Tipo di ricerca
Tesi di master
Stato
abgeschlossen/terminé
Cognome del docente
Prof.
Stig
Förster
Istituzione
Historisches Institut
Luogo
Bern
Anno
2010/2011
Abstract
Die Masterarbeit über Camille Coquilhat und die Ba-Ngala befasst sich mit der Pionierphase der territorialen Erschliessung des Oberen Kongogebietes, welche ab 1876 im Rahmen einer philanthropisch begründeten „mission civilisatrice“ vom belgischen König Leopold II. lanciert wurde. Die ab 1882 auftretenden Kolonialrivalitäten zwischen der französischen Regierung und König Leopold II. auf diplomatischer Ebene in Europa wie auch vor Ort im Kongo forcierten Expeditionen in das weitgehend unerforschte Gebiet. Vertragsabschlüsse zwischen den Agenten der Association Internationale du Congo und den einflussreichen indigenen chiefs sollten die Errichtung mehrerer Handelsstationen im Oberen Kongogebiet gewährleisten und führten u. a. zum Aufbau der strategisch wichtigen Ba-Ngala Station in Mankanza unter der Leitung des belgischen Leutnants Camille Coquilhat.
Auf der Grundlage von Kolonialberichten, unveröffentlichten Dokumenten aus den Brüsseler Archiven sowie von relevanter Fachliteratur geht diese Masterarbeit am Beispiel der Ba-Ngala Station der Frage nach, wie die koloniale Herrschaft der europäischen Agenten in der Pionierzeit – vor der Gründung des État Indépendant du Congo (1885) – etabliert wurde. Hierbei wird untersucht, mit welchen Problemen sich die Kolonialpioniere konfrontiert sahen und welchen Einfluss die anfangs schwierigen Umstände auf die Beziehungen mit der indigenen Bevölkerung hatten. In einem zweiten Schritt wird aufgezeigt, in welchem Ausmass im Rahmen des ersten Kulturkontaktes zwischen Camille Coquilhat und den Ba-Ngala Phänomene der „Gegen-Akkulturation“ auftraten und welche Bedeutung den westund ostafrikanischen sowie den indigenen „soldier worker“ beim Aufbau der Kolonialherrschaft zugemessen werden muss.
Ausgehend von der Hypothese, dass die europäischen Pioniere durch die Abhängigkeit von der indigenen Bevölkerung zur Etablierung ihrer Herrschaft im Oberen Kongogebiet gezwungen waren, auf traditionelle indigene Kulturelemente zurückzugreifen, konnte als Fazit der Arbeit folgendes festgestellt werden: Der ständige Mangel an Arbeitskräften sowie Nahrungsmittelknappheit, Nachschub-, Transportund Kommunikationsprobleme in den Stationen des Oberen Kongo erforderten – völlig unabhängig von der vordergründig angeführten „zivilisatorischen“ Mission – eine friedliche Koexistenz mit den Ba-Ngala. Vor allem in Bezug auf die wichtigen Vertragsabschlüsse, welche die „Souveränitätsrechte“ der indigenen chiefs an die Europäer übertrugen, waren letztere gezwungen, zur Erreichung ihrer Ziele auf indigene Kulturelemente zurückzugreifen. Hierbei konnte aufgezeigt werden, dass die europäischen Kolonialpioniere im Rahmen von Freundschaftsund Allianzbündnissen mit den Ba-Ngala unter anderem auf das Ritual des Blutpaktes zurückgriffen. Um Konflikte zu lösen, scheuten die Europäer sich jedoch auch nicht, die indigene Praxis der Geiselnahme zu adaptieren. Die Übernahme indigener Kulturelemente durch die Europäer basierte allerdings nicht auf einem genuin vorhandenen Interesse an der Fremdkultur und ihren Bräuchen. Im Bewusstsein ihrer anfänglichen Abhängigkeit von der indigenen Bevölkerung in den weit abgelegenen Gebieten des Oberen Kongos griffen die Kolonialpioniere und Coquilhat nur ganz spezifisch und opportunistisch einzelne Bräuche auf, um trotz der ihnen zur Verfügung stehenden bescheidenen Mittel die Direktiven aus Brüssel umsetzen zu können. Nachdem die anfänglichen Schwierigkeiten überwunden waren und die Abhängigkeit von den Ba-Ngala nicht mehr bestand, griff Coquilhat vermehrt auf Zwangsmassnahmen und Gewaltanwendung zurück. Hierbei nutzte er vor allem die innerethnischen Konflikte der indigenen Gemeinschaften zu seinem Zweck aus, um sich schrittweise ein Gewaltmonopol über die BaNgala zu sichern.
In Bezug auf die Bedeutung der westund ostafrikanischen und indigenen „soldier worker“ lässt sich festhalten, dass diese in ihrer Position als Söldner, Arbeiter, Dolmetscher und Geheiminformanten nicht nur für den Aufbau der Stationen, sondern vor allem im Rahmen der Vertragsabschlüsse und zur Überwindung der kulturellen Grenzen zwischen den europäischen Agenten und den Indigenen unersetzlich waren. Sie bildeten das „Rückgrat“ des Kolonialunternehmens. Der konstante Mangel an Arbeitskräften liess Coquilhat auch „freigekaufte“ Sklaven in seinen Dienst aufnehmen. Eine grosse Bedeutung muss jedoch vor allem der durch Coquilhat vorgenommen Rekrutierung junger Ba-Ngala für die Truppe der „jeune garde“ beigemessen werden. Die den Ba-Ngala attestierten kämpferischen Qualitäten führten dazu, dass sie im Rahmen der 1886 gegründeten Kolonialarmee, der Force Publique, neben dem bereits bestehenden afrikanischen Söldnerkontingent die ersten indigenen Rekruten waren und im weiteren Verlauf der Geschichte des Kongofreistaates zu unentbehrlichen „soldier worker“ wurden.