"Barbarossa" und die deutschschweizer Tagespresse. Eine Würdigung der dargestellten Ereignisse vom Sommer 1941 bis Sommer 1944

Cognome dell'autore
Stefan
Schaerer
Tipo di ricerca
Tesi di laurea
Stato
abgeschlossen/terminé
Cognome del docente
Prof.
Stig
Förster
Istituzione
Historisches Institut
Luogo
Bern
Anno
1997/1998
Abstract

Die Diskussion über die Rolle der Schweiz im Zweiten Weltkrieg war indirekter Auslöser für meine Arbeit, die sich in der Hauptsache mit der Analyse und Interpretation der Leitartikel dreier Deutschschweizer Tageszeitungen vom Vorabend der Eröffnung des Feldzuges „Barbarossa" (22. Juni 1941) bis zur Sommeroffensive der Roten Armee 1944 befasst. Die im sogenannten Eizenstat-Bericht aufgestellte Behauptung, dass die "Wende" des Krieges nach der Schlacht von Stalingrad auch der Schweiz ermöglicht hätte, sich nun deutlicher vom nationalsozialistischen Deutschen Reich zu distanzieren, verlieh meiner Arbeit zusätzliche Brisanz.

 

Die Arbeit soll darstellen, wie der Verlauf der Auseinandersetzungen der beiden Grossmächte Deutschland und Sowjetunion in der deutschsprachigen Schweizerpresse aufgenommen wurde, und welchen Eindruck die Öffentlichkeit von diesem Feldzug durch die Lektüre der Zeitungen erhalten konnte. Weiter interessiert auch, welche Unterschiede sich in der Berichterstattung feststellen lassen und inwiefern zusammenhänge mit dem unterschiedlichen politischen Hintergrund der jeweiligen Zeitung bestehen. Dazu gehört auch die Frage, ob die Redaktoren in ihren Leitartikeln klar Stellung für oder gegen eine Kriegspartei bezogen, oder ob sich in den Artikeln dieser Jahre mit dem sich wandelnden Kriegsglück auch ein Wandel in der Berichterstattung feststellen lässt. Bei den untersuchten Leitartikeln handelt es sich um Beiträge in Zeitungen dreier unterschiedlicher politischer Richtungen: sozialdemokratisch (Berner Tagwacht), bürgerlich-liberal {Neue Zürcher Zeitung) und katholischkonservativ (Vaterland).

 

Der erste Hauptteil der Arbeit ist der Situation der Schweiz im Zweiten Weltkrieg gewidmet. Auf Grund der angeregten Diskussion in der Schweiz konnte die neueste Literatur für diese Darstellung berücksichtigt werden. Die Auseinandersetzung mit der innen-, wirtschatts-, militär- und aussenpolitsche Lage der Schweiz während des zweiten Weltkrieges diente als historische Grundlage, um die Interpretation und Analyse der Leitartikel im zweiten Teil der Arbeit besser einordnen zu können. Die schweizerische Pressepolitik jener Jahre sowie Informationen zu den ausgewählten Deutschschweizer Zeitungen und deren verantwortlichen Redaktoren mussten auch entsprechend berücksichtigt und gewürdigt werden.

 

Im zweiten Teil wird der Verlauf des Ostfeldzuges (Feldzug „Barbarossa") schwerpunktmässig anhand der Leitartikel aus den Jahren 1941-1944 dargestellt und interpretiert. Leitartikel bieten eine gewisse Sicherheit, nicht nur einzelne Ereignisse zu verarbeiten, sondern eine Analyse mehrerer Tage bzw. Ereignisse zu sein. Die einzelnen Knotenpunkte der Arbeit sind die Tage unmittelbar vor dem 22. Juni 1941, die deutsche Invasion, die Deutsche Wehrmacht vor Moskau im Winter 1941, die Sommeroffensive Deutschlands 1942, die Ereignisse bis und mit dem Untergang der 6. Armee bei Stalingrad, die Panzerschlacht bei Kursk im Juli 1943 und schlussendlich die Sommeroffensive der Roten Armee 1944.

 

Generell hat sich gezeigt, dass die Presse immer wieder auf Fehlinformationen und falsche Lageeinschätzungen eingegangen ist. Allerdings ist dies nicht sehr erstaunlich, betrieben doch die beiden Gegner an der Ostfront eine systematische Desinformationspolitik. Um so mehr überrascht es, wie schnell und auch in welchem Ausmass die ausgewählten Zeitungen den Realitäten auf die Spur kamen. Die Neue Zürcher Zeitung, die zweifellos über die besten Mittel verfügte, war am ehesten um Neutralität und Objektivität bemüht. Der Gesamtsicht der Ereignisse an der Ostfront wurde sehr viel Beachtung geschenkt und auch entsprechend in die globale Darstellung einbezogen. Diese Leitartikel boten eindeutig den klarsten und zuverlässigsten Überblick und müssen ihren Lesern auch ermöglicht haben, selbständig und sogar aus der sicheren Distanz Schlüsse über den möglichen weiteren Kriegsverlauf zu ziehen. Die Artikel in der Neuen Zürcher Zeitung vertraten geradezu die offizielle schweizerische Neutralität, was bei den beiden anderen Zeitungen nicht der Fall war. So lagen die Sympathien der Berner Tagwacht, in welcher dem militärischen Geschehen kaum Beachtung geschenkt wurde, zuerst noch zögernd, aber dann ganz eindeutig auf der Seite der Sowjetunion. Der sozialdemokratisch motivierte Antifaschismus liess insbesondere nach dem durch den deutschen Angriff gebrochenen Hitler-Stalin-Pakt wohl auch keine andere Wahl mehr zu. Dagegen konnte das Vaterland seine Sympathie für die Sache des Deutschen Reiches ebenfalls nicht verbergen. Zwar war dies nicht identisch mit der Unterstützung für die nationalsozialistischen Ideen, wohl aber mit einer Bewunderung für die Erfolge der Deutschen Wehrmacht. Für diese Haltung war die massive antikommunistische Einstellung des Vaterlands entscheidend mitverantwortlich. Beim Vaterland wurden bezüglich der Darstellung des Sachverhaltes zwar hochstehende Informationen vermittelt, die Berichterstattung war aber andererseits aus ideologischen Gründen äusserst emotionsgeladen. Dies wurde mit teilweise sehr symbolischen Vergleichen aus der militärhistorischen Vergangenheit unterstrichen. Durch die Würdigung der Darstellung der drei Deutschschweizer Tageszeitungen im beobachteten Zeitraum entstand ein Spiegelbild der Situation der Schweiz jener Jahre. Zwar war die Schweiz nicht aktiver Kriegsteilnehmer, wurde aber durch die kriegswirtschaftliche Situation direkt am Krieg mitbeteiligt. Und doch konnte der ideologische Gegensatz im Grossmächteringen an der Ostfront via Tageszeitungen und deren Leitartikel in der Insel Schweiz relativ unbehelligt ausgetragen werden. Die Bedeutung der Wende von Stalingrad und die Auswirkungen auf den weiteren Kriegsverlauf wurden in der Schweiz bei den drei untersuchten Zeitungen frühzeitig erkannt. Diese Einsicht führte dazu, dass das prodeutsche Vaterland von seiner antisowjetischen Haltung allmählich abwich und somit die Kriegswende auch in seinen Artikeln zum Ausdruck kam.

Accesso al lavoro

Biblioteca

I lavori accademici sono depositati nella biblioteca dell'università competente. Cerca l'opera nel catalogo collettivo delle biblioteche svizzere