Die Forschungsdiskussion über den europäischen «Orientalismus» aufgreifend, fragt diese Arbeit nach dem Orientbild Max von Sachsens (1870-1951), einem an der Universität Freiburg tätigen katholischen Theologen und Ostkirchenspezialisten. Max von Sachsen, der als Prinz ins sächsische Königshaus geboren wurde, sich dann aber für Theologiestudium und Priesterstand entschied, wurde vor allem bekannt für seinen Einsatz für eine Union zwischen Ost- und Westkirche. Seine frühe Beschäftigung mit dem christlichen Orient, bei der er auch allgemeine Überlegungen über den «Charakter» der Menschen und der Länder des Orients anstellte, war deutlich von kulturellen und religiösen Überlegenheitsgefühlen geprägt. Dabei sind immer wieder die typischen Elemente des Orientalismus zu erkennen: Die Vorstellung eines homogenen, unveränderlichen Orients, sowie die Verabsolutierung und hierarchische Deutung der kulturellen Unterschiede zwischen Ost und West. Seine Pauschalurteile über die Ostchristen zeigen, dass es auch ihnen gegenüber orientalistisch geprägte Vorstellungen gab. Hingegen waren seine Vorurteile gegenüber den «Orientalen» auch von antisemitischen Stereotypen beeinflusst. Das binäre Orient-Okzident-Schema wurde bei ihm jedoch durch seine spezifisch religiöse Perspektive verkompliziert. So fand er schon früh auch positive Anknüpfungspunkte zum Orient, den er in manchen Bereichen dem «ungläubigen» Westen gegenüber als überlegen sah. Das galt sogar für den islamischen Orient, dem er sonst mit einer äusserst kriegerischen Rhetorik und mit kulturellen Vorurteilen entgegentrat. Im Laufe des Untersuchungszeitraums vollzog sich bei Max von Sachsen ein erstaunlicher Einstellungswandel gegenüber dem «orientalischen Andern». Zuerst gelangte er gegenüber den orientalischen Christen zu einer aufgeschlosseneren Haltung. Als er nach dem Ersten Weltkrieg zum überzeugten Pazifisten und Lebensreformer wurde, kam er zunehmend auch zu einer anerkennenderen Einstellung gegenüber den nicht-christlichen Religionen des Orients. Seine Vorurteile über die «Orientalen» sind jedoch nie ganz verschwunden.