgütern: den Teilbau (Halbreben), die Vergabe zu einem festen Weinzins oder eine Kombination von beidem. Die Bewohner des Seelandes beispielsweise wählten eher das für sie wirtschaftlich sichere Prinzip der Halbrebe. Die kapitalkräftigen Klöster konnten beim Verleihen mehr Risiko eingehen und ihre Reben zu einem fixen Weinzins vergeben. Zwischen 1388 und 1415 wurden besonders viele Reben verliehen und Rebgüter und Weinzinse wechselten oft ihre Besitzer. In der zweiten Hälfte des 15. Jh. nahm die Aktivität aber stark ab. Allgemein betrachtet zeigt sich, dass das Verhalten der Akteure im Weinbau am nördlichen Ufer des Bielersees dynamisch und nicht linear war. Die Investitionsperioden konnten dabei in Zusammenhang gebracht werden mit der territorialpolitischen und wirtschaftlichen Entwicklung Berns. Bei der Untersuchung der Akquirierung von Rebenbesitz kann festgestellt werden, dass gerade die auswärtigen Akteure, die Klöster und die Stadt Berner, ihre neuerworbenen Reben oft innert kürzester Zeit an lokale Bewohner weiterverliehen, mussten sie sich doch auf diese Weise nicht um die konkrete Bewirtschaftung kümmern. Eine Analyse des Kaufpreises eines einzelnen Mannwerks Reben ergab, dass er in einem Vierteljahrhundert, zwischen 1414 und 1438, um das Dreieinhalbfache angestiegen war. Nebst der Investition in eigentliche Reben legten die einzelnen Akteure ihr Vermögen auch in Weinzinse an. Es kann gezeigt werden, dass Weinzinse meist in der Höhe von einem halben oder einem ganzen Saum verkauft wurden. Aus logistischen, administrativen und wirtschaftlichen Gründen handelte es sich dabei um die ideale Grösse. Die Berechnung des Kaufpreises eines Saums Weinzins ergab, dass er sich zwischen 1414 und 1438 im Gegensatz zum Pro-Mannwerk-Preis nur um das Anderthalbfache erhöhte. Die Untersuchung der einzelnen Kaufpreise von Reben und Weinzins dokumentiert gerade für die Ortschaften Le Landeron und Neuenstadt, dass Rebparzellen, die auf einer Höhe von 450 – 520 m. ü. M. angepflanzt waren, wo weitestgehend trockene und sonnenreiche Bedingungen vorherrschten, und die nicht direkt am See lagen, besonders begehrt und teuer waren. Bei der Analyse der in den Regesten überlieferten Konflikte im seeländischen Weinbau kam heraus, dass man sich weitaus am häufigsten um Ansprüche auf Weinzinse ab seeländischen Reben stritt. Dies belegt nicht nur, wie wichtig das rechtliche Konstrukt der Weinzinse war, sondern auch wie konfliktanfällig sich dies gestaltete. Aber auch konkrete Streitigkeiten, etwa die negativen Auswirkungen von Einzelbäumen im Rebgelände, wurden vor Gericht debattiert. Die Gruppe der Klöster erweiterte 1388 bis 1475 ihren Rebenbesitz dahingehend, dass sie das Bestehende zu arrondieren und verdichten versuchte. Die Bewohner der seeländischen Ortschaften waren zahlenmässig in den Jahren 1388 bis 1415 die dominierenden Figuren im Weinbau. Das Beispiel von Johann Marchandet aus Valangin konnte veranschaulichen, wie die Stadt Berner im Verlauf des 15. Jh. vermehrt auf den seeländischen Weinbau zugriffen. Es waren die Burger und Junker von Bern, die schlussendlich das Rennen um die Reben gewinnen sollten. Es konnte beleuchtet werden, dass die politische Laufbahn und die konkreten Herrschaftskäufe ausschlaggebend für den Start der bernischen Investitionen waren, die teils über mehrere Generationen hinweg getätigt wurden. Ein Grossteil jener Berner Akteure gehörte in der zweiten Hälfte des 15. Jh. zur obersten wirtschaftlichen und sozialen Führungselite.

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