„Nume nid gsprägt, aber gäng hü ...“ oder „Gleichberechtigung, nicht Gleichschaltung“ waren Sinnsprüche Berner Frauenrechtlerinnen, die sich meist langjährig im Kampf um erweiterte politische Frauenrechte engagierten und im Zentrum dieser Lizentiatsarbeit stehen.
Vornehmliche Untersuchungsziele bilden soziale und politische Hintergründe, sowie Argumentarien von AktivistInnen zugunsten ihrer Forderung zwischen 1908 und 1971. Ein zusätzlicher Schwerpunkt ist die Herausarbeitung bernischer Spezifika, die sich etwa durch die Zweisprachigkeit oder die Heterogenität des Kantons ergaben. Ebenso wird anhand bisher unberücksichtigter Quellenbestände eine Erweiterung der bereits bekannten Ereignisgeschichte erreicht. Bisherige Forschungsarbeiten fokussierten ausschliesslich und wenig analytisch die Tätigkeiten des stadtbernischen Vereins, gegründet 1908, sowie des kantonalen deutschsprachigen Aktionskomitees, Gründung 1947. Jedoch existierten diverse weitere Stimmrechts-Organisationen – etwa in Biel, Thun, Neuveville oder Delémont – welche die Forderung nach dem Frauenstimmrecht unterstützen. Diese lokalen Vereine wurden mit dem Jahr 1947 durch die Gründung eines kantonalen „Aktionskomitees für die Mitarbeit in der Gemeinde“ ergänzt. Ein ebensolches kann für den jurassischen Kantonsteil seit den 1950er Jahren nachgewiesen werden.
Die Lizentiatsarbeit ist chronologisch aufgebaut, zeitliche Schwerpunkte ergeben sich quellengeneriert, besonderes Gewicht wird auf die Zeiträume zwischen 1915 und 1918 sowie 1941 bis 19 1 gelegt. Soziale Hintergründe werden nach Stichdaten anhand der Methode der Kollektivbiographie verortet, während die Argumentationsmuster anhand der betriebswissenschaftlichen Theorie der Lernenden Organisation sowie hermeneutisch interpretiert werden. Bernische Spezifika werden ausschliesslich hermeneutisch herausgearbeitet. Sowohl die soziale Verankerung zentraler bernischer AktivistInnen als auch deren Argumentationsund Deutungsmuster weisen zeitimmanente Spezifika auf.
Während zu Beginn des Untersuchungszeitraumes vornehmlich ledige Aktivistinnen mittleren Alters mit grösstenteils gehobenem gesellschaftlichem Hintergrund und Umfeld den Berner Stimmrechtskampf prägten, verschob sich mit fortschreitender Zeit das Muster in Richtung mehrheitlich verheirateter, diversesten Berufen nachgehenden Aktivistinnen. Die Ergebnisse legen dar, dass Bernerinnen durchgehend im nationalen Dachverband der Stimmrechtlerinnen – dem Schweizerischen Verband für Frauenrechte – aktiv waren. Ebenso engagierten sich die meisten der Frauen in weiteren kantonalen, schweizerischen oder gar internationalen Organisationen.
Ein Novum in der schweizerischen Frauenstimmrechtsforschung stellt die Verortung von informellen Freundschaften unter den Stimmrechtlerinnen in dieser Lizentiatsarbeit dar. Es wird gezeigt, dass wegweisende Stimmrechtlerinnen des Kantons meist nicht nur organisatorisch, sondern auch freundschaftlich untereinander verbunden waren.
Die Argumentationen zugunsten vermehrter politischer Frauenrechte bewegten sich zu Anfang des Stimmrechtskampfes im Kanton Bern, um 1908, in einem egalitären Rahmen. Als egalitär werden solche Postulate verstanden, die im Einbezug der Frau eine Vervollständigung der Demokratie suchen, oder auch Argumente, die aufgrund der Besteuerung beider Geschlechter den politischen Einbezug der Frau forderten. Ab 1916 tauchten vermehrt Argumentationen auf, die dem dualistischen Bereich zuzuordnen sind. Dazu gehört eine Betrachtung der Frau als naturhaft vom Mann verschieden, was ihre Aufgabenbereiche sowie die Bereiche determinierte, die für ihre politische Mitarbeit als passend erachtet wurden. Die Aktivistinnen dieser Zeit explizierten, dass diese dualistische Argumentation gewählt wurde, da durch die egalitaristische kaum MitstreiterInnen für die Bewegung gewonnen werden konnten.
Nach einer Stagnation der bernischen Stimmrechtsbewegung in den 1920er und 1930er Jahren brandete die Berner Diskussion um das Frauenstimmrecht mit den 1940er Jahren wieder auf. Der Grundkanon der Argumentation war vornehmlich dualistisch, was etwa eine Betrachtung der Gemeinde als erweiterte Familie implizierte, frauliche Aufgaben, etwa fürsorgerischer Art, wurden auf einen Gemeindehaushalt transferiert. Auch später wurden nach wie vor dualistische Argumentarien verwendet, jedoch nicht mehr in dem Ausmass wie Mitte der 1940er Jahre. Mit den 1960er Jahren, die 1968 eine positive Abstimmung über ein fakultatives Gemeindestimmund wahlrecht von Frauen mit sich bringen sollten, wurden vermehrt Elemente der Partnerschaft zwischen Mann und Frau, eines Miteinanders in den Vordergrund gestellt. Des Weiteren wird veranschaulicht, dass die AktivistInnen im Kanton Bern, getrennt durch die Sprachgrenze, vornehmlich unabhängig von einander auf dasselbe Ziel hinarbeiteten. Ein Bindeglied zwischen dem alten Kantonsteil und dem Jura stellte die Region Biel dar. Die Stimmbürger aus dem jurassischen Kantonsteil stimmten durchgängig vermehrt ja – trotz sehr ähnlicher propagandistischer Tätigkeiten und Argumentationen im alten Kantonsteil.
Brosamen vom Tisch des Herrn“. Argumentation und soziale Hintergründe Bernischer Stimmrechtsaktivistinnen zw. 1908 und 1971
Tipo di ricerca
Tesi di laurea
Stato
abgeschlossen/terminé
Cognome del docente
Prof.
Brigitte
Studer
Istituzione
Historisches Institut
Luogo
Bern
Anno
2007/2008
Abstract