Das Absinthverbot in der schweizerischen alkoholischen Gesetzgebung. Warum ausgerechnet Absinth?

Cognome dell'autore
Corinne
Ammann
Tipo di ricerca
Tesi di laurea
Stato
abgeschlossen/terminé
Cognome del docente
Prof.
Christoph Maria
Merki
Istituzione
Historisches Institut
Luogo
Bern
Anno
2009/2010
Abstract


Die Arbeit beschreibt im ersten Teil, wie die Industrialisierung die Gesellschaft verändert hat und wie diese Veränderungen einen Einfluss auf die explizite Wahrnehmung der AlkoholismusProblematik haben. Danach wird auf die Antialkoholbewegung in der Schweiz eingegangen. Auf den wachsenden Druck aus der Bevölkerung sah sich die schweizerische Regierung zu einer Reaktion gezwungen: 1886 hat die Bundesversammlung das Eidgenössische Alkoholgesetz verabschiedet. Es vereinte gesundheitspolitische, fiskalische und landwirtschaftliche Interessen. Auffällig ist, dass das Alkoholgesetz die Alkoholfrage klar als „Branntweinfrage“ deklarierte, Wein und Bier hingegen wurden von der staatlichen Intervention ausgeklammert. Sowohl das volksgesundheitliche als auch das fiskalische Ziel des Gesetzes wurden erreicht – der pro Kopf Konsum von Branntwein ging zurück, derjenige von (als weniger schädlich empfundenen) gegorenen Getränke stieg an. Die konsumierte Menge absoluten Alkohols blieb interessanterweise unverändert.

In der Arbeit wird auf eine 1883 im Auftrag des Departements des Inneren erstellte „vergleichende Darstellung der Gesetze und Erfahrungen einiger ausländischer Staaten“ eingegangen. Die Autorin stellt für ausgewählte Länder eine aus Konsum, Ursachen und Folgen des Konsums sowie Massnahmen gegen den Alkoholismus bestehende Übersicht zusammen.

Nach dieser allgemeinen Einführung lenkt die Autorin den Fokus auf die Leitfrage. Sie setzt sich hierfür mit der aus der Soziologie stammenden Theorie von Spector und Kitsuse „Constructing Social Problems“ auseinander und überträgt sie auf ihre Arbeit. Die Kernaussage liegt in der Feststellung, dass hinter jeder Formulierung einer Forderung und jeder Unterstützung einer Beschwerde Werte stehen, die es zu verteidigen gilt. Diese Werte geben nicht nur wieder, was falsch ist, sondern ebenfalls, warum etwas falsch ist.

Es folgt eine kurze Einleitung in Produktion, Wirkung, Wirkstoffe, Verbreitung und Konsum von Absinth. In der Schweiz wurde das Getränk fast ausschliesslich in den französischsprachigen Kantonen konsumiert. Bis ins späte 19. Jahrhundert hinein waren Absinth und absinthhaltige Getränke Allerheilmittel. Dieses positive Bild veränderte sich, Absinth wurde als besonders schlimmes alkoholisches Getränk wahrgenommen.

Nun kamen die verschiedenen Akteure ins Spiel, auf drei Gruppen wird näher eingegangen: Das Blaue Kreuz, die Frauen und die Medizin. Sie traten nach dem als „Verbrechen von Commugny“ bekannten Ereignis in die Öffentlichkeit. Im April 1905 erschoss in Commugny ein Weinbergarbeiter im Alkoholund Absinthrausch seine schwangere Frau sowie seine beiden Töchter. Wieder nüchtern konnte er sich nicht an die Morde erinnern, er wurde verurteilt und erhängte sich in seiner Zelle. Was waren die Hintergründe? Der Täter war Alkoholiker, der nach eigenen Angaben täglich durchschnittlich fünf Liter Wein und zwei Gläser Absinth trank. Trotz diesen Kenntnissen wurde die Tat einzig und allein dem Absinth zugeschrieben. Ende 1905/06 reichten die Stimmbürger im Kanton Waadt/Genf eine Petition für ein kantonales Verkaufsverbot von Absinth ein. In beiden Kantonen wurde ein Verkaufsverbot eingeführt. Die kantonalen Verbote genügten den Alkoholgegnern nicht, sie lancierten ein eidgenössisches Initiativbegehren, welches Herstellung, Einfuhr, Verkauf und Aufbewahrung von Absinth auf dem gesamten Territorium der Eidgenossenschaft verbieten sollte. Dieses Vorgehen stand im Widerspruch zur Handelsund Gewerbefreiheit wie auch zu der in der Verfassung festgehaltenen persönlichen Freiheit der Bürger. Über diese wurde beim Absinthverbot jedoch die staatliche Rolle als Hüter der Volksgesundheit gewichtet. Die Meinungsmacher argumentierten mit medizinischen (Absinth = Gift), gesellschaftlichen (Absinth = Zerstörer des Familienglücks) und wirtschaftlichen (Absinth = Verarmungsursache Nummer eins) Begründungen. Eine Befragung der Kantonsregierungen ergab, dass das Absinthproblem in 21 Kantonen und sechs Halbkantonen nicht vorhanden war, dass zwei betroffene Kantone bereits ein Verkaufsverbot eingeführt hatten und sich nur die Kantone Freiburg und Wallis ein Verbot wünschten. Von den staatlichen Institutionen lehnte der Bundesrat das Begehren ab, Nationalund Ständerat stimmten der Initiative zu. Am 7. April 1908 wurde die Volksinitiative „für ein Absinthverbot“ mit 63.5% der Stimmen angenommen. Erwähnenswert ist, dass die von der Problematik betroffenen französischsprachigen Kantone das Gesetz verworfen haben.

Im Fazit beantwortet die Autorin die Anfangs gestellte Frage und vertritt den Standpunkt, dass die Gesetzgebung den Alkoholkonsum im Allgemeinen nicht konsequent bekämpft und am Absinth ein Exempel statuiert hat. Sie erläutert die Wichtigkeit von Werten und Moral und zeigt auf, wie es den Agitatoren gelang, mit ihrer Argumentation das Gewissen der Stimmbürger anzusprechen: der Wunsch nach moralisch korrektem Handeln hat zum Absinthverbot geführt.

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