Zwischen Kolonialkrieg und Totalem Krieg Ueber den Charakter des Suedafrikanischen Krieges 1899-1902

AutorIn Name
Martin
Kaufmann
Art der Arbeit
Lizentiatsarbeit
Stand
abgeschlossen/terminé
DozentIn Name
Prof.
Stig
Förster
Institution
Historisches Institut
Ort
Bern
Jahr
1997/1998
Abstract

Der Südafrikanische Krieg - geläufiger ist im deutschen Sprachraum der Begriff Burenkrieg - wird in der Historiographie meist als Kolonialkrieg bezeichnet. Dieses Etikett erhielt er, weil eine europäische Macht in Übersee einen Krieg gegen einen lokalen Widersacher führte. Das gilt als allgemeinste Definition eines Kolonialkrieges. Mit dem Begriff „Kolonialkrieg" scheint der Charakter des Krieges nicht erschöpfend beschrieben, denn in der Historiographie finden sich weitere Bezeichnungen wie ,,moderner Krieg", ,,grosser Krieg" und sogar „totaler Krieg".

 

Im Rahmen meiner Lizentiatsarbeit versuche ich den Krieg nach systematischen Gesichtspunkten zu analysieren und einzuordnen, was in der Historiographie noch weitgehend fehlt. Als Grundlage für die Analyse dient die Darstellung zweier unterschiedlicher Konzepte, das des Kolonialkrieges und das des totalen Krieges. In der Arbeit werden insbesondere folgende Fragenkomplexe betrachtet: Ist der Südafrikanische Krieg ein Kolonialkrieg gewesen, wie er typischerweise im 19. Jahrhundert stattgefunden hat? Was spricht dafür, was dagegen? Weist er Merkmale von Kolonialkriegen des 20. Jahrhunderts auf? Oder handelt es sich um einen modernen Krieg im Sinne des Totalisierungskonzepts? Das heisst, gibt es in diesem Krieg Anzeichen einer Totalisierung namentlich in bezug auf Kriegsziele und Kriegführung der involvierten Parteien, die Mobilisierung ihrer jeweiligen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Ressourcen sowie das Denken der militärischen und politischen Entscheidungsträger? Falls es sie gibt, können sie in Verbindung mit ähnlichen Tendenzen in anderen Kriegen gebracht werden? In der Arbeit wird in erster Linie die neueste Literatur ausgewertet, weil es nur wenig Quellenmaterial zum Krieg gibt, das veröffentlicht ist.

 

Die Arbeit behandelt der Reihe nach die in den Krieg involvierten Parteien, die Briten, die Buren und die schwarzen Gesellschaften. Dabei kommen die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse in den verschiedenen Gesellschaften zur Sprache und wie sie den Charakter des Krieges geprägt haben.

 

Als wichtigste Ergebnisse der Arbeit können festgehalten werden:

Als Teil der europäischen Expansion in Afrika und als Versuch, den britischen Einfluss in diesem Expansionsprozess auszubauen und zu konsolidieren, kann der Südafrikanische Krieg als sicher Koloni-

 

al- oder lmperialkrieg betrachtet werden. Er bedeutete für das britische Empire jedoch einen Bruch mit der Tradition der zahlreichen Kolonialkriege, die mit relativ bescheidenen Ressourcen gewonnen werden konnten. Was von den Politikern und Militärs als kleiner Kolonialkrieg gedacht worden war, entwickelte sich zu einem in manchen Aspekten modernen Grosskrieg. Dies zeigt sich einmal im Einsatz von finanziellen, wirtschaftlichen und menschlichen Ressourcen wie ihn Grossbritannien seit den Napoleonischen Kriegen nicht mehr gekannt hatte. Weiter spielte die burische Zivilbevölkerung für die britischen Militärs im laufe des Krieges eine immer wichtigere Rolle in der Gesamtstrategie des Krieges. Der massive Truppeneinsatz wirkte auf die englische Gesellschaft zurück. Der Krieg appellierte an den Nationalstolz und zumindest während der ersten Hälfte des Jahres 1900 wurde er zu einer nationalen Angelegenheit, zum dominierenden Thema in der Öffentlichkeit. Auch auf dem Schlachtfeld zeigten sich moderne Tendenzen. Die weit auseinanderliegenden Kriegsschauplätze und die Feuerkraft der Kleinkalibergewehre, die von den Buren zum ersten Mal in grossem Stil eingesetzt wurden, wiesen auf eine neue Qualität des Krieges hin, die sich dann in den Weltkriegen im 20. Jahrhundert erst richtig manifestierte. Technologie und Feuerkraft wurden wichtiger als der individuell handelnde Soldat.

 

Anders als viele indigene Völker im Kampf gegen britische Truppen besassen die Buren entsprechende finanzielle und technologische Mittel, um den Briten erstaunlich lange standzuhalten. Obwohl die burische Gesellschaft noch zum grössten Teil eine Agrargesellschaft war, lieferte ihr die Industrialisierung die finanziellen Mittel für den Widerstand. Die burischen Staatsstellen versuchten die Burenrepubliken nach den Konzepten von Jan Smuts umfassend für den Krieg gegen Grossbritannien zu mobilisieren. Von der Idee her und in Ansätzen auch in der Praxis nahmen die burischen Massnahmen die noch viel umfassendere staatliche Mobilisierung in den Weltkriegen des 20. Jahrhunderts voraus.

 

Der Südafrikanische Krieg gibt natürlich kein einheitliches Bild ab. Neben modernen Tendenzen gab es in diesem Krieg auch Althergebrachtes und typische Elemente von Kolonialkriegen. So trug etwa der bürgerkriegsähnliche Konflikt zwischen Buren und zahlreichen schwarzen Gesellschaften, der gegen Ende des Krieges aufbrach und zur burischen Niederlage nicht unwesentlich beitrug, koloniale Züge.

 

Insgesamt gesehen ist die Bezeichnung des Südafrikanischen Krieges als Kolonialkrieg im klassischen Sinne wenig charakteristisch. Er sollte als moderner Krieg bezeichnet werden, der bezüglich der britischen Kriegsziele und Kriegführung gegen die Zivilbevölkerung totale Tendenzen aufwies.

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