
Zeit spielt im Infomanagement vor allem im Konzept des Lebenszyklus von Akten eine entscheidende Rolle. Akten bzw. Unterlagen eignet eine eigene Lebenszeit: eine Akte wird angelegt, laufend bearbeitet, nach Abschluss des Geschäfts noch gelegentlich konsultiert bevor sie dann archiviert oder vernichtet wird. Akten haben mitunter eine Art Nachleben, wenn sie als Archivgut ganz neue Verwendungszwecke jenseits ihres ursprünglichen Verwendungszweckes und Entstehungskontextes erfahren oder diesen in komplett neuem Licht beleuchten. Akten eignet zugleich aber auch eine Vorzeitigkeit, wenn sie in Ordnungssystemen (früher Registraturplänen) nicht nur einen prägenden Informationskontext erhalten, sondern wenn sie darüber hinaus (als nicht oder archivwürdig) bewertet werden, bevor sie überhaupt entstanden sind. Über die Existenz(weise) von Unterlagen entscheiden Informationsmanager, bevor es Unterlagen überhaupt gibt. Informationsmanagement figuriert dann eine komplexe Zeitlichkeit, in der drei Zeitschichten miteinander interagieren: eine Lebenszeit der Akten, die durch ihren Stellenwert in einem Ordnungssystem präfiguriert ist, und ein Nachleben der Akten, dass weniger von der Lebenszeit der Akten, als vielmehr von einer Bewertung bestimmt ist, die der Existenz von Akten vorausgeht. Archivgut verkörpert dann eine veritable Ungleichzeitigkeit des Gleichzeitigen. Dieses komplexe Zeitsystem bewirkt zudem, dass die Aktenproduzierenden sich in ihrer Gegenwart immer auch schon in einer künftigen Vergangenheit sehen und somit potentiell alle Überreste zu Traditionsquellen werden.