Die "Italienerfrage" um 1893. Analyse der zeitgenössischen Diskussion über die italienischen Arbeitskräfte in der Schweiz im Anschluss an den Käfigturmkrawall von Bern 1893

Cognome dell'autore
Samuel
Budmiger
Tipo di ricerca
Tesi di master
Stato
abgeschlossen/terminé
Cognome del docente
Prof.
Albert
Tanner
Istituzione
Historisches Institut
Luogo
Bern
Anno
2010/2011
Abstract


Ziel der Arbeit war es einerseits, die Diskussion über die italienischen Arbeitskräfte in der Schweiz, welche im Anschluss an den Käfigturmkrawall vom 19. Juni 1893 in Bern unter dem Begriff „Italienerfrage“ geführt wurde, nachzuzeichnen und in ihrem historischen Kontext einzubetten. Andererseits wurde versucht, die Bedeutung dieser Diskussion in Bezug auf spätere Ausländerdebatten in der Schweiz festzustellen. Methodisch wurde nach den Analyseschritten einer historischen Diskursanalyse vorgegangen. Als Quellenkorpus dienten vorwiegend Berner und Zürcher Presseorgane sowie Protokolle und Berichte der Berner Behörden. Der Fokus der Untersuchung wurde auf die Stadt Bern gelegt, da dort beim Käfigturmkrawall 1893 Schweizer Handlanger die italienischen Bauarbeiter gewalttätig von den Bauplätzen zu vertreiben versuchten.

Die „Italienerfrage“ um 1893 in Bern wurde in einem sozioökonomischen und sozio-politischen Kontext diskutiert, der dank liberalen Niederlassungsund Arbeitsrechtsgesetzen sowie einer florierenden Bautätigkeit eine grosse italienische Arbeitsmigration nach Bern begünstigte und der sich durch eine politische Stimmung des Klassenkampfes sowie durch soziale Spannungen bei den arbeitslosen Handlangern auszeichnete. Schon vor 1893 hatten Vertreter der Berner Arbeiterbewegung auf die billige italienische Konkurrenz auf dem städtischen Arbeitsmarkt aufmerksam gemacht und von den Behörden Massnahmen gegen die negativen Folgen für die einheimischen Bauarbeiter gefordert.

Nach dem Krawall in Bern formulierten die Gewerkschaften ihre Forderungen zum Schutz der Einheimischen neu und versuchten mit dem Begriff „Italienerfrage“ die Aufmerksamkeit der liberalen Behörden auf sozialdemokratische Anliegen zu richten. Die „Italienerfrage“ wurde als migrationspolitisches, wirtschaftspolitisches, sozialpolitisches und kulturpolitisches Problem diskutiert. Die Gewerkschafter und Sozialdemokraten sahen die wirtschaftlichen Vorteile der italienischen Arbeitskräfte in ihrer kulturellen Minderwertigkeit bedingt, die angeblich ein bedürfnisloses Leben und dadurch tiefe Lohnansprüche zuliess. Zum gewerkschaftlichen Anspruch nach proletarischer Internationalität standen die fremdenfeindlichen Forderungen von Bernern und Zürchern Arbeitervertretern im Sommer 1893 im Widerspruch. Die bürgerlichen Akteure relativierten das Vorhandensein der „Italienerfrage“ und verwiesen in der Diskussion auf die sozialrevolutionäre Gefahr der Arbeiterbewegung, die sich im Käfigturmkrawall gezeigt habe. Sie stellten sich hinter die italienischen Arbeitskräfte und die Anstellungspolitik der Unternehmer und sahen die Arbeitslosigkeit der Einheimischen durch den schädlichen Einfluss der Arbeitervereine bedingt.

In der Diskussion über die „Italienerfrage“ um 1893 zeigten sich vor allem wirtschaftliche „Überfremdungsängste“ und es traten fremdenfeindliche Abwehrhaltungen gegen Ausländer offen in Zeitungen und behördlichen Diskussionen zu Tage. Diese frühe Ausländerdebatte war der „Italienerfrage“ um 1896 in Zürich, der „Ausländerfrage“ ab 1900 und dem Überfremdungsdiskurs, der die Handlungen der Schweizer Behörden nach dem Ersten Weltkrieg wirkungsmächtig mitbestimmte, vorgelagert. Um 1893 zeigten sich die liberalen Behörden von den protektionistischen Forderungen der „Linken“ jedoch unbeeindruckt und hielten an liberalen Gesetzen fest.

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