Empire and Totaler Krieg: Australien 1905-1916

Cognome dell'autore
Daniel Marc
Segesser
Tipo di ricerca
Dottorato
Stato
abgeschlossen/terminé
Cognome del docente
Prof.
Stig
Förster
Istituzione
Historisches Institut
Luogo
Bern
Anno
1997/1998
Abstract

Der Erste Weltkrieg war ein wichtiger, wenn nicht der wichtigste Einschnitt in der Geschichte des Krieges seit der Einführung der levee en masse von 1793-95. Obwohl sich viele Entwicklungen bereits im 19. Jahrhundert angedeutet hatten, erreichten sie in den Jahren 1914-18 ein Ausmass und eine Intensität, die alles bisher Dagewesene weit übertraf, und z:war nicht nur militärisch, sondern ebenso sehr politisch, gesellschaftlich und wirtschaftlich. Die geographische Ausweitung übertraf mit Ausnahme der napoleonischen Kriege ebenfalls diejenige aller bisherigen Kriege. Viele Historiker haben deswegen den Ersten Weltkrieg als totalen, ja als den ersten totalen Krieg der Weltgeschichte bezeichnet. Die industrielle Revolution hatte mit der Eisenbahn, dem Dampfschiff, der Telegraphie und vielen anderen technologischen Erfindungen nicht nur die zivile Gesellschaft und deren Volkswirtschaft massiv verändert, sie hatte auch eine neue Art der Kriegführung ermöglicht, die zum ersten Mal im Amerikanischen Bürgerkrieg massive Rückwirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft gehabt hatte. War der Krieg in den Revolutionskriegen und den Feldzügen Napoleons zu einer Sache des Volkes geworden und hatte zumindest alle Männer betroffen, so hatte die industrielle Revolution im 19. Jahrhundert die Einbeziehung ganzer wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Systeme in den Krieg mit sich gebracht. Die seit dem 18. Jahrhundert rapid zunehmende wirtschaftliche Verflechtung der ganzen Welt führte zudem dazu, dass auch Gebiete, die eigentlich weit weg vom Ort der Kriegshandlungen lagen, von deren Auswirkungen dennoch unmittelbar betroffen waren.

 

In diesem Umfeld befasst sich meine Dissertation mit der Entwicklung in Australien, einem Land, das erst 1901 als Zusammenschluss von sechs britischen Kolonien entstanden war und immer noch intgraler Bestandteil des britischen Empires war. Im Gegensatz zum grössten Teil des Empires verfügte das Land wie Kanada, Südafrika oder Neuseeland über einen hohen Grad an Autonomie, die neben einem eigenen Parlament und eigener Steuer- und Zollhoheit sogar die Kontrolle über eigenständige Land- und Seestreitkräfte umfasste. Einzig im Bereich der Aussenpolitik und im Hinblick auf militärische Operationen ausserhalb der eigenen Hoheitsgewässer war Australien noch vom Mutterland Grossbritannien abhängig. Selbst dies begann sich angesichts der Tatsache, dass sich die britische Regierung nicht mehr in der Lage sah, die Verteidigung ihres Empires ohne fremde Hilfe zu garantieren, in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg zu wandeln, und australische Politiker und Militärs sahen sich vor die Frage gestellt, wie sie auf diese Herausforderungen reagieren sollten.

 

Im Zentrum meiner Arbeit stand deshalb die Auseinandersetzung mit der australischen Sicherheitspolitik in den Jahren vor und während der ersten beiden Jahre des Ersten Weltkrieges. Dies war natürlich nicht losgelöst von der innenpolitischen und wirtschaftlichen Entwicklung sowie den Beziehungen zum Mutterland und der internationalen Lage möglich. Es ging dabei einerseits darum herauszufinden, inwiefern die beschriebene Weiterentwicklung des Kriegswesens hin bis zu einer bisher nicht erreichten Totalität auf das Land Einfluss nahm, respektive wie stark die australischen Behörden in diesem Prozess selber aktiv wurden. Andererseits sollte versucht werden festzustellen, wie Australien auf den immer stärker zu Tage tretenden neuen Charakter des Krieges reagierte und inwiefern der Begriff „Totaler Krieg" in Australien eine Anwendung erfahren kann, respektive inwiefern Elemente der Totalisierung des Krieges auch an der Peripherie des britischen Empires ihre Wirkung zu entfalten vermochten.

 

Die Arbeit ist chronologisch gegliedert und beschäftigt sich in zwei Teilen mit der australischen innen- und sicherheitspolitischen Diskussion, der wirtschaftlichen Entwicklung sowie den Beziehungen zum Mutterland und zum Empire allgemein. Darin wird aufgezeigt, wie in Australien nach der Gründung des Bundesstaates der Wille immer stärker wurde, nicht nur innen- und wirtschaftspolitisch aktiv zu werden, sondern auch auf der internationalen Ebene, die für das stark von seinen Exportprodukten Wolle, Weizen, Fleisch, Butter und Erze abhängige Land von grosser Bedeutung war, aktiv zu werden. Den verantwortlichen Stellen in Australien war in diesem Zusammenhang klar, dass das Land auch auf militärischer Ebene einen Beitrag werde leisten müssen. Nach langen und schwierigen Verhandlungen mit den britischen Behörden gelang es schliesslich, Lösungen für die Land- und Seestreitkräfte zu finden, die sowohl für Australien als auch für Grossbritannien und das Empire befriedigend waren und vorsahen, dass die australischen Streitkräfte in erster Linie zur eigenen Landesverteidigung eingesetzt werden sollten, dass aber unter bestimmten Umständen auch ein Einsatz zur Wahrung der Interessendes Empires möglich sein sollte. Sowohl in den Verhandlungen über die Land- als auch über die Seestreitkräfte machten die australischen Politiker immer wieder klar, dass sie nicht gewillt waren, die Kontrolle über ihre militärischen Anstrengungen an britische Behörden zu delegieren und dass der letzte Entscheid immer der ihrige bleiben werde.

 

Als 1914 der Erste Weltkrieg begann, zögerte die australische Regierung keinen Moment, der britischen Regierung Truppen für den Landkrieg als auch die Kriegsschiffe der Royal Australian Navy zur Verfügung zu stellen. Der britische Generalstabschef Nicholson hatte mit einer Aussage von 1908 recht behalten, dass es nicht notwendig sei, die Dominions (weisse Siedlungskolonien) schriftlich zu verpflichten, sich an einem Krieg zur Wahrung der Interessen des Empires zu beteiligen, da die kulturelle Affinität zum Mutterland dazu führen werde, dass sie dies aus eigenem Antrieb tun würden, was sich wiederum positiv auf das Ausmass ihrer Anstrengungen auswirken werde. Die Entwicklung in Australien in den ersten beiden Jahren des Krieges sollte Nicholsons Aussage auch in diesem letzten Punkt bestätigen. Die Regierungen der beiden Premierminister Andrew Fisher und William Morris Hughes bemühten sich nach Kräften, die australischen Kriegsanstrengungen zu intensivieren. Sie beschränkten sich dabei keineswegs nur auf die Rekrutierung von Soldaten, die im Nahen Osten und in Frankreich zum Einsatz kamen, sondern richteten ihr Augenmerk auch auf die Wirtschaft und die Gesellschaft. Besonders die Massnahmen von William Morris Hughes zur Unterbindung feindlicher Wirtschaftsaktivitäten, gegen Bürger aus Feindstaaten 1, im Bereich des Sports und sonstiger Freizeitbeschäftigungen und gegen alle Personen, die er verdächtigte, die australischen Kriegsanstrengungen zu untergraben, kamen dem Bild des totalen Krieges recht nahe. Dies brachte Hughes allerdings sowohl zu Hause als auch in Grossbritannien, wo er sich zeitweise als oberster Stratege des Empires aufspielte, nicht nur Freunde ein. Er vermochte sich damit aber nicht wirklich durchzusetzen und musste nach der Niederlage im Wehrpflichtreferendum von 1916 die Unterstützung seiner früheren politischen Gegner in Anspruch nehmen, um sich die politische Macht zu erhalten.

 

Im Gegensatz zu Grossbritannien, wo die Regierung Asquith bis 1916 an einer Politik festhielt, die die britische Volkswirtschaft und Gesellschaft möglichst von den negativen Auswirkungen des Kriegesabzuschotten suchte, war in Australien demnach eine Tendenz zu einer möglichst vollständigen Mobilisierung von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft für den Krieg zu beobachten. Dennoch führte Aus tralien während des Ersten Weltkrieges keinen totalen Krieg. Selbst wenn man berücksichtigt, dass der Begriff Totaler Krieg je nach Staat, Region, Menschen und Zeit unterschiedlich angewendet wer den kann, können nur gewisse Elemente von totalem Krieg wie die mit grosser Akribie betriebene Internierung von Staatsbürgern aus Feindstaaten, die starke Zentralisierung der volkswirtschaftlichen Entscheidungsebenen mit dem Ziel einer möglichst effizienten wirtschaftlichen Mobilisierung oder der Versuch zur verschärften Kontrolle gesellschaftlicher Normen durch den Staat in Australien nachgewiesen werden. Das Land war jedoch nicht direkt vom Krieg betroffen und erlitt auch keine Kriegsschäden, wenn wir von den hohen Verlusten an Menschenleben absehen. Der australischen Regierung gelang es auch nicht, die Aufhebung der bestehenden Beschränkung der allgemeinen Wehrpflicht auf den australischen Kontinent durchzusetzen, so dass eine vollständige Mobilisierung des militärischen Potentials des Landes unterblieb. Auf die Kriegführung an den entscheidenden Punkten nahmen die australischen Behörden ebenfalls kaum Einfluss. Was sich hingegen feststellen lässt, ist, dass im Ersten Weltkrieg nicht nur militärische Einheiten aus Australien, den übrigen Dminions und sogar dem nicht-weissen Empire an der Front kämpften, sondern dass auch die Wirtschaft und Gesellschaft in diesen Ländern für den Krieg mobilisiert wurden. In Abwandlung eines Zitates von Clausewitz könnte man sagen, dass 1914 der Krieg eine Sache des Volkes geworden sei, und zwar eines Volkes, das das gesamte weisse britische Empire umfasste. Der Erste Weltkrieg war demnach der erste globale Volkskrieg der Geschichte.

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