Die augusteischen Säkularspiele

Cognome dell'autore
Bärbel
Schnegg
Tipo di ricerca
Dottorato
Stato
abgeschlossen/terminé
Cognome del docente
Prof.
Heinz
Herzig
Istituzione
Historisches Institut
Luogo
Bern
Anno
2000/2001
Abstract

Das Hauptanliegen der Arbeit ist eine neue Edition des inschriftlichen erhaltenen commentarium, das anlässlich der augusteischen Säkularspiele im Jahre 17 v. Chr. angefertigt wurde. Die Inschrift ist nur in fragmentarischem Zustand erhalten, neun Fragmente befinden sich im Museo Nazionale in Rom, zwei im Jahre 1984 neu aufgetauchte Fragmente lagern in den Uffizien in Florenz. Eine solche Neuedition war aus verschiedenen Gründen wünschenswert: Zum einen ist durch die 1984 aufgetauchten Fragmente in Zusammenstellung mit einem nur in einer Abschrift erhaltenen Fragment nun auch der obere Teil der Inschrift rekonstruierbar, zum anderen enthalten die bestehenden Editionen von Mommsen (1892) und Pighi (1941) zahlreiche Mängel. Diese beruhen in dem Bestreben der bisherigen Herausgeber, den fragmentarischen Text zu möglichst vollständigen, gut lesbaren Sätzen zu ergänzen. Die so entstandenen Ergänzungen zeugen von einem überholten Verständnis der römischen Religion als einer Staatsreligion, derer sich der augusteische Staat bediente, um seine Vorstellungen der res publica restituta zu demonstrieren und legitimieren. Die Inschrift wurde niemals als ein Zeugnis römischer Religion verstanden, sondern immer als Dokument des augusteischen Staates.

 

Der religiöse Aspekt der gewaltigen Feier von 17 v. Chr. war fast vollständig missachtet worden, auch die Einbindung der augusteischen Feier in eine Reihe bereits bestehender früherer Feiern war falsch eingeschätzt worden. Das Aufspüren der Macht der augusteischen Ideologisierung war der vorherrschende Tenor in allen Aussagen über die Säkularfeier des Jahres 17 v. Chr. Ziel dieser Neuedition war deswegen, die augusteische Säkularfeier vor dem Hintergrund der neuesten religionsgeschichtlichen Forschung zu interpretieren. Eine solche Neuinterpretation ergab sich durch das Ernstnehmen aller Quellen über die Säkularspiele, zumal die augusteischen ludi saeculares wie kein anderer religiöser Anlass in zahlreichen Zeugnissen überliefert sind. Zu diesen gehören die zahlreichen erhaltenen Münzen zur Säkularfeier von 17 v. Chr. Und der folgenden Säkularfeiern unter Domitian und Septimius Severus, daneben das vollständig erhaltene Orakel, welches die Säkularfeier anordnete, das carmen saeculare von Horaz, welches als Festgesang an der Feier aufgeführt wurde und die zweifache ‹berlieferung des Mythos, der der Säkularfeier zugeordnet wird. 

 

Für die textkritische Arbeit wurde folgendermassen vorgegangen: Der inschriftliche Text wird in der neuen Ausgabe zuerst in einer diplomatischen Abschrift des Textes vom Stein wiedergegeben. In einem Apparat werden die Lesartvarianten zu den bestehenden Editionen verzeichnet. Die diplomatische Abschrift kann mit den Photographien der Fragmente im Anhang der Arbeit verglichen werden. Die eigentliche editorische Leistung besteht in der Etablierung eines Lesetextes, der alle Abkürzungen auflöst und zahlreiche Ergänzungen vornimmt. Ergänzungen sind möglich, weil die Inschrift sehr systematisch aufgebaut ist und an zahlreichen Stellen Wiederholungen enthält. Ausserdem ist eine Inschrift der severischen Säkularspiele aus dem Jahre 204 n. Chr. Ebenfalls fragmentarisch erhalten, die ganz offensichtlich die augusteische Inschrift zum Vorbild hatte, weswegen sich zahlreiche Ergänzungen durch Analogien in der augusteischen und severischen Inschrift vornehmen lassen. Den Lesetext begleitet ein textkritischer Apparat, der sämtliche Ergänzungsvarianten aufnimmt. Ein solcher Apparat der Ergänzungsvarianten macht insbesondere die Rezeptionsgeschichte des inschriftlichen Textes nachvollziehbar. Eine ‹bersetzung und eine ‹bersicht über den Text der Inschrift, der immerhin etwas mehr als 200 Zeilen umfasst, dienen dem weiteren Verständnis.

 

Anschliessend an den Text wird in zwei gesonderten Kommentaren der inschriftliche Text erläutert. Der erste textkritische Kommentar liefert Begründungen, warum gewisse Ergänzungen gestrichen und andere vorgenommen wurden. Er soll die Textkonstitution nachvollziehbar machen. Ein zweiter fortlaufender Zeilenkommentar liefert Sacherklärungen zu den einzelnen Abschnitten der Inschrift und versucht die zahlreichen in der Inschrift überlieferten Rituale zu erläutern.

 

Anschliessend wird auf bestimmte Probleme eingegangen, die für die Interpretation der Säkularspiele wichtig sind, aber nicht in direktem Zusammenhang mit der Inschrift stehen. Dazu gehört eine Deutung des Orakels, das unter Augustus für die Säkularfeier eigens erstellt wurde; weiter eine Untersuchung über alle überlieferten Säkularfeiern, eine Etablierung der unterschiedlichen Säkularreihen und eine Einordnung der unter Augustus etablierten Reihe in diese Tradition. Besonderes Interesse verdient die Behandlung der Topographie der Säkularspiele, da in den letzten Jahren Grabungen im oberen Tiberknie, dem traditionellen Austragungsort der Säkularspiele, neue Erkenntnisse über die Beschaffenheit dieses Ortes brachten. Es zeigte sich, dass die in den Quellen und in der Inschrift überlieferten Ortswechsel während der dreitägigen Feier von grosser Bedeutung für die Einbeziehung grosser Bevölkerungsteile war. Die komplizierte Choreographie der Feier berücksichtigt die unter Augustus neu oder wieder erbauten Zentren der römischen Religion auf dem Kapitol, dem Palatin und dem äusseren Marsfeld.

 

Die Berücksichtigung des Mythos erweitert das Verständnis bestimmter Rituale, die bisher nicht als ritueller Teil der Säkularspiele verstanden wurden ñ zum Beispiel die Notwendigkeit einer ‹berlieferung durch inschriftliche Aufzeichnung. Eine Neuinterpretation des nur von späteren Autoren (Zosimus und Valerius Maximus) überlieferten Mythos, sowie ein Vergleich der beiden Versionen des Mythos führten zu einer neuen Einschätzung dieser bisher als Ñsentimentale Geschichteì (Latte) gewerteten Texte. Der Ursprungsmythos der ludi saeculares ist trotz seiner unklaren ‹berlieferungssituation nicht als augusteische Erfindung zu werten. Verschiedene Elemente im Mythos weisen auf Riten der Feier hin. Obwohl die Inschrift und das Orakel mit keiner Silbe auf den Mythos eingehen, hat er an der Feier selbst eine Rolle gespielt, die allerdings nicht in die direkte ‹berlieferung eingegangen ist. Die Bedeutung des Mythos wird durch den Ort der Feier, der mit dem Ort des Mythos übereinstimmt, am deutlichsten. Aber auch die ungewöhnliche Zeit nächtlicher Riten, die auffällige Beteiligung von Valeriern im Kollegium der Quindecimviri schaffen Beziehungen zum Mythos.

 

Eine weitere wichtige neue Erkenntnis ergab die Analyse der Beteiligung von Matronen an der Säkularfeier. Die augusteischen Säkularspiele waren so angelegt, dass die wichtige Rolle der Frauen für die Umsetzung der augusteischen Gesellschaftspolitik allgemein sichtbar gemacht wurde. Die Teilnahme der Matronen an den Riten war nämlich nach Gesichtspunkten angeordnet, die exakt den Intentionen der augusteischen Ehegesetze entsprechen. Dies wird durch die unterschiedliche Bezeichnung für die Matronen in der Inschrift erkennbar. Die Supplikation und die Sellisternia der Matronen schliessen regelmässig die von Männern zelebrierten Rituale ab, wodurch den von Frauen ausgeübten Ritualen zwar eine sekundäre Rolle zugewiesen wird, andererseits aber repräsentieren die Frauen im Supplikationsgebet die gesamte res publica, ein in der römischen Religionsgeschichte einmaliger Akt.

 

Die Untersuchung aller Quellen zu den augusteischen ludi saeculares ermöglicht ein neues Verständnis dieser für die augusteische Zeit einmaligen religiösen Feier. Die ludi saeculares präsentieren sich als ein durchaus ernst zu nehmender religiöser Anlass, der sich der Tradition früherer Feiern in vielfältiger Weise verpflichtet fühlte, aber auch Neues geschaffen hat, um den gesellschaftlichen Veränderungen in einer immer komplexer werdenden Gesellschaft Rechnung zu tragen. Die augusteische Säkularfeier als ein korrekt ausgeübter Akt römischer Religion erweist sich vor diesem Hintergrund als eines der Elemente zur Sicherung einer Gesellschaft, die nach zahlreichen Umbrüchen stabilisiert werden sollte und deren Fortbestand in die Zukunft auch mit Hilfe der Religion gesichert werden sollte.

 

Die Dissertation ist erschienen in: Archiv für Religionsgeschichte 4 (2002)

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