Die Kohlenzentrale A.G. im Ersten Weltkrieg

Cognome dell'autore
Moritz
Dirscherl
Tipo di ricerca
Tesi di master
Stato
abgeschlossen/terminé
Cognome del docente
PD Dr. phil
Daniel Marc
Segesser
Istituzione
Historisches Institut
Luogo
Bern
Anno
2017/2018
Abstract
Noch vor 100 Jahren war der wichtigste fossile Brennstoff der Schweiz nicht Erdöl oder Gas, sondern Kohle. Über 90% der Kohle kam aus Deutschland in die Schweiz. Diese Abhängigkeit führte während des Ersten Weltkrieges zu Problemen, die sogar die Schweizer Neutralität bedrohten, denn das Deutsche Reich versuchte zu verhindern, dass mit deutscher Kohle Waffen für die Entente produziert wurden. Die Kohle war das Faustpfand, mit welchem das Deutsche Reich seine Interessen gegenüber der Schweiz durchsetzen konnte, indem es Kohlelieferungen aussetzte oder einen Ausfuhrstopp androhte. Um die Kohlelieferungen aus Deutschland sicherzustellen, wurde 1915 im Zusammenspiel zwischen Schweizer Politik, Grosshandel und Industrie ein Kartell als Zentralstelle gegründet: Die Zentralstelle für die Kohlenversorgung der Schweiz. Zuerst war die Kohlenzentrale nur dafür verantwortlich, die Verwendung der Kohle zu kontrollieren, im Verlauf des Krieges wurden ihr aber immer mehr Kompetenzen zugesprochen, auch die Verteilung der Kohlen im Inland betreffend. Die Masterarbeit Die Kohlenzentrale A.G. im Ersten Weltkrieg stellt die Frage, ob die Kohlenzentrale als Kartell geeignet war, um diese Aufgaben zu übernehmen. Hierzu wird auf theoretischer Basis der älteren Kartelltheorie und anhand von Geschäftsberichten und internen Dokumenten der Kohlenzentrale das unternehmensgeschichtliche Bild einer sich mehrfach verändernden Organisation gezeichnet. Die Kohlenzentrale war von Anfang an geprägt von Halbstaatlichkeit und informellen Strukturen. 1917 wurde die Kohlenzentrale in eine A.G. umgewandelt, nachdem sie vom Bund legitimiert worden war. Der Bund verpasste es bei dieser Gelegenheit, die Kohlenzentrale demokratischer abzustützen. Die Taktgeber in Vorstand und Leitung des Kartells blieben Vertreter von Grosshandel und Industrie, welche ihre eigenen Interessen an die erste Stelle setzten. Beispielhaft für die Führung der Kohlenzentrale werden die Kohlenhändler Jean Joerin und Nationalrat Johann Daniel Hirter sowie der Jurist Paul Scherrer in der Arbeit vorgestellt. Diese drei nahmen hohe Ämter bei der Führung der Zentrale ein und waren sowohl untereinander als auch in die höchsten Kreise von Wirtschaft, Politik und den Bundesbahnen vernetzt. Als die Kohlelieferungen aus Deutschland in den Kriegsjahren 1917 – 1918 immer stärker an Qualität und Umfang verloren, kam es in der Schweiz zur Energiekrise. Die Kohle musste stark rationiert werden. In der Arbeit wird auf mehreren Ebenen gezeigt, welche Auswirkungen die Energiekrise auf verschiedene Interessensgruppen der Schweizer Bevölkerung hatte und wie die Kohlenzentrale damit umging. Welche Konflikte entbrannten über die Kohle und wie bewältigten die verschiedenen Gruppen die Energiekrise? Hierzu werden, mit Amartya Sens Entitlement Ansatz und dem Konzept der Verletzlichkeit, Theorien aus der Hungerkrisenforschung auf die Situation der Energiekrise übertragen. Es zeigt sich dabei, dass die Grossindustrie der grosse Gewinner der Energiekrise war. 1918, im schlimmsten Jahr der Energiekrise, musste sie ihre Kohlebezüge nur um 11% einschränken, während alle anderen Verbrauchergruppen Einschränkungen zwischen 41% – 60% hinnehmen mussten. Die Akten der Brennmaterialzentrale Basel- Stadt zeigen, dass auf sozialer Ebene das zur Verfügung stehende Kapital den Ausschlag gab, ob auch zu Krisenzeiten der Zugang zu Kohle gewährt bleiben konnte. Während die ärmeren Bevölkerungsteile Basels sich bereits mit Notrationen und Bezugsmarken durch die Krise kämpften, wuchsen die Kohlelager bei der Oberschicht, teilweise selbst während der Krisenwinter, weit über das Erlaubte hinaus. Grundsätzlich war die von Handel und Industrie dominierte Kohlenzentrale darin erfolgreich, den Import deutscher Kohle während des Krieges aufrechtzuerhalten, versagte aber bei der Aufgabe, die Kohle zweckmässig und gerecht in der Schweizer Bevölkerung zu verteilen. Als Produkt einer Ära des politisch fast schon allmächtigen Freisinns, setzte sie die Interessen von Wirtschaft und Handel vor die Interessen der Gesamtbevölkerung.

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