Im Bereich der Wirtschaft kam die europäische Integration rasch voran, mit der aussenpolitischen Zusammenarbeit taten sich die Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft jedoch schwer. Zwei Projekte scheiterten: die Europäische Politische Gemeinschaft (EPG) in den 1950er Jahren und die Fouchet-Pläne anfangs der 1960er Jahre.
Die EPG war als politischer Überbau für die Europäische Verteidigungsgemeinschaft geplant, mittels derer die westeuropäischen Staaten in der Folge des Koreakrieges die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik Deutschland kontrollieren wollten. In der entspannteren Atmosphäre nach dem Tod Stalins schien ein weiterer Integrationsschritt, der von der Sowjetunion als Provokation gedeutet werden konnte, jedoch nicht opportun; das französische Parlament weigerte sich, die Verträge zu ratifizieren.
Die Fouchet-Pläne entstanden vor dem Hintergrund der Berlin-Krisen, als sich die EG- Mitgliedstaaten um eine geschlossenere Haltung gegenüber der Sowjetunion bemühten. Die Verhandlungen scheiterten jedoch an den unterschiedlichen Vorstellungen bezüglich der Rolle Europas: Frankreich unter de Gaulle forderte ein «Europa der Vaterländer» mit einer aussenpolitischen Zusammenarbeit auf intergouvernementaler Ebene, die die bestehende Gemeinschaft konkurrenziert hätte. Die Niederlande und Belgien hingegen traten für ein supranationales, atlantisch orientiertes Europa unter Beteiligung Grossbritanniens ein.
Erst 1970 gelang es den EG-Mitgliedstaaten mit der Europäischen Politischen Zusammenarbeit (EPZ), ihre Kooperation auch im Bereich der Aussenpolitik zu institutionalisieren. Die Entstehung der EPZ fiel in eine Phase der Entspannung zwischen Ost und West: Die USA wollten sich aus Vietnam zurückziehen und suchten dazu sowohl mit China als auch mit der Sowjetunion das Gespräch. Auf europäischer Ebene näherte sich Frankreich nach der Niederschlagung des Prager Frühlings wieder den USA an und gab seinen Widerstand gegen einen EG-Beitritt Grossbritanniens auf. Im Gegenzug einigten sich die übrigen Mitgliedstaaten auf eine definitive Lösung für die Finanzierung der gemeinschaftlichen Agrarpolitik. Das Ungleichgewicht zwischen wirtschaftlicher und politischer Macht der Gemeinschaft sowie die Aussicht auf bevorstehende Gespräche im Rahmen der KSZE beschleunigten eine Einigung. Die EPZ entwickelte sich zur Grundlage für die Gemeinsame Aussen- und Sicherheitspolitik (GASP), dem heutigen Forum zur Koordination der Aussenpolitiken der Mitgliedstaaten der Europäischen Union.
Vor diesem Hintergrund stehen zwei forschungsleitende Fragestellungen im Zentrum: Inwiefern können die drei Projekte EPG, Fouchet-Pläne und EPZ als Vorläuferinnen für die GASP gelten? Und weshalb ging die Integration in der Aussenpolitik so langsam vonstatten? Die Beantwortung dieser Fragen bedingt die Methode des historischen Vergleichs, der auf der Basis der Entstehungsgeschichte und der Vertragstexte der drei Projekte vorgenommen wird. Die zentralen Ergebnisse der Studie sind:
Sowohl die Fouchet-Pläne als auch die EPZ bilden Vorläuferorganisationen der GASP ñ nicht jedoch die EPG.
Von den Fouchet-Plänen über die EPZ bis zur GASP besteht eine annähernd kontinuierliche Entwicklung. Diese äussert sich in den vorgesehenen Organen, die sich nur in der Bezeichnung, nicht aber in der Funktion unterscheiden. Ausserdem sehen sowohl die Fouchet-Pläne als auch die EPZ zur Koordinierung der Aussenpolitiken der Mitgliedstaaten unverbindliche Konsultationen und gegenseitigen Informationsaustausch vor; Beschlüsse werden einstimmig gefasst.
Einzelne Aspekte der GASP finden sich nur in den Fouchet-Plänen, nicht jedoch in der EPZ. So umfassten bereits die Fouchet-Pläne eine Koordination im Bereich der Verteidigung und Beratungen von Wirtschaftsfragen. Ausserdem sahen sie auch Organe vor, die dem Europäischen Rat und dem «Mister GASP» entsprechen.
Die EPG hingegen stellt ein separates Projekt dar, das weder in den Fouchet-Plänen, noch in der EPZ oder der GASP nachhaltige Spuren hinterlassen hat. Das Scheitern der EPG hat die spätere Entwicklung höchstens in dem Masse beeinflusst, als nie ein zweiter Versuch unternommen wurde, «high politics» auf supranationaler Ebene zu regeln.
Für die zögerliche Integration im Bereich der Aussenpolitik lassen sich folgende Gründe anführen: Die nationale Aussenpolitik ist unmittelbar mit der Wahrung der Souveränität eines Staates verknüpft. Dieser besondere Aspekt der Aussenpolitik im Vergleich zu anderen Politikbereichen bringt es mit sich, dass die Staaten hier bei der Abtretung nationalstaatlicher Kompetenzen allgemein sehr zurückhaltend sind. Für die Art der Einigung wählen die beteiligten Staaten deshalb die intergouvernementale und nicht die supranationale Ebene.
Ausserdem darf die neue Vereinbarung bestehende Regelungen nicht in Frage stellen, wie dies – im Gegensatz zur EPZ – die Fouchet-Pläne in Bezug auf die Gemeinschaft taten.
Eine Einigung erfolgt schliesslich erst dann, wenn die betroffenen Staaten einerseits essentielle Gegensätze beseitigt haben, andererseits von aussen zu einem gemeinsamen Auftreten gedrängt werden: So führte der Beitritt Grossbritanniens zur Klärung des Verhältnisses der Gemeinschaft mit dem Atlantischen Bündnis. Das Abseitsstehen der USA und die entspanntere Atmosphäre auf internationaler Ebene vergrösserten den Handlungsspielraum der westeuropäischen Staaten. Dennoch bestand eine gewisse Erwartung und ein Druck, insbesondere im Hinblick auf die bevorstehenden Verhandlungen im Rahmen der KSZE, dem wirtschaftlichen Potential der Gemeinschaft auch politisches Gewicht zu verleihen.