Frauen gelten in der Entwicklungszusammenarbeit seit einigen Jahren als zentrale Akteurinnen von "Entwicklung". Das war nicht immer so. Noch in den 1970er Jahren wurde diese sozusagen von Mann zu Mann vermittelt. Wie ging dieser Wandel vonstatten? Die Studie zeichnet nach, wie sich auf der Mikroebene – in einem TrinkwasserRegieprojekt, das HELVETAS für die DEZA in Moçambique ausführte – die Konzeptualisierung der Frauen im Laufe der Jahre wandelt. Dazu dienten folgende Leitfragen als Orientierung: wie werden Frauen dargestellt, welche Rollen werden ihnen zugeordnet und wie und in welchem Kontext verändert sich beides?
Bei den der Forschung zugrundeliegenden Quellen handelt es sich um Projektdokumente, die, in Form und Qualität sehr unterschiedlich, im Laufe von beinahe 20 Jahren entstanden. Die grundlegende Optik, die sich durch diese Quellenauswahl ergibt, nimmt die schreibenden Projektangestellten zum Ausgangspunkt. Sie erscheinen als die Akteure der hier untersuchten Konzeptualisierung. Es ist ihre Realität, ihre Wahrnehmung, ihre Einschätzung und Beurteilung, ihre Sicht der Dinge, die durch die Notizen, Berichte, Anträge hindurch zum Vorschein kommt und den langsamen Wandel dabei offenlegen. Und es sind ihre Konzepte, die in der Projektpraxis ihre grösstmögliche Definitionsmacht entfalten. Die Arbeit beschränkt sich auf diese direkt projektrelevante Optik, ohne beispielsweise den internationalen Diskurs mit zu berücksichtigen, der namentlich durch die Frauenbewegung lanciert worden war.
Ein Durchkämmen der Projektdokumente nach Frauen (Begriffe, Erwähnungen, Bilder) brachte fünf Hauptkategorien zum Vorschein: 1. Einheimische Kaderfrauen, 2. Ländliche Frauen, 3. Ausländische Expertinnen, 4. Partnerinnen des (ausländischen) Projektpersonals und 5. Einheimische Arbeiterinnen. Chronologisch geordnet und analysiert werden diese Gruppen dann zueinander und zu projektgeschichtlichen Aspekten in Beziehung gesetzt. Dabei zeigte sich die Bedeutung der sich wandelnden Projektkonzepte für die hier behandelte Fragestellung.
Generell lässt sich festhalten, dass sich die Frauenkonzepte der Entwicklungsfachleute stark an einem traditionellen schweizerischen Frauenbild orientierten, das sie auch auf die Situation im fremden Kontext projizierten.
Die einheimischen Kaderfrauen bleiben im Vergleich zu den anderen Kategorien in den Dokumenten seltsam blass. Vereinzelt stossen sie bei den ausländischen Projektverantwortlichen, für die Frauen in derart einflussreichen Positionen kaum vorstellbar waren, einfach auf Unverständnis.
Interessanterweise erscheint die grösste Kategorie, diejenige der ländlichen Frauen als so genannte Hauptnutzniesserinnen des Projekts, erst etwa drei Jahre nach Projektbeginn (1979) vereinzelt in den Quellen: Als das Problem des Brunnenunterhalts ins Blickfeld gerät, kommt ihnen im Projekt erstmals eine gesellschaftlich relevante Funktion zu. Ausbildung, bisher für einheimische Männer ein Potential für persön- liche materielle Besserstellung, wird nun, wo Frauen einbezogen werden, meist `Erziehung` genannt und ist auf kollektive gesellschaftliche Verbesserungen ausgerichtet.
Der sich in den 1990er Jahren vollziehende Übergang von der Angebots- zur Nachfragepolitik geht einher mit einem Diskurs- und Praxiswandel, der ein neues Verständnis von staatlichen Aufgaben im Sinne hat und damit auch eine neue Rolle für die so genannte Zielbevölkerung vorsieht. Ungefragt von Nutznies serInnen zu KonsumentInnen avanciert, erfährt diese eine neue Wertschätzung – und sieht sich mit ebenso neuen Erwartungen konfrontiert. Um «Nachhaltigkeit» zu erreichen, werden Frauen nun vermehrt als zentrale Ressource in der Projektarbeit entdeckt. Die Konzeptualisierung dieser Gruppe erfährt denn auch bei weitem den stärksten Wandel.
Die Kategorie der ausländischen Expertinnen steht hauptsächlich im Zusammenhang mit Stellenausschreibungen und Rekrutierungen. Dabei tritt das Rollenverständnis der Projektverantwortlichen besonders deutlich zutage. Die Ernennung einer gendersensibilisierten Programmverantwortlichen in der DEZA erfolgte 1991 und war von den Projektmitarbeitern in der Zentrale und «im Feld» unbeeinflussbar. Erst 1994 – alle weiblichen Bewerbungen waren bisher gescheitert – wird im Projekt die erste ausländische Expertin im sozialen Bereich angestellt. Damit erscheint diese Kategorie Frauen zusehends als Akteurinnen.
Ähnlich verhält es sich mit der Kategorie der Begleiterinnen der ausländischen Experten. Zwar treten sie in den Dokumenten über ihre Fürsorgetätigkeit in Erscheinung. Doch es ist die einzige Gruppe, die in den Projektdokumenten selber zu ihrem Status Stellung nimmt: In Rundbriefen kritisieren sie ihre Anhängselsituation und fordern Unterstützung bei der Jobsuche sowie soziale und ökonomische Anerkennung ihrer Leistungen.
Die Darstellungen der einheimischen Arbeiterinnen, vorwiegend Animatorinnen zur gesellschaftlