Die Arbeit versucht mit einer Analyse des renommierten „Corriere della Sera“ die antijüdische Gesetzgebung des italienischen Faschismus 1938 näher zu beleuchten. Dabei wird das Verhalten des „Corriere della Sera“ gegenüber den Juden im Allgemeinen und der kleinen jüdischen Gemeinde Italiens im Speziellen dargestellt. Es wird bewusst ein zeitlich breiter Untersuchungszeitraum, 1934–1939, gewählt, um die Veränderungen zu belegen. Der Hauptteil der Arbeit befasst sich mit der Berichterstattung des „Corriere della Sera“. Punktuelle Vergleiche werden mit anderen italienischen Tageszeitungen und der rassistischen und antisemitischen Zeitschrift „La Difesa della Razza“, welche ab August 1938 erschien, vorgenommen, genauso wie auch Fragen bezüglich der faschistischen Pressepolitik und der Geschichte des „Corriere della Sera“ zur Sprache kommen. Ebenso wird punktuell aufgezeigt, dass der Rassendiskurs in jenen Jahren auf einer breiten Basis geführt wurde und sich dieser Diskurs mit dem Abessinienkrieg eindeutig verschärfte. Abgerundet wird die Arbeit durch eine halbjährige Stichprobe der „NZZ“, um einen Blick von aussen auf die faschistische Rassenpolitik zu dokumentieren. Die inhaltsanalytisch erhobenen Daten dokumentieren eindrücklich den massiven Anstieg der Berichterstattung über Juden und die Intensität der antijüdischen Kampagne ab dem Sommer 1938. Die Analyse zeigt auch, dass vor der Kampagne der „Corriere della Sera“ keine programmatische antisemitische Einstellung hatte. Trotzdem wird der sich anbahnende Wechsel auch dort spürbar, indem einige antisemitische Werke wohlwollend, wenn teilweise auch nur marginal, rezensiert wurden. Bemerkenswert ist auch, dass ab 1936 Lidio Cipriani, ein rassistischer und antisemitischer Anthropologe, partieller Mitarbeiter beim „Corriere della Sera“ war. Mit dem Einsetzen der offiziellen antisemitischen Kampagne des italienischen Faschismus werden die Juden auch im „Corriere della Sera“ zu einem prominenten Thema. So tauchen die Juden nun regelmässig in Zeitungsteilen auf, wo sie vorher nie ein Thema gewesen waren, wie zum Beispiel im Lokalteil oder in der Gerichtsberichterstattung. Auch in der Auslandsberichterstattung des „Corriere della Sera“ fällt auf, dass Juden in viel mehr Ländern thematisiert werden, als noch vor der Kampagne, als die Juden in der Auslandsberichterstattung des „Corriere della Sera“ vor allem im Zusammenhang mit Palästina erwähnt werden. Der „Corriere della Sera“ zeigt bei dieser Pressekampagne gegen die Juden, italienische wie ausländische, auch eine gewisse Eigeninitiative, indem er eigene „Untersuchungen“ zum jüdischen Einfluss macht und publiziert. Gerade mit der Eroberung in Abessinien wird auch die „Rasse“ im Generellen zum Thema. Dieser Diskurs wird im Bereich der Beziehungen zwischen den italienischen Eroberern und der afrikanischen Bevölkerung geführt, ebenso im Bereich der Kindersterblichkeit, der Mutterschaft, des Kampfes gegen die Tuberkulose oder im Bereich der körperlichen Ertüchtigung und er wird 1938 dann auch mit der Diskussion über die Juden erweitert. Teilweise zeigen diese Diskurse, wie versucht wird die Rassenpolitik mit der Schaffung des faschistischen „Neuen Menschen“ zu verbinden.
Die Arbeit zeigt, dass die Frage der Eigeninitiative nicht einfach zu beantworten ist, da die Zeitung stark vom Regime kontrolliert war, genauso wie das gesamte Mediensystem, und dass die italienischen Tageszeitungen sich während der Zeit des faschistischen Regimes der Meldepflicht gegenüber offiziellen Staatsmassnahmen nicht entziehen konnten. Schliesslich vermitteln gerade die Zeitungsartikel des Jahres 1938 – und zwar des „Corriere della Sera“ wie der „NZZ“ – die Tragik und Dramatik für die europäischen Juden. Nicht etwa das Schicksal Letztgenannter stand im Vordergrund, sondern es überwog die Angst vor Flüchtlingsbewegungen.