Il Percorso della Speranza: Erinnerungen an die Aufnahme der Flüchtlinge im Zweiten Weltkrieg

Dieser Artikel wurde von Nicoletta Mongini und Raphael Rues verfasst. Er ist Teil einer Reihe über das Gedenken an den Zweiten Weltkrieg in der Schweiz, die im Rahmen der infoclio.ch-Tagung 2024 «Zweiter Weltkrieg. Erinnerung im Wandel» lanciert wurde. Die Reihe stellt verschiedene aktuelle Projekte vor, weist auf online zugängliche Ressourcen hin und bietet Einblick in historische Betrachtungen zum Thema.


Eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart

An den Ufern des Lago Maggiore, zwischen Italien und der Schweiz, schlängelt sich ein 17-stufiger historischer Weg, der ein dunkles und zugleich doch leuchtendes Kapitel unserer jüngsten Geschichte ans Licht bringt. «Percorso della Speranza», ein von der Fondazione Monte Verità und Insubrica Historica gefördertes Projekt, lädt die Besucherinnen und Besucher ein, die Spuren von Jüdinnen und Juden, Deserteuren, Partisanen und Flüchtlingen nachzuverfolgen, die zwischen September 1943 und April 1945 in der Schweiz Zuflucht fanden, um dem Krieg und vor allem der nationalsozialistischen Verfolgung im benachbarten Italien zu entkommen.

Ein Vermächtnis der Solidarität

Die Jahre 1943 bis 1945 waren für die italienische Halbinsel eine Zeit grossen Leids und tiefer Spaltung. In diesem dramatischen Kriegskontext hat sich jedoch die Solidarität zwischen den Bevölkerungen der beiden Nachbarländer stark ausgeprägt. Die Schweiz und insbesondere die Region Locarno mit ihrem gebirgigen Terrain und ihrer Neutralitätstradition wurden zu einem Zufluchtsort für Tausende von Menschen, die aus dem benachbarten Italien flohen. Die Verbundenheit und die Gastfreundschaft, die diese Beziehungen kennzeichneten, stellen ein unschätzbares Erbe dar, ein Beispiel von Menschlichkeit, das bis in die Gegenwart nachwirkt. Es gab zwei humanitäre Krisen: Die erste im September 1943 mit der Ankunft von mindestens 10'000 Menschen, die vor der deutschen Besatzung in Norditalien flüchteten, und eine zweite Krise im Oktober 1944, als deutsche und faschistische Kräfte das Gebiet der Zona Libera Ossola, besser bekannt als «Partisanenrepublik Ossola», gewaltsam besetzten. Weitere rund 10'000 Zivilipersonen, Kinder sowie Partisaninnen und Partisanen konnten in der benachbarten Schweiz Zuflucht und Schutz finden.

Eine Route, die Orte zusammenbringt und ihre Geschichten erzählt

Das Projekt, das von Nicoletta Mongini und Raphael Rues konzipiert und kuratiert wurde, basiert auf der Idee, dass Orte die Hüter einer lebendigen Erinnerung sind. Mithilfe von 17 messingfarbenen Metalltafeln, die mit einem QR-Code versehen und in den Gemeinden Ascona, Brissago, Cannobio und Verbania, zu finden sind, kann man über die Website www.percorsodellasperanza.org auf detaillierte und vertiefte Ausführungen zugreifen, die das Schicksal derjenigen nachzeichnet, die in diesen Gebieten Sicherheit suchten.

Eine interaktive Karte zeigt die Etappen des «Percorso della Speranza» und bietet Zugang zu Informationen über jeden Ort.

Lebensgeschichten

Die Geschichten die dieser Weg erzählt sind intensiv und berührend. Figuren wie Lilly Volkart, Wladimir Rosenbaum, Silvio Baccalà und Vincenzo Martinetti werden zu Gesichtern einer Generation, die die Schrecken des Krieges und die Hoffnung auf einen Neuanfang am eigenen Leib erfahren hat. Tragische Ereignisse wie das Massaker von Fondotoce werden mit Episoden von Mut und Selbstlosigkeit verwoben und bieten so ein vollständiges und vielschichtiges Bild einer komplexen historischen Epoche. Es wird auch an Gräueltaten und Zurückweisungen erinnert, wie jene der Familie Grünberger an der Grenze zu Brissago, die später im Konzentrationslager Auschwitz ermordet wurde.

Ein Vermächtnis für die Zukunft

«Percorso della Speranza» erinnert nicht nur an die Vergangenheit, sondern ist auch eine Einladung, über die Gegenwart und die Zukunft nachzudenken. In einer Welt, die von neuen Herausforderungen und zunehmenden Spannungen geprägt ist, erhalten die Geschichten von Gastfreundschaft und Solidarität, die dieses Projekt erzählt, eine noch tiefere Bedeutung. Die historisch akkurate Erzählung gibt der Komplexität der Problematik der Schweiz und insbesondere der Region Locarno als Zufluchtsgebiet Raum.

Ein sich entwickelndes kollektives Engagement

«Percorso della Speranza» ist das Ergebnis kollektiver Bemühungen, das dank der Unterstützung zahlreicher Institutionen und Vereinigungen möglich wurde, darunter die vier Gemeinden Verbania, Cannobio, Brissago und Ascona sowie der Ente Regionale per lo Sviluppo del Locarnese e Valle Maggia, die einen entscheidenden Beitrag zur Realisierung des Projekts geleistet haben. Die Arbeit soll zeigen, dass das historische Gedächtnis ein gemeinsames Gut ist und dass die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Akteuren zu bedeutenden Ergebnissen führen kann. Es handelt sich um ein Projekt, das nach seiner Konzeption im Herbst 2023 weiter ausgebaut werden soll.

«Percorso della Speranza» geht über eine klassische und einfache Touristenroute hinaus. Es ist eine Reise in das Herz der Menschheit, eine Einladung, das Leid der Vergangenheit nicht zu vergessen und eine gerechtere und solidarischere Zukunft aufzubauen.

Kontakt und mitverantwortliche Personen