Die Weltjugendfestspiele als Ort politischer Auseinandersetzung

Cognome dell'autore
Gregory
Brown
Tipo di ricerca
Tesi di master
Stato
abgeschlossen/terminé
Cognome del docente
Prof.
Christian
Gerlach
Istituzione
Historisches Institut
Luogo
Bern
Anno
2010/2011
Abstract


Bei den Weltjugendfestspielen handelt es sich um kurz nach dem zweiten Weltkrieg ins Leben gerufene internationale Jugendtreffen. In regelmässigen Abständen trafen sich tausende Jugendliche aus der ganzen Welt, um gemeinsam zu diskutieren, Sport zu treiben und zu feiern. Verbunden waren die Teilnehmer durch das Bekenntnis, für Frieden, internationale Solidarität und Freundschaft zu kämpfen. Die mehrheitlich in Osteuropa stattfindenden Veranstaltungen gerieten bald in den Verruf, kommunistische Propagandaveranstaltungen zu sein, mit dem Ziel, die Jugendlichen zu manipulieren und für die aussenpolitischen Ziele der UdSSR einzuspannen. Organisiert wurden die Festivals vom Weltbund der Demokratischen Jugend (WBDJ), einer Frontorganisation der UdSSR. Die mehrheitlich kommunistischen Schweizer Teilnehmer an den Weltfestspielen waren in ihrem Heimatland im kalten Krieg massiven Repressionen ausgesetzt. Sie wurden als Landesverräter gesehen und mussten nicht selten mit dem Verlust ihrer Arbeitsstelle oder ihres Studienplatzes rechnen. Bei der Bevölkerung der Ostblockstaaten waren die Festivals mit ihren tausenden ausländischen Gästen beliebt. Sie boten der Bevölkerung die Gelegenheit den tristen Alltag zu vergessen. Vieles, was zuvor verboten war, wurde während der Festivals erlaubt. Ein Hauch Offenheit und Liberalität wehte durch den Ostblock.

In der Forschung werden die Weltfestspiele kaum beachtet. Im deutschsprachigen Raum erschienen lediglich zu den beiden Festivals in Ost-Berlin 1951 und 1973 sporadische Veröffentlichungen. Am aktuellsten ist die Monografie „Stalin-Kult und Rotes Woodstock“ von Andreas Ruhl. Ruhl kam zum Schluss, dass die am X. Festival 1973 in Ostberlin inszenierte Offenheit nur Schein war. Seiner Ansicht nach waren die Ergebnisse der Diskussionen schon im Vorfeld bestimmt. Es sei darauf geachtet worden, dass die Kommunisten immer eine Mehrheit hatten. Zudem wurden im Vorfeld der Spiele zehntausende potentielle Störenfriede verhaftet. Andere Forscher weisen darauf hin, dass die Spiele vor allem ein propagandistisches Forum für die global-strategischen Interessen der Sowjetunion gewesen seien. Die jugendlichen Teilnehmer seien für ihren Symbolwert missbraucht worden.

In dieser Arbeit wurde versucht, die Weltfestspiele aus Schweizer Sicht zu beleuchten. Dafür wurden mehrere Interviews geführt sowie schriftliche Fragebogen verschickt. Ebenfalls als Quelle dienten Akten des Kommunistischen Jugendverbands der Schweiz (KJV), Fichen der Bundespolizei über Teilnehmer der Festivals und diverse Zeitungsberichte. Inhaltlich fokussiert die Arbeit auf politische Aspekte. Die Arbeit beginnt mit einem historischen Rückblick über die Entstehung des WBDJ und über die einzelnen Festivals. Anschliessend werden die kulturellen Aktivitäten der Schweizer Teilnehmer beleuchtet. Der Hauptteil widmet sich politischen Aspekten. Es wurde untersucht, ob sich die ausländischen Teilnehmer an den Weltfestspielen frei bewegen und sprechen konnten und ob es möglich war Kritik an den kommunistischen Gastgeberländern zu üben. Eine besondere Aufmerksamkeit wurde der Frage geschenkt, wie die dem Frieden verpflichteten Teilnehmer auf Ereignisse wie die sowjetischen Einmärsche in Ungarn oder der CSSR reagierten. Zudem wurde untersucht, ob sich die Teilnehmer, wie von der Literatur postuliert, zu Propagandazwecken missbraucht fühlten. Die Ergebnisse der Interviews zeigen, dass die Bewegungsfreiheit der westlichen Teilnehmer wesentlich grösser war als angenommen. Private und unüberwachte Begegnungen mit der Bevölkerung waren problemlos möglich. Mehrere Teilnehmer wiesen darauf hin, dass auch KGB und Stasi nicht über die Kapazitäten verfügten Veranstaltungen dieser Grössenordnung komplett zu überwachen. Die Fragen nach politischen Konflikten stiessen bei den Interviewpartnern auf wenig Verständnis. Sie waren nicht an die Festivals gereist, um die Politik der kommunistischen Staaten zu kritisieren, sondern um sich mit Gleichdenkenden für den Frieden einzusetzen oder gegen die Ausbeutung der Länder der Dritten Welt. Sie fühlten sich in diesen Ländern von der Bevölkerung wärmstens empfangen und hatten keineswegs den Eindruck zu Propagandazwecken ausgenutzt zu werden. Allerdings waren die Interviewpartner wie die Mehrheit der westlichen Teilnehmer kommunistisch gesinnt. Nicht-kommunistische Teilnehmer wurden hingegen oft benachteiligt, z.B. indem ihnen der Zutritt zu politischen Veranstaltungen verwehrt wurde oder sie am Verteilen von kritischen Flugblättern gehindert wurden. In den politischen Seminaren wurden vor allem Stellungnahmen heruntergelesen. Eine richtige Diskussion kam nicht auf. Kritische Voten wurden ignoriert.

Die Erkenntnisse dieser Arbeit revidieren das allgemeine Bild der Weltfestspiele in einigen Punkten. Allerdings sind die Ergebnisse mit Vorsicht zu betrachten, da es sich bei den befragten Teilnehmern um aktive oder ehemalige Kommunisten handelt, die ein ausgesprochen positives Bild der Weltfestspiele haben.

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