Das Bürgerrecht der verheirateten Frau und die Bürgerrechtsgesetzrevision von 1952. Zum Verhältnis von Geschlecht, Nation und Staat in der Schweiz

Cognome dell'autore
Astrid
Wüthrich
Tipo di ricerca
Tesi di laurea
Stato
abgeschlossen/terminé
Cognome del docente
Prof.
Brigitte
Studer
Istituzione
Historisches Institut
Luogo
Bern
Anno
2002/2003
Abstract

Bis zum Zweiten Weltkrieg galt auf Grund von Gewohnheitsrecht die so genannte Heiratsregel, die Schweizerinnen, die einen ausländischen Staatsangehörigen ehelichten, das Bürgerrecht verlieren liess. Während des Kriegs verschärfte das EJPD diese Regel per Notrechtregime. Nach dem Krieg war es dem Departement ein Anliegen, das Bürgerrechtsgesetz gemäss den Notrechtartikeln zu revidieren. Als hauptsächliche Änderung sollte die Heiratsregel Eingang in die ordentliche Gesetzgebung finden. In Juristenkreisen sowie seitens der Frauenbewegung wurde die Heiratsregel heftig kritisiert. Es sollte ihrer Ansicht nach die zivilstandsrechtliche Unabhängigkeit der Frau im Bürgerrecht ins Gesetz aufgenommen werden. Schliesslich setzte sich eine dritte Variante durch, das so genannte Optionsrecht. Dieses verlangte von der heiratenden Frau eine Erklärung vor dem Standesbeamten, wonach sie das Schweizer Bürgerrecht trotz Heirat mit einem Ausländer behalten wolle.

 

Thema der Lizentiatsarbeit sind neben dem eigentlichen Gesetzgebungsprozess eine Rückschau auf die Zeit nach 1941, als die Heiratsregel per Notrecht eingeführt wurde, die sozio-politische Situierung der hauptsächlichen Akteure und Akteurinnen (Frauenorganisationen, Juristen, die Vertreter des EJPD, die Vertreter der verschiedenen Parteien) sowie Interpretation und Analyse der angewendeten Argumentationsmuster. Die Arbeit ist in drei Teile gegliedert. Im ersten Teil stehen das Verhältnis von Staat, Nation und Geschlecht sowie die Einbettung der Bürgerrechtsgesetzrevision und der Debatten um die Heiratsregel in einem übergeordneten historischen Zusammenhang. Der zweite Teil ist dem eigentlichen Gesetzgebungsprozess ab den ersten Entwürfen des federführenden Departements im Jahre 1947 bis zur Verabschiedung des Gesetzes im September 1952 sowie den Akteurinnen und Akteuren gewidmet. Im dritten Teil werden die vorgebrachten Argumentationsweisen analysiert und interpretiert.

 

Die Studie zeigt, dass sich neben den Frauenverbänden kaum eine politische Kraft für die Unabhängigkeit der Frau im Bürgerrecht einsetzte. Der Entscheid für das Optionsrecht wurde allenthalben als Entlassung der Frauen in die staatsbürgerliche Unabhängigkeit gewertet. Dabei blieb diese eine unvollständige, denn über die notwendige Erklärung blieb der Verbleib im Schweizer Bürgerrecht ein unvollständiger: im Prinzip blieb die Staatszugehörigkeit der Frau zivilstandsbestimmt.

 

Vor allem freisinnige Politiker verhalfen dem Optionsrecht zum Durchbruch. Sie argumentierten mit einem differentiellen Geschlechterdiskurs, in welchem die Idee der Einheit der Familie im Bürgerrecht mitschwang. Als Verlierer der Gesetzesrevision müssen das EJPD und hauptsächlich konservative Politiker angesehen werden. Ihrer Auffassung von Bürgerrecht, welches ausschliesslich über den Mann (Vater, Ehemann) bestimmt werden soll, folgte nur eine Minderheit. Jene Politiker, die für die Unabhängigkeit der Frau im Bürgerrecht einstanden, sahen sich von Beginn weg in der Minderheit. Im Gesetzgebungsprozess spielte die SPS eine besondere Rolle: trotz der von der Partei vertretenen Forderung nach Gleichberechtigung der Frauen setzte sich kaum ein Vertreter der Sozialdemokraten für die so genannte „moderne Lösung“ ein.

 

Die Frauenverbände, deren Vertreterinnen hauptsächlich aus FDP-nahen Kreisen stammten, feierten das Optionsrecht als Teilerfolg, obwohl ihre Forderung nach Unabhängigkeit sich nicht durchsetzte. Dies auch, weil sie, nachdem ihre Forderung in den vorberatenden Kommissionen keine Mehrheit gefunden hatte, auf den Zug der Optionsrecht-Befürworter aufsprangen.

 

Die Arena der Macht blieb also weiterhin männlich: Männer bestimmten über die Rechte der Frauen und deren Ausgestaltung. Den Frauen blieb die Einflussnahme von ausserhalb. Gleichzeitig schrieb die Revision die Ehe als Drehscheibe der weiblichen Vergesellschaftung fort: die nationale Zugehörigkeit wie die Gewährung von staatsbürgerlichen Rechten blieb abhängig vom Zivilstand der Frau. Das bedeutete auch, dass dem Mann weiterhin die zentrale integrierende Rolle in der Nation zukam. Die „ausländische“ Familie der mit einem Ausländer verheirateten Frau musste wie alle ausländischen Staatsangehörigen den Nachweis ihrer gelungenen Integration erbringen, bevor sie mittels Einbürgerung in die „imaginierte Gemeinschaft“ aufgenommen wurde. Mit Blick auf die Geschichte und die Praxis der Einreiseverweigerung gegenüber ehemaligen Schweizerinnen während und nach dem Zweiten Weltkrieg stellte das Optionsrecht materiell zwar eine bedeutende Verbesserung dar. Gleichzeitig wurde das ungleiche Geschlechterverhältnis diskursiv legitimiert und gesetzlich festgeschrieben.

Accesso al lavoro

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