Der Güterverkehr auf dem Rhein 1750 bis 1850

Cognome dell'autore
Erich
Weber
Tipo di ricerca
Tesi di laurea
Stato
abgeschlossen/terminé
Cognome del docente
Prof.
Christian
Pfister
Istituzione
Historisches Institut
Luogo
Bern
Anno
2001/2002
Abstract

Die Arbeit beschäftigt sich mit dem traditionalen Verkehrssystem Binnenschifffahrt auf dem Rhein im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert und mit dessen Umgestaltung durch die frühe Dampfschifffahrt. Der bisherige Forschungsstand ermöglicht keinen umfassenden Überblick über die Entwicklung des Güterverkehrs auf dem Rhein zwischen 1750 und 1850. Die ältere Forschung zum Thema beschränkt sich auf Aspekte der Organisation der Rheinschifffahrt. Den Historikern des frühen 20. Jahrhunderts war vor allem daran gelegen, aufzuzeigen, dass die Liberalisierung des Rheinverkehrs durch die beiden Rheinschifffahrtsakten von 1831 und 1868 den Aufschwung des im 18. und frühen 19. Jahrhundert angeblich ineffizienten, mit Zöllen schwer belasteten Güterverkehrs auf dem Rhein erst ermöglicht habe. Ab der Mitte der 1920er Jahre verlor die Forschung das Interesse am Güterverkehr auf dem Rhein fast völlig. Seither sind nur drei wissenschaftliche Arbeiten entstanden, die sich alle mit den auf dem Rhein umgeschlagenen Gütermengen beschäftigen. So wurden die Fragen nach der Beschaffenheit der Fahrstrasse Rhein, der Fahrdauer, dem Energieverbrauch, der Struktur der Transportkosten und den Auswirkungen von saisonalen Einflüssen wie Wasserstand und Eisgang bisher nicht gestellt. Mit Hilfe von Quellen aus der Stadtbibliothek und dem Stadtarchiv von Mainz ist es gelungen, diese Forschungslücken teilweise zu füllen:

 

Der erste Teil der Arbeit bietet einen umfassenden und detaillierten Überblick über die Fahrstrasse Rhein um 1816. Dabei wird deutlich, dass der traditionalen Schifffahrt und der frühen Dampfschifffahrt auf dem Rhein eine Vielzahl von natürlichen Hindernissen entgegenstanden. Effizienzsteigerungen, sei es durch den Bau von Leinpfaden oder durch Regulierungen des Flusses selber, stiessen in der Regel schnell an finanzielle und technische Grenzen. Ähnliches gilt für die Schifffahrtstechnik: Die technischen und energetischen Limiten der traditionalen Schifffahrt und der frühen Dampfschifffahrt setzten dem Transportsystem Rheinschifffahrt klare Grenzen. Dennoch konnte die traditionale Schifffahrtstechnik zwischen 1750 und 1850 markante Fortschritte verzeichnen. Die Ansicht der älteren Forschung, die traditionale Schifffahrtstechnik habe stagniert, muss daher genauso zurückgewiesen werden wie die Behauptung, die Segelschiffe seien bis 1850 von der Dampfschifffahrt verdrängt worden. Letztere These kann mit Hilfe einer Gegenüberstellung der Anteile der verschiedenen Schiffstypen am Güterverkehr auf dem Rhein klar widerlegt werden. Im umfangreichen Kapitel zur Organisation der Rheinschifffahrt werden die Resultate der älteren Forschung einer Prüfung unterzogen: Die natürlichen Hemmnisse in der Fahrstrasse und die energetischen Limiten scheinen den Güterverkehr auf dem Rhein bis in die 1840er Jahre weit mehr behindert zu haben als die in der Forschung stark überbewerteten Umschlagsrechte und Rheinzölle. Der grösste Nachteil des Umschlags- und Zollregimes scheint der Zeitverlust durch die vielen Aufenthalte gewesen zu sein. Auch waren die Zünfte des 18. Jahrhunderts bzw. die „associations de bateliers“ des frühen 19. Jahrhunderts weit anpassungsfähiger und leistungsfähiger als bisher angenommen. Das wird vor allem dann deutlich, wenn man die Untersuchung der Organisation der Rheinschifffahrt auf das bislang nicht beachtete Versicherungswesen und die Hafen- und die Transportorganisation ausdehnt: Als Beispiel sei auf das zwischen 1817 und 1840 systematisch ausgebaute, von den „associations de bateliers“ betriebene Rangfahrtensystem hingewiesen, dessen fahrplanmässige Güterverbindungen alle grösseren Rheinhäfen bedienten. Mit eigens entwickelten Liniengrafiken konnte dieses Rangfahrtensystem übersichtlich dargestellt und mit den ab den 1820er Jahren aufkommenden Dampferverbindungen in Beziehung gesetzt werden.

