Propagandafotografie – oder wie Realität abgebildet werden kann Eine Untersuchung von Fotografien des PK-Bildberichters Mendl über die deutsche Kriegsmarine 1939-1941

Cognome dell'autore
Simon
Tanner
Tipo di ricerca
Tesi di master
Stato
abgeschlossen/terminé
Cognome del docente
Prof.
Marina
Cattaruzza
Istituzione
Historisches Institut
Luogo
Bern
Anno
2008/2009
Abstract


Zeigen Fotografien Geschichte? Ist eine Fotografie das objektive Abbild der Realität oder deren subjektive Interpretation? Können Fotografien propagandistisch sein oder lässt sich nur deren Verwendung als Propaganda bezeichnen?

Im Zentrum der Arbeit von Simon Tanner stehen Fotografien aus den Jahren 1939 bis 1941, aufgenommen von einem Bildberichter der Propagandakompanien der deutschen Wehrmacht. Der Bord
alltag auf deutschen Kriegsschiffen bildet den thematischen Schwerpunkt der Fotografien. Unter Berücksichtigung des Entstehungskontextes soll das Verhältnis zwischen Fotografie und Realität theoretisch untersucht werden. Die Verknüpfung von Geschichte und Fotografie erfolgt auf zwei Ebenen: Einerseits die zu untersuchende Fähigkeit des Medium Fotografie, vergangene Realität wiederzugeben, und andererseits die überlieferten Fotografien als Untersuchungsgegenstand einer historischen Quellenkritik.

Das Verhältnis von Fotografie und Geschichte stellte lange Zeit einen Nebenschauplatz der historischen Forschung dar. Erste Impulse zur Thematisierung der Visualität der Geschichte als eigenes Wirkungsund Untersuchungsfeld der Geschichtswissenschaft kamen erst in den 1980er Jahren und waren stark interdisziplinär ausgerichtet. Das lange Zeit vorherrschende Grundvertrauen gegenüber der Fotografie, dass deren Doppelcharakter als objektiv fixierte, äussere Wirklichkeit und Inszenierung derselben aus der Perspektive des Fotografen ignorierte, wird zunehmend kritisch hinterfragt. Von einer Etablierung der Fotografie als eigenständige Quelle in der Geschichtswissenschaft kann noch immer nicht gesprochen werden. Im Hinblick auf die Historiografie des Nationalsozialismus und Zweiten Weltkrieges muss festgehalten werden, dass Fotografien als Quellen einen verschwindend geringen Raum einnehmen. Diese Tatsache erstaunt umso mehr, da Fotografien als wichtiges, vielleicht sogar zentrales Medium der Willensbildung, der politischen Beeinflussung und Selbstdarstellung des NS-Staates und seiner Institutionen bewertet werden können. In hohem Masse war die nationalsozialistische Propaganda eine auf Visualisierung ausgerichtete Ästhetisierung der Politik und der Fotografie kam die wichtigste Rolle bei deren Verbreitung zu.

Die vorliegende Arbeit verfolgt folgende Ziele: Als Erstes soll ein theoriegeleitetes Instrumentarium verschiedener Methoden der Quellenkritik für das Medium Fotografie erarbeitet werden, welches eine qualitative Auswertung und inhaltliche Analyse von Fotografien ermöglicht. In einem zweiten Schritt sollen durch die Analyse des gewählten Bildbestandes Rückschlüsse und Erkenntnisse in Bezug auf den Alltag auf deutschen Kriegsschiffen sowie über den Grad der propagandistischen Verzerrung in der fotografischen Berichterstattung gewonnen werden. Das Ziel der Bildanalyse wird es sein, die mit den propagandistischen Aussageabsichten verbunde Selektivität der fotografischen Wirklichkeitsvermittlung zu bestimmen. Die zentrale Fragestellung der Arbeit lautet: Wie wurde die Fotografie zur propagandistischen Selbstdarstellung eingesetzt? Daraus ergeben sich in Bezug auf die zu untersuchenden Fotografien des Bildberichters Mendl eine Vielzahl weiterer Fragen: Welche Bildformen und Bildinhalte charakterisieren die fotografische Berichterstattung? Welche Informationen über den Bordalltag auf deutschen Kriegsschiffen können gewonnen werden? Welche ästhetischen und formalen Gestaltungsmittel wurden eingesetzt? Wie ist das Verhältnis von Dokumentation und Interpretation zu bewerten? Wird der propagandistische Kontext, also Auftragsverhältnis und publizistische Verwendung, ersichtlich? Wie stark war der Bildberichter in seiner Tätigkeit von Vorgaben und Richtlinien eingeschränkt? Erfüllte er lediglich die propagandistischen Aufträge oder erbrachte er eine thematische und kreative Eigenleistung?

Aus der theoretischen Auseinandersetzung mit dem Medium Fotografie wurden u.a. folgende Erkenntnisse gewonnen: Fotografien bilden ab, was zum Zeitpunkt der Belichtung vor dem Objektiv der Kamera existiert hat, gleichgültig, ob es sich dabei um bewusst ausgewählte oder zufällig vorhandene Bildelemente handelt. Der Vorteil dieser Eigenart fotografischer Dokumente ist, dass gerade neben-sächlich und alltäglich erscheinende Elemente die Wahrnehmung eines bestimmten Ereignisses oder einer bestimmten Person beeinflussen können. Der entscheidende Nachteil dabei ist, dass eine fotografische Abbildung nur zu leicht mit einem Abbild der Wirklichkeit verwechselt werden kann. Weil Fotografien nur das darstellen können, was sich im Blickfeld des Fotografen befunden hat, hat dieser folglich massgeblichen Einfluss darauf, was auf einer Fotografie nicht zu sehen ist. Fotografien zeigen also zu einem grossen Teil eine Wirklichkeit, wie sie gesehen werden soll – sei es, weil der Fotograf seine bestimmte Wahrnehmung der Wirklichkeit zu vermitteln versuchte oder sein Auftraggeber eine bestimmte Vorstellung oder Interpretation der Wirklichkeit visualisiert sehen wollte. So können Fotografien sowohl Ausdruck von Wirklichkeit als auch Medium einer Wirklichkeitskonstruktion selbst sein.

Auf Grundlage des untersuchten Bildbestandes konnten wichtige Aspekte dieses problematischen Quellenmaterials beleuchtet werden. Obwohl die Frage nach den propagandistischen Aussageabsichten von Mendl nicht eindeutig beantwortet werden kann, ist dennoch eine Selektivität in der fotografischen Vermittlung der Wirklichkeit zu konstatieren. Diese ergibt sich aus dem historischen Kontext, welcher sich durch die organisatorische Einbindung Mendls in die Truppenstrukturen der Kriegsmarine sowie dessen Auftragsverhältnis zu den politischen (und militärischen) Entscheidungsträgern im nationalsozialistischen Propagandaapparat kennzeichnete. So sind die untersuchten Bilder von Mendl erst durch den zeitgenössischen Verwendungszusammenhang und die Rezeption als Propagandafotografie zu bewerten.

Accesso al lavoro

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