„Eine scheinbar so unwesentliche Frage, wie diejenige über die Namensführung des Menschen, vermag die Gemüter offensichtlich heftig zu erregen.“ Diese Worte einer Juristin beschreiben die 1984 herrschende Stimmung zur damals laufenden Eherechtsrevision in der Schweiz. Zwischen dem „traditionell“ einheitlichen Familiennamen, der die Ehefrau zur Aufgabe ihres Namens und Annahme des Namens ihres Ehemannes zwang und dem Grundsatz der rechtlichen Gleichbehandlung von Mann und Frau entstand ein scheinbar unlösbarer Interessenkonflikt. Bis zum heutigen Zeitpunkt konnte in der Namensfrage keine gleichberechtigte Lösung gefunden werden, wie die Rückweisung an die Kommission der parlamentarischen Initiative Name und Bürgerrecht der Ehegatten. Gleichstellung 2009 zeigte.
Anhand von Parlamentsund Kommissionsprotokollen wurde in dieser Lizentiatsarbeit untersucht, wie in der Diskussion über den Familiennamen der Ehegatten der Interessenkonflikt zu Stande kam und wie im Laufe des 20. Jh. auf juristischer und politischer Ebene damit umgegangen und argumentiert wurde. Um die einzelnen Interessen und Strategien verorten zu können sowie Kontinuitäten und Diskontinuitäten in den Argumentationen ausmachen zu können, wurden zwei Diskurse definiert, der Gleichberechtigungsdiskurs und der Familieneinheitsdiskurs.
Mittels historischer Diskursanalyse wurden die Diskussionen in drei zeitlichen Schwerpunkten innerhalb der Schweizer Gesetzgebung durchleuchtet. Die Untersuchung setzt um 1900 mit der Entstehung des Zivilgesetzbuches (ZGB) ein. Hier wird die Diskussion zur Stellung der Frau im Eherecht und ihre Einordnung in die Rechtssphäre des Mannes untersucht. Die Revision des Eherechts (1957-1985) bildet den zweiten zeitlichen Schwerpunkt, wobei sich die Frage stellte, warum der Gleichberechtigungsauftrag beim Familiennamen nicht vollständig erfüllt wurde. Der dritte zeitliche Schwerpunkt dieser Arbeit befasst sich mit den 1990er Jahren, als verschiedene Revisionsversuche des Namenrechts scheiterten.
Mit dem ZGB 1907 wurde das bürgerliche Familienideal kodifiziert, das seit dem 18. Jh. die Gesellschaft prägte. Zentral dabei war die neu verrechtlichte Rollenteilung, welche den Mann als Haupt der Familie und die Frau zur Verantwortlichen für den Haushalt und die Erziehung der Kinder machte. Die Konsequenz für den Familiennamen war, dass eine Gemeinschaft auch nur einen Namen tragen sollte. Die Analysen der parlamentarischen Diskussionen über Familiennamen, der Rollenteilung und Güterrecht zeigten, dass die Diskriminierung im Namensrecht zu diesem Zeitpunkt noch ausserhalb des Gleichberechtigungsdiskurses lag und deshalb nicht thematisiert wurde.
Erst im Zuge der Eherechtsrevision 1984 rückte der Familienname allmählich in den Bereich des Gleichberechtigungsdiskurses. Dabei wurden unterschiedliche Lösungen durch Doppelnamen, ein Wahlrecht oder die Beibehaltung der Namen und deren mögliche Auswirkungen auf eine tatsächliche Gleichberechtigung diskutiert. Auch innerhalb des Familieneinheitsdiskurses nahm der Familienname eine symbolträchtige Position als Zeichen für die Beibehaltung der Familieneinheit ein. Forderungen aus der politisch Linken nach einer Auflösung des einheitlichen Familiennamens wurden von Konservativen als Zeichen des Zerfalls der Familie gleichgesetzt.
In den 1990er Jahren konnte sich der Gleichberechtigungsdiskurs vermehrt auf den Verfassungsartikel berufen und damit auf sachliche und juristische Argumente aufbauen. Der Familieneinheitsdiskurs hingegen verlor an sachlichem Boden, da die Gleichberechtigung nicht mehr offen kritisiert werden konnte. Andere Aspekte, wie der Familienname des Kindes bei Uneinigkeit der Eltern und damit verbundene psychologische Bedenken, rückten in den Vordergrund. Was in den 1980er Jahren das Wohl der Gemeinschaft war, bedeutete in den 1990er Jahren das Kindswohl, nämlich ein Argument, welches gegenüber der Gleichberechtigung unbedingte Priorität genoss.
Die Entwicklung der Bedeutung des Namensrechts führte von der Nichterwähnung des Familiennamenartikels Anfang des 20. Jahrhunderts über die Vorstellung der Unlösbarkeit in den 1980er Jahren bis zum Bild der Unübersichtlichkeit und Verwirrung in den 1990er Jahren.
Die Diskursanalyse konnte die konservative und traditionelle Erwartung an die zukünftige Ehefrau entschlüsseln. Unter dem Vorwand des Wohls der Gemeinschaft in den 1980er und des Kindswohls in den 1990er Jahren sollte sich die Ehefrau, durch Änderung ihres Namens, vollständig mit der ehelichen Gemeinschaft identifizieren. Die patriarchale Tradition, die mittlerweile in fast allen Bereichen der schweizerischen Gesetzgebung durch das Prinzip der Gleichberechtigung ersetzt werden konnte, bleibt in der heutigen Regelung des Familiennamens ungebrochen.
Zwischen Gleichberechtigung und Familieneinheit Der Familienname im schweizerischen Eherecht im 20. Jahrhundert.
Tipo di ricerca
Tesi di laurea
Stato
abgeschlossen/terminé
Cognome del docente
Prof.
Brigitte
Studer
Istituzione
Historisches Institut
Luogo
Bern
Anno
2008/2009
Abstract