 

Der zweite Teil der Arbeit ist der quantitativen Analyse des Transportsystems gewidmet. Die vorhandenen Daten über die Transportmengen werden dabei erstmals mit detaillierten Angaben zur Transportdauer, den Energiekosten, den vollen Transportkosten und den Speditionskosten ergänzt. Anhand dieser Daten lässt sich eindrücklich belegen, dass die Transportdauer und damit die Energie- und Transportkosten zur Hauptsache von der Gunst des Windes und vom Wasserstand im Fluss bestimmt wurden. Die von den Historikern des frühen 20. Jahrhunderts vertretene Sicht, dass in erster Linie organisatorische Hemmnisse für die geringe Transportleistung der Rheinschifffahrt verantwortlich gewesen seien, darf damit als widerlegt gelten.

 

Einen dritten Schwerpunkt bildet die Beschäftigung mit der Saisonalität der Rheinschifffahrt: Anhand von täglich bzw. monatlich aufgezeichneten Daten zum Güterumschlag in den Häfen Mainz und Köln ist es gelungen, erstmals die saisonale Verteilung der Transporte zu erheben. Die neu gewonnenen Daten zur Fahrstrasse, zur Fahrdauer und zu den Transportkosten wurden in einem Modell mit den saisonalen Eis- und Pegeldaten des Standortes Köln in Beziehung gesetzt. Dieses Modell, das eigentliche Kernstück der Arbeit, deckt den Zeitraum von 1817 bis 1850 ab und ermöglicht es, vom jeweiligen Pegelstand auf den Zeitbedarf bzw. die entsprechenden Transportkosten für einen Bergtransport einer Ladung von 100 Tonnen von Köln nach Mainz an einem bestimmten Tag sowie auf die entsprechende maximale Tauchtiefe für grosse Handelsschiffe und die so genannten Holländerflösse rheinabwärts zu schliessen. Weiter lässt sich ablesen, wann Fahrzeuge dieser Kategorien wegen Eisgang, Hoch- bzw. Niederwasser ihre Fahrten unterbrechen mussten. Die nach günstigen und ungünstigen Jahren typisierten Resultate des Modells lassen sich mit den Jahresumsätzen im Kölner Hafen vergleichen: Obwohl die Agrarkonjunktur die Umsätze im Hafen Köln bis 1850

noch weitgehend bestimmte, ergibt sich eine relativ starke Korrelation zwischen den Jahresumsatzdaten im Hafen und den Daten des Modells.

 

Die Arbeit bietet – neben einem umfassenden Überblick über die Entwicklung der Güterschifffahrt auf dem Rhein zwischen 1750 und 1850 – mit dem Eis- und Wasserstandsmodell von Köln einen vielversprechenden Ansatz für weitergehende Forschungen. Diese müssten die täglichen Eis- und Pegeldaten eines Standorts mit den täglichen Daten des Güterumschlags seines Hafens und, was besonders ergiebig wäre, mit den täglich auf dem dortigen Markt erzielten Preisen in Beziehung setzen. Vorausgesetzt, dass die entsprechenden Daten tatsächlich greifbar wären, könnte der Einfluss der saisonalen Transportkosten der Binnenschifffahrt auf die Preisgestaltung der Verbrauchermärkte untersucht werden. Damit wäre ein wertvoller Beitrag zur Versorgungs- und Sozialgeschichte des 18. Und frühen 19. Jahrhunderts geleistet.

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