Auswirkungen der "Sunrise"-Waffenstillstandsverhandlungen: Aspekte des Übergangs vom Zweiten Weltkrieg in den Kalten Krieg

Cognome dell'autore
Stefan
Costa
Tipo di ricerca
Tesi di laurea
Stato
abgeschlossen/terminé
Cognome del docente
Prof.
Stig
Förster
Istituzione
Historisches Institut
Luogo
Bern
Anno
1997/1998
Abstract

„Sunrise", so lautete der amerikanische Codename für die Verhandlungen über eine bedingungslose Kapitulation der deutschen Heeresgruppe C in Norditalien 1945. Die vorliegende Abhandlung stellt die Hauptfrage, ob - und wenn ja wie - die Auswirkungen dieser Friedensgespräche Aspekte des Übergangs vom Zweiten Weltkrieg in den Kalten Krieg darstellen. Dass die Briten intern die geheime Aktion, welche schlussendlich erst am 2. Mai 1945 zum vorzeitigen Waffenstillstand zwischen der deutschen Heeresgruppe C und den Westalliierten in Norditalien führte, nicht ebenfalls „Sunrise", sondern „Crossword" nannten, lässt vielleicht erahnen, wie kompliziert und vor allem wie vielschichtig sich diese Verhandlungen und dann in erster Linie deren Auswirkungen entwickelten.

 

Die Angelegenheit, die sechs Tage vor der allgemeinen Kapitulation Deutschlands zur Waffenruhe in Oberitalien führte, erscheint vorab deshalb untersuchungswürdig, weil sich an der theoretisch einzig militärisch relevanten, letztendlich jedoch stark politisch ausgestalteten Waffenniederlegung einer einzelnen, isolierten Armee der Weg hin zum Kalten Krieg vordergründig beinahe exemplarisch aufzeigen lässt. Um es aber gleich vorweg zu nehmen: Es ist zu radikal ausgedrückt, zu sagen, die separate Kapitulation deutscher Wehrmachtsverbände nur vor den Angloamerikanern - und nicht vor allen Alliierten - in Italien wäre wesentlich für die Entstehung des Kalten Krieges verantwortlich gewesen. Aber zweifelsohne haben die Unterhandlungen dazu beigetragen, den Ton der Ost-West-Animositäten nachhaltig zu akzentuieren.

 

Neben der ausländischen tritt eine für die Schweiz erhebliche inländische Komponente hinzu: Der Schweizer Nachrichtendienstoffizier Major Max Waibel sowie der auf dem Zugerberg domizilierte Pädagoge und Mathematiker Max Husmann nahmen bei den Bemühungen um eine vorzeitige Waffenstreckung der Deutschen in Italien eine tragende Rolle ein. Deshalb und auch vor dem Hintergrund der momentanen Diskussion um Position und Rolle der Eidgenossenschaft im zweiten Weltkrieg und der daran unmittelbar anschliessenden Zeit, erscheinen Mediationstätigkeiten einzelner Staatsangehöriger sowie die nachfolgende Bewältigung dieser Angelegenheit durch die offizielle Schweiz in einem besonderen Licht. Diffizil wirkt die Thematik, weil es gelingen muss, verschiedenste Ebenen und unterschiedlichste Beweggründe der Handelnden unter einem Dach, unter einer Fragestellung zu vereinen.

 

Unterschiedlichste Ebenen darum, weil „Sunrise" und deren Auswirkungen globale, regionale, bilaterate und - hier am Beispiel der Schweiz betrachtet - landesinterne Folgen zeitigte. Globale Aspekte streift beispielsweise die Frage nach dem Verhältnis zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion, regionale Auseinandersetzungen entbrennen um die Einflusszonen in Europa - hier bildet sicherlich die mit der "Sunrise"-Angelegenheit verbandelte "Triest-Frage" einen Schwerpunkt - oder bilaterale Beziehungen, wie diejenigen zwischen Grossbritannien und den USA, welche durch unterschiedliche strategische Absichten gespannt werden, treten in den Vordergrund. Die letzte, aber aufgrund des vorliegenden, bisher uninterpretierten Quellenmaterials vielleicht interessanteste Stufe bilden dann abschliessend die landesinteren Angelegenheiten: Die Einschätzung der Vermittlertätigkeit des Duos Waibel/Husmann durch die diversen Involvierten auf nationaler Ebene erweist sich als äusserst differenziert und komplex.

 

Die Arbeit beginnt mit einem Überblick über die damalige militärische Lage in Europa und speziell in Norditalien. Der Abschnitt über das eigentliche Zustandekommen der bedingungslosen Kapitulation der Heeresgruppe C - immerhin ein rund 800 000 Personen umfassender Verband - wirft einen Blick auf das wochenlange Ringen zwischen dem amerikanischen Geheimdienst OSS, der die Westalliierten vertrat, den Schweizer Unterhändlern sowie den Vertretern der SS und der für die Kapitulation letztendlich einzig relevanten Wehrmacht. Für die nationale Ebene von besonderer Bedeutung sind die Berichte an das Armeekommando des Chefs des Schweizerischen militärischen Nachrichtendienstes ND, Brigadier Roger Masson. Wie detailliert informierte der an den Verhandlungen intensiv beteiligte Waibel seinen direkten Vorgesetzten Masson? Warum erfuhren Armeekommando und Bundesrat von der eigentlichen, diplomatischen Vermittlerrolle Waibels erst im Juni 1946? Wo blieben die diesbezüglichen Informationen stecken oder anders gefragt, wer schützte hier wen vor zu kompromittierendem Wissen? Waibel Masson? Oder Waibel und Masson das Armeekommando und damit indirekt den Bundesrat, bzw. die offizielle, neutrale Schweiz?

 

Ein weiterer nationaler Schwerpunkt findet sich im Kapitel über die Behandlung des eigentlichen "Fall Waibel" durch die offiziellen Behörden 1946. Warum ergaben sich so auseinanderklaffende Ansichten zwischen dem für die Aussenpolitik zuständigen Eidgenössischen Politischen Departement EPD und dem Eidgenössischen Militärdepartement EMD und wer waren überhaupt die Akteure, die die Tätig­ keiten Waibels und Husmanns so kontrovers werteten, dass Waibel im Oktober 1946 offiziell noch dermassen gemassregelt, mit einem zeitlich unbeschränkten Publikationsverbot belegt und sein Dossier letztendlich erst 1981 freigegeben wurde?

 

Weiter wird aber auch auf Fragen zu regionalen und globalen Auswirkungen der „Sunrise"­ Angelegenheit eingegangen. Wie wirkte sie sich auf das Verhältnis zwischen der Sowjetunion und den Westalliierten aus? Vermag die Aktion innerwestalliierte strategische Differenzen im Mittelmeerraum aufzuzeigen, gar zu erklären? Wie sind die Waffenstillstandsvermittlung und die sogenannte "Triest­ Frage" miteinander verbunden? War Sunrise wirklich der eigentliche Beginn des Kalten Krieges, wie dies einige revisionistische Autoren behaupten oder stützt sie mit der Preisgabe Triests durch die UdSSR die traditionalistische Argumentation des "containment''?

 

So kann der Leser selber entscheiden, ob dieses einzelne Geschehnis - der eigentlich in sich geschlossene Vorgang der Waffenstreckung einer deutschen Heereseinheit - zu einem prägenden Faktor seiner und der nachfolgenden Zeit wird oder nicht: Stellt „Sunrise" nun einen die Entwicklung generell katalysierenden Vorgang oder schlicht nur einen ganz kleinen und letztlich unbedeutenden Mosaikstein auf dem Weg einer schon vorgezeichneten allgemeinen Entwicklung dar?

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