Staatsschutz in der Schweiz 1914-1919. Die Praxis der politischen Polizei während des Ersten Weltkrieges

Cognome dell'autore
Markus
Beutler
Tipo di ricerca
Tesi di laurea
Stato
abgeschlossen/terminé
Cognome del docente
Prof.
Brigitte
Studer
Istituzione
Historisches Institut
Luogo
Bern
Anno
2005/2006
Abstract

Die polizeiund verwaltungsgeschichtliche Arbeit beschreibt die Praxis der politischen Polizei als Staatsschutzpraxis während des Ersten Weltkrieges und plausibilisiert sie an zwei Fallbeispielen. Dieser Untersuchungszeitraum wird dabei als Schlüsselphase innerhalb der Institutionalisierung des Schweizer Staatsschutzes identifiziert, die 1889 mit der Zuweisung der Zentralstelle für politische Polizei an die Bundesanwaltschaft begann und 1935 mit der Gründung der Bundespolizei als Polizeidienst der Bundesanwaltschaft endete. Der Erste Weltkrieg stellte für die Bundesanwaltschaft als Organ der politischen Polizei des Bundes eine Extremsituation dar, in welcher sie neue Aufgaben übernehmen, neues Wissen generieren und daraus neue Handlungsstrategien im Zusammenhang mit ihrem Auftrag und in Verschleifung bestehender gesetzlicher Grundlage entwickeln musste. Die Jahre 1889 und 1935 sind in diesem Sinne lediglich als Eckpfeiler einer Entwicklung dynamischer Verwaltungspraxis im Interesse der Wahrung der inneren Sicherheit zu verstehen.

 

Das Kapitel 1 liefert die historische und theoretische Situierung des Untersuchungsgegenstandes. Die politische Polizei des Bundes wird als „Verpolizeilichung des Rechts“ (Naucke) im Modernisierungsprozess verortet. Die Geschichte der Bundesanwaltschaft wird referiert und das Nebeneinander repressiver und präventiv-administrativer Aufgaben wird unter Rückgriff auf den modernen Staatsschutzbegriff als Doppelfunktion der Bundesanwaltschaft beschrieben.

 

Kapitel 2 gibt einen Überblick über den administrativen und repressiven Staatsschutz im Vollmachtenregime des Ersten Weltkrieges und rekonstruiert durch formale Analyse der Geschäftskontrollen, Personalbogen und Personaldossiers das Ordnungssystem und die Praxis der Bundesanwaltschaft. Das daraus entwickelte Funktionsmodell beschreibt die Bundesanwaltschaft als Zentralstelle, Informationsdrehscheibe und Dokumentationsstelle im Interesse der Wahrung der inneren Sicherheit. Die bundesanwaltschaftliche Praxis der politischen Polizei des Bundes wird in drei Handlungsbereiche unterschieden: Kategorisieren, Dokumentieren und Sanktionieren. Die Bundesanwaltschaft vollzog ein kategorisierendes Handeln, indem sie eingehende Informationen aus ihrer Sicht sinnvoll ordnete. Ausdruck dieses Handlungsbereichs ist die thematische Gliederung der Geschäftskontrollen. Die Bundesanwaltschaft handelte dokumentierend, indem sie eingehende Informationen über politisch aktive Ausländerinnen und Ausländer sowie Schweizerinnen und Schweizer ablegte und somit ein potenzielles Wissen aufbaute. Folge dieser Dokumentation war das Sammeln von Personalbogen. Das sanktionierende Handeln äusserte sich hauptsächlich in Antragstellung auf administrative Massregelungen (v.a. Ausweisungen). Innerhalb des Handlungsbereichs der Sanktion lassen sich drei idealtypisch gedachte Sanktionsformen unterscheiden. Die Bundesanwaltschaft vollzog eine ausführende Sanktion, wenn sie nur ausführendes Organ einer behördlichen Sanktion war und der Anlass der Sanktion von aussen an sie herangetragen wurde. Auch bei der rechtfertigenden Sanktion entstand die Entscheidung zu einer Sanktion nicht bei der Bundesanwaltschaft; diese griff jedoch im Rahmen ihrer Antragsstellung im Sinne einer zusätzlichen Rechtfertigung auf die eigene Dokumentation zurück. Bei der ableitenden Sanktion wurde der Anlass für eine Sanktion im System der Bundesanwaltschaft als Folge einer präventiv ausgerichteten Dokumentationsanalyse selber generiert.

 

Im Kapitel 3 wird das Funktionsmodell der politischen Polizei an den Beispielen des „Roten Sonntags“ von 1916 (verbotene sozialdemokratische Kundgebungen anlässlich des Internationalen Jugendtages) und der gerichtspolizeilichen „Bolschewistenuntersuchung“ von 1918–1920 angewendet und plausibilisiert.

 

Im Untersuchungszeitraum erfuhr die Staatsschutztätigkeit der Bundesanwaltschaft eine quantitative und qualitative Extensivierung. Gleichzeitig bewährte sich aus Sicht der Behörden die Doppelfunktion der Bundesanwaltschaft (d.h. die Bundesanwalt als politische Polizei des Bundes und als oberste Leiterin der gerichtlichen Polizei). So führte die gerichtliche Bolschewistenuntersuchung zu vielen administrativen Ausweisungen und die Bundesanwaltschaft intensivierte und extensivierte die präventiv ausgerichtete Dokumentation auch über Schweizerinnen und Schweizer. Da bei diesen eine Ausweisung als Sanktion nicht in Frage kam, muss dieses Dokumentationshandeln in einem engen Zusammenhang mit dem geplanten Ausbau der strafrechtlichen Massnahmen gesehen werden.

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