"«Si cela devait continuer, il serait préférable de faire la paix»: Die Bombardements von Dünkirchen und Paris während des Ersten Weltkrieges unter besonderer Berück­sichtigung der Moral der Zivilbevölkerung

Cognome dell'autore
David
Hager
Tipo di ricerca
Tesi di master
Stato
abgeschlossen/terminé
Cognome del docente
PD Dr. phil
Daniel Marc
Segesser
Istituzione
Historisches Institut
Luogo
Bern
Anno
2017/2018
Abstract
Die in Reichweite von Luftfahrzeugen und Fernkampfgeschützen lebenden Zivilpersonen und Behörden waren aufgrund der gegen sie gerichteten Bombardements während des Ersten Weltkrieges zahlreichen neuen Herausforderungen ausgesetzt. Ein Ziel solcher Angriffe bestand in der Schwächung und schliesslich Zerstörung der Moral der gegnerischen Zivilbevölkerung und damit einhergehend in der Absicht, dem Feind die Weiterführung des Krieges zu verunmöglichen. Schon nach ersten Angriffen mit meist bloss wenigen Opfern wurden in den bombardierten Städten Verdunklungsordnungen erlassen und deren Einhaltung polizeilich durchgesetzt, Verteidigungsstellungen, Maschinengewehre und Scheinwerfer installiert sowie Unterstände für die gleichermassen schutzbedürftige und schutzfordernde Bevölkerung errichtet. Die Behörden sahen sich dabei einerseits genötigt, die Menschen auf die strikte Einhaltung der Schutzvorschriften hinzuweisen, und mussten andererseits das eigene Handeln vor ebendieser als den Umständen angemessen rechtfertigen. Die vorliegende Masterarbeit untersucht in Anlehnung an Christian Geinitz’ Konzept einer „dezentrale[n] Annäherung“ an einen „begrenzten geographischen Raum“ die Fallbeispiele Dünkirchen und Paris, welche zu den in Frankreich am heftigsten bombardierten Städten gehörten und entsprechend viele Opfer (je über zivile 500 Tote und 1’000 Verletzte) zu beklagen hatten. Hierbei werden gemäss Geinitz „übergeordnete Fragestellungen auf die regionale oder lokale Ebene“ gehoben, die „umgebenden gesamtgesellschaftlichen Strukturen“ aber ebenso berücksichtigt. Da die bestehende Forschung den Bombardements während des Ersten Weltkrieges gerade hinsichtlich der Situation in Frankreich bislang nicht die ihnen gebührende Beachtung schenkte, keine umfassende Moraldefinition lieferte und sich auf einfache Grundnarrative zur Erklärung des „Misserfolges“ der Bombardierungen gegnerischer Städte während des Ersten Weltkrieges beschränkte, fragt die Arbeit hauptsächlich nach den moralischen Folgen solcher Angriffe für die Bevölkerung in bestimmten Zeitperioden sowie nach den von örtlichen Behörden ergriffenen Massnahmen zum Schutz ebendieser. Durch die Auswertung von Polizeiberichten, Präfektenrapporten, Rapporten von Unterpräfekten und Bürgermeistern sowie im Fallbeispiel Paris Beobachtungen von für die Überwachung der Zivilbevölkerung zuständigen Polizeieinheiten und Tagebuchaufzeichnungen, stellt die Arbeit den oftmals vereinfachenden Aussagen in der Forschung eine detailliertere und differenziertere Betrachtung entgegen. Die Ergebnisse der Arbeit zeigen, dass es sowohl in Dünkirchen als auch in Paris Phasen eines Absinkens der Moral gab, die direkt mit den Bombardierungen in Verbindung gebracht werden können. Nachdem schwere Bombardierungen Dünkirchen bereits im Frühjahr 1915 vor eine harte Prüfung gestellt hatten, folgte im Herbst/ Winter 1917 eine veritable Moralkrise. Wiederholte Luftangriffe mit grosser Intensität, weitläufige Zerstörungen in der Stadt, hohe Opferzahlen durch den Einsturz von Häusern und Kellern sowie die Beeinträchtigung des Wirtschaftslebens liessen die Moral der Bevölkerung im Oktober 1917 so tief sinken, dass die örtlichen Behörden besorgt waren, es könne zu Ausbruch eines Aufstandes kommen. Verschiedene Appelle an den damaligen Ministerpräsidenten Paul Painlevé, worin die Mandatsträger in Dünkirchen energisch einen besseren Schutz forderten und mit ihrem Rücktritt drohten, zeugen von der grossen Unruhe in der Stadt. Gleichzeitig zeigt dies auch die Notwendigkeit für die Behörden, die eigene Zivilbevölkerung in ihre Abwehrplanungen miteinzubeziehen und sie durch Massnahmen wie Beleuchtungsvorschriften oder der Erstellung von Schutzräumen vor den Folgen solcher Angriffe bestmöglich zu bewahren. Abgesehen von Einzelereignissen hatte Paris bis zum Frühjahr 1918 keine schweren Bombardements zu erleiden. Ausgelöst durch deutsche Flugzeugangriffe Anfang März 1918 und der Beschiessung mit Fernkampfgeschützen ab dem 23. März desselben Jahres liess sich zu jener Zeit jedoch ein erhebliches Absinken der Moral beobachten. Verschiedene Personen äusserten sich dahingehend, dass der Krieg unter solchen Umständen sofort und auch um den Preis einer Niederlage beendet werden sollte. Etwa eine halbe Million Menschen verliessen die Stadt und Ereignisse wie die Massenpanik vor einer Metrostation mit rund 70 Toten oder der durch den Einschlag eines Geschosses verursachte (teilweise) Einsturz der Kirche St. Gervais mit etwa 90 Toten sorgten für Wut und Empörung. Ungeachtet ähnlich hoher Opferzahlen und der einleitend erwähnten Gemeinsamkeiten hinsichtlich der ergriffenen Abwehrmassnahmen war der moralische Effekt der Bombardierungen in Paris weniger gravierend als in Dünkirchen. Die Gründe dafür müssen vor allem im viel weniger direkten Erfahren der Bombardements in der Hauptstadt gesucht werden: In Paris erlebte der Grossteil der Menschen einen Bombeneinschlag samt seinen akustischen und visuellen Folgen nie oder nur allerhöchst selten aus unmittelbarer Nähe. Das viel kleinere Dünkirchen hatte viel mehr Angriffe zu erdulden und den Bewohnerinnen und Bewohnern wurden durch die Explosionsgeräusche, die Zerstörungen sowie die Einstürze von als sicher geltenden Schutzräumen die Schrecken intensiver und wiederkehrender Bombardierungen vor Augen geführt. Deutlich wurde aber auch, dass diese nur einen Aspekt des Gesamtkonstruktes Moral ausmachten und wie eng ein in den Quellen nachweisbares Absinken der Moral an wiederkehrende und intensive Bombardements gekoppelt blieb. Längere Zeitperioden ohne Angriffe oder positive Nachrichten von der Front vermochten die Effekte der Bombardierungen zu überlagern und den Durchhaltewillen der Bevölkerung wieder zu stärken.

Accesso al lavoro

Biblioteca

I lavori accademici sono depositati nella biblioteca dell'università competente. Cerca l'opera nel catalogo collettivo delle biblioteche svizzere