«dien veltsiechen des huses von Berne zechen Schilling.» Zum Stiftungsverhalten am Berner Siechenhaus im 14. Jahrhundert (1283-1390)

Cognome dell'autore
Moritz Janis
Kammer
ZweitautorIn Name
Tipo di ricerca
Tesi di master
Stato
abgeschlossen/terminé
Cognome del docente
Prof.
Regula
Schmid Keeling
Istituzione
Historisches Institut
Luogo
Bern
Anno
2019/2020
Abstract
Seit den 1980er Jahren hat eine intensive Auseinandersetzung mit der Kultur- und Sozialgeschichte der mittelalterlichen Lepra stattgefunden. Es ist das Verdienst dieser jüngeren Forschung, dass die Wahrnehmungs- und Denkformen offengelegt wurden, welche der weitreichenden sozialen Ausgrenzung der Leprakranken aus der mittelalterlichen Gesellschaft zugrunde lagen und welche bis heute die «soziale Krankheit» Lepra kennzeichnen: Die Wahrnehmung Lepröser war von der Ambivalenz geprägt, wonach diese entweder als Sendlinge des Teufels dem Reich des Bösen zugeordnet oder aber in ein besonderes Gunstverhältnis zu Gott und der Sphäre des Himmlischen gerückt wurden. Die mediävistische Lepraforschung hat diese Befunde vor allem dazu fruchtbar gemacht, um dem drängenden Fragekomplex nach dem Konnex von sozialer Wahrnehmung, sozialethischer Stigmatisierung und der Ausgrenzung kranker Menschen zu historischer Tiefenschärfe zu verhelfen. Dabei hat primär die Wirkungsgeschichte der (negativen) Lepradeutung, welche diese pauschal verteufelte, Aufmerksamkeit erfahren, während das gesellschaftliche Potential der (positiven) Deutungsweise, welche die gedachte Nähe der Leprösen zu Gott betonte, meist unbeachtet blieb. Indem in der Masterarbeit das Stiftungsverhalten am Berner Siechenhaus und den Leprösen analysiert wird, liegt der Fokus programmatisch auf der positiven Lepradeutung. Stiftungen dienten im Mittelalter primär der individuellen Seelenheilsversicherung der Stifter und Stifterinnen. Das Stiften an Siechenhäusern und Leprösen beruhte somit auf der Auffassung, dass letztere dank des gedachten Nahverhältnisses zu Gott als Vermittler zwischen Dies- und Jenseits potente Fürsprecher für die Seelen der Stifter und Stifterinnen seien. In der sozialen Praxis des Stiftens konkretisiert sich daher die positive Auffassung der Leprösen. Ausgehend von einem sozialhistorischen Stiftungsbegriff, der Stiftungen als soziale Wechselbeziehungen zwischen Stiftern, Stifterinnen und Stiftungsbegünstigten auf Grundlage eines dauerhaften reziproken Gabentauschs versteht sowie von der Konzeption der spätmittelalterlichen Stadt als einem Seelenheilsmarkt, worin die zahlreichen religiösen Institutionen miteinander in vielfältigen Konkurrenzverhältnissen und Verflechtungen stehende Akteure darstellten, wird in der Arbeit zunächst nach dem Stellenwert des Siechenhauses und der Leprösen in der gestifteten Jenseitsvorsorge und nach der Situation und der Funktion des Siechenhauses auf dem bernischen Seelenheilsmarkt gefragt. In der Masterarbeit ist die gesamte Überlieferung zum Berner Siechenhaus bis 1390 erfasst, deren Grossteil ein Korpus von knapp hundert Stiftungsurkunden bildet. Indem die Stiftungen systematisch-quantitativ nach drei zentralen Deskriptionsmerkmalen (Stiftungsorganisation, Stiftungszweck und Stiftungsvermögen bzw. -zinse) erfasst werden, können das Stiftungsverhalten und die so begründeten Beziehungsgefüge in dreidimensionaler Weise beschrieben werden. Die grosse Mehrheit der Stiftungen war multilokal organisiert. Das Siechenhaus war meist nur eine von mehreren an der Stiftung partizipierenden Einrichtungen. Stiftungen, in welchen die Leprösen exklusiv mit der Sorge um das stifterliche Seelenheil betraut wurden, bildeten eine kleine Minderheit, die eher auf Überlieferungszufälle als auf eine eigenständige Strategie der Jenseitsvorsorge schliessen lässt. Das Stiftungsverhalten am Siechenhaus war ferner durch relativ invariable und wenig ausdifferenzierte Stiftungszwecke gekennzeichnet. Die Hälfte der Stiftungen sah jährliche Totenmessen und Memorialleistungen vor (Jahrzeitstiftungen), die andere Hälfte enthielt keine expliziten Memorialverfügungen. Es ist daher anzunehmen, dass sich die Stifter und Stifterinnen dabei mit der Stiftung eines Almosens begnügten. Fast ausnahmslos waren die Stiftungen an das Siechenhaus weiter mit Vermögen und Zinsen dotiert, die sich weit unter dem für die bernische Stiftungswirtschaft ermittelten Durchschnittswert bewegten. Die also geringe Exklusivität des Siechenhauses in den gestifteten Beziehungsgefügen, die geringe Ausdifferenzierung der Stiftungszwecke, die unterdurchschnittlichen Stiftungsvermögen und schliesslich der Befund, wonach viele der Stiftungen an das Siechenhaus während der Grossen Pest 1349 / 50 und damit im Kontext einer allgemein gesteigerten Stiftungstätigkeit zustande kamen, weisen dem Siechenhaus eine nachrangige, subsidiäre Funktion in der gestifteten Jenseitsvorsorge und eine relative Randlage auf dem bernischen Seelenheilsmarkt aus. Als eigenständige Strategie der Seelenheilsversicherung wird das Stiften am Berner Siechenhaus nicht erkennbar. Das Stiftungsverhalten am Siechenhaus scheint sich nicht aus der besonderen Qualifikation der Leprösen als Mittler zwischen Dies- und Jenseits, als vielmehr aus der Verflechtung des kommunalen Siechenhauses mit der städtischen Ratsobrigkeit und vor allem dem ebenso kommunalen Niederen Spital heraus zu erklären.

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