Tipo di ricerca
Dottorato
Stato
abgeschlossen/terminé
Cognome del docente
Prof.
Frithjof Benjamin
Schenk
Istituzione
Departement Geschichte
Luogo
Basel
Anno
2015/2016
Abstract
In meiner Dissertation befasse ich mich mit dem Gedenken an den «Grossen Vaterländischen Krieg» während der Brežnev-Ära (1964-1982). Die Grundthese lautet, dass das Kriegsgedenken als verbindendendes Element einer Gesellschaft diente, die von wachsenden generationellen und regionalen Unterschieden infolge von Urbanisierung sowie steigendem Bildungs- und Wohlstandsniveau geprägt war. Dabei hielt die Bevölkerung das Andenken an den Krieg auf der persönlichen und familiären Ebene hoch, während Staat und Partei es gleichzeitig für die Betonung von offiziellen Werten wie Patriotismus, Opferbereitschaft und Arbeitswille instrumentalisierten. Wichtigste Zielgruppe des staatlich orchestrierten Gedenkens war die Nachkriegsgeneration.
Diese Verknüpfung von kollektiver Bedeutung und staatlicher Ideologisierung des Kriegsgedenkens äusserte sich paradigmatisch in den 13 sogenannten «Heldenstädten». In Anerkennung ihres Widerstandswillens und ihrer Leistungen im Krieg wurden ihnen die höchsten staatlichen Auszeichnungen verliehen. Sie standen deshalb im Zentrum des offiziellen Gedenkens. Heldenstädte wurden an Feiertagen, in populärhistorischen Werken, auf Postkarten und im Rahmen von touristischen Angeboten unionsweit zelebriert. Den Bewohnern versprach die Aufnahme in den «Klub» der Heldenstädte einen symbolisch und ökonomisch privilegierten Status und ein attraktives Identitätsangebot. Gleichzeitig verband der Staat die Ehrung mit der moralischen Verpflichtung, dass sich die Heldenstadtbewohner durch harte Arbeit und vorbildliches Benehmen der Ehre als «würdig» erwiesen. Das Kriegsgedenken spielte daher im Alltagsleben und den sozialen Praktiken der Heldenstädte eine wichtige Rolle.
Ausgehend von der symbolischen Bedeutung der Heldenstädte befasse ich mich in meiner Dissertation mit Formen, Spielräumen und Grenzen des von der Brežnev’schen Gedenkkultur vermittelten, alltäglich gelebten Sowjetpatriotismus der Nachkriegsgeneration. Dabei stellt sich die Frage, ob die standardisierten Gedenkpraktiken die Herausbildung eines auf ihnen beruhenden spezifischen Identitätsentwurfs begründeten. Gleichzeitig sollen Brüche und Ambivalenzen in der Rezeption des offiziellen Heldenstadt-Diskurses analysiert werden. Nur so erschliesst sich die Rolle staatlich orchestrierten Gedenkens in der Schaffung von gesellschaftlichem Konsens auch aus der Perspektive der Unterdrückung von Alternativdiskursen in einem autoritären politischen System.
Bei meiner Untersuchung gehe ich in zwei Schritten vor: Erstens werden die diskursive Bedeutung und kulturelle Topographie – primär Gedenkstätten an den Krieg – der Heldenstädte untersucht. Anhand von zwei Fallstudien, Tula und Novorossijsk, wird zweitens der Einfluss des Heldenstadt-Status auf die lokale Identität der Bewohner und das Stadtbild rekonstruiert. Bewusst wurden zwei Städte gewählt, die sich hinsichtlich ihrer gesamtsowjetischen Prominenz und der lokalen Bedeutung des Heldenstadt-Diskurses unterscheiden.
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External ID
60399