"Die Karpato-Ukraine als Spielball der Grossmächte? Die internationalen Grenzziehungsprozesse und ihre Akteure, ca. 1914–1939 (Arbeitstitel) "

Cognome dell'autore
Philippe
Thomet
Tipo di ricerca
Dottorato
Stato
laufend/en cours
Cognome del docente
Prof.
Julia
Richers
Istituzione
Historisches Institut
Luogo
Bern
Anno
2025/2026
Abstract

Als multiethnisch geprägte Region war die Karpato-Ukraine besonders von den geopolitischen Umwälzungen der Zwischenkriegszeit betroffen. An den Pariser Friedensverhandlungen wurde die Karpato-Ukraine der Ersten Tschechoslowakischen Republik zugesprochen. Doch noch während der Verhandlungen versuchte die Ungarische Räterepublik unter Béla Kun, Fakten zu schaffen und das Gebiet militärisch zu besetzen, was jedoch misslang. Als Reaktion auf den ungarischen Einmarsch wurde in der Karpato-Ukraine eine Militärverwaltung errichtet, die bis am 9. Januar 1922 fortbestand und unter französischem Oberbefehl stand. Trotzdem blieb die Karpato-Ukraine Gegenstand revisionistischer Absichten. Dies gilt besonders für die späten 1930er-Jahre als Ungarn im Schlepptau der nationalsozialistischen Expansionspolitik seine territorialen Ansprüche wieder anmeldete und diese auch durchzusetzen vermochte: Mit dem Ersten Wiener Schiedsspruch 1938 kam die Karpato-Ukraine teilweise und nach der Zerschlagung der Tschechoslowakei im Frühjahr 1939 schliesslich vollständig zu Ungarn.

Die Karpato-Ukraine blieb also während der gesamten Zwischenkriegszeit Gegenstand internationaler Verhandlungen und Grenzziehungsprozesse. Ziel dieses Dissertationsprojektes ist es, diese bisher untererforschten Prozesse und ihre Akteure genauer zu beleuchten: Wer waren die „Grenzzieher“ von Paris und was waren ihre Beweggründe? Auf welchen Grundlagen legten sie die zwischen- und innerstaatlichen Grenzen der Karpato-Ukraine fest? Welche Kriterien bestanden gegenüber der lokalen Bevölkerung? Welche Rolle nahm Frankreich ein, sowohl an den Friedensverhandlungen als auch vor Ort, wo die französische Militärmission die Befehlsgewalt über die tschechoslowakische Armee und die lokale Militärverwaltung ausübte? Mit Bezug auf die 1930er-Jahre stellt sich insbesondere die Frage, inwiefern die Konflikte der unmittelbaren Nachkriegsordnung wieder aufgegriffen und von einzelnen Akteuren bewusst angeheizt wurden? Welche Anknüpfungspunkte und Kontinuitätslinien bestanden zwischen dem System der Pariser Vorortsverträge und den Wiener Schiedssprüchen? Solche Fragen stehen im Zentrum des Dissertationsprojekts.