Die Zeit der späten römischen Republik gehört zu den meistbehandelten Perioden der Alten Geschichte. Caesars Bellum Gallicum, das die Eroberung Galliens in den Jahren von 58 bis 51 vor Christus schildert, zählt zu den meistgelesenen und meisttraktierten Schriften der lateinischen Sprache, die gelehrte Literatur ist Legion. Eine systematische Untersuchung zu Caesars Angaben über die Verkehrsinfrastruktur fehlt indes. Diese Lücke soll mit der Lizentiatsarbeit geschlossen werden.
Im Zentrum der Arbeit steht die buchweise Analyse derjenigen Abschnitte des Bellum Gallicum, die Aussagen über Caesars Marschrouten und die Verkehrsinfrastruktur von Gallien enthalten. Zu diesem Zwecke wird die eingehende Quelleninterpretation mit der ausführlichen Diskussion der wissenschaftlichen Literatur verbunden.
Oftmals werden die Römer als geniale Strassenbaumeister vorgestellt, die ihr immens vergrössertes Herrschaftsgebiet durch ein dichtes Wegenetz zu militärischen, administrativen und handelspolitischen Zwecken erschlossen haben. Das stimmt grundsätzlich, doch darf man nicht verkennen, dass es nicht immer die Römer waren, welche die Strassen und überhaupt das gesamte Infrastrukturnetz von Grund auf konzipiert und erbaut haben. Das Studium von Caesars Bellum Gallicum zeigt, dass bereits in vorrömischer Zeit ein dichtes, gut ausgebautes Netz an Strassen, Wegen und Brücken vorhanden gewesen sein muss, dessen sich die Römer bedienen konnten. Allein das enge gallische Wegenetz erlaubte es Caesar, seine Feldzüge präzise und schnell durchzuführen. Innerhalb weniger Jahre kam so ganz Gallien unter römische Herrschaft, und das Wegenetz wurde nach der Provinzialisierung Galliens von den Römern systematisch ausgebaut und erweitert. Zum Vergleich: Nach dem zweiten Punischen Krieg gegen Ende des dritten Jahrhunderts vor Christus brauchten die Römer beinahe 200 Jahre, um Spanien weitgehend unter römische Herrschaf zu zwingen, weil dort die entsprechende Infrastruktur fehlte. Ein wichtiges Ergebnis der Lizentiatsarbeit liegt somit im Nachweis, dass sich Caesar bei seiner achtjährigen Eroberung Galliens auf die komplexe keltische Verkehrsinfrastruktur stützen konnte, die er in Gallien vorfand. Dabei zeigt es sich allerdings, dass die Rekonstruktion der auf den Feldzügen Caesars eingeschlagenen Routen ein äusserst schwieriges Unterfangen ist und dabei zahlreiche Probleme zu berücksichtigen sind. Daher ist bei der Identifizierung und Lokalisierung einzelner Orte und Routen grösste Vorsicht geboten. In vielen Fällen können nämlich keine sicheren Aussagen gemacht werden und auch die archäologische Evidenz vermag strittige Fälle nicht eindeutig zu klären.
Der Grund dafür liegt darin, dass Caesar über die vorhandene Infrastruktur im Bellum Gallicum kaum ein Wort verliert. Nur ihre Zerstörung durch den Gegner – so tat dies im siebten Kriegsjahr Vercingetorix, um im Krieg gegen Caesar Vorteile zu erzielen, indem die Versorgung der römischen Legionen unterbunden, deren Beweglichkeit eingeschränkt und die direkte Konfrontation der Gegner vermieden wurde – oder die Wiederherstellung durch die römischen Truppen ist der Erwähnung wert. Auch lobt Caesar eigene verkehrstechnische Leistungen, die seinen Ruhm und den des römischen Volkes mehren – genannt seien hier nur zwei neu errichtete Brücken über den Rhein oder ein gewagter Übergang im Winter über einen verschneiten Bergpfad, der selbst im Sommer nur schwer zu begehen war. Diese Leistungen berücksichtigen nicht nur die militärischen Erfordernisse, sondern bestätigen auch die dignitas Caesars, der sich in seinem Werk zugleich als legitimer Vertreter der dignitas des römischen Volkes inszenierte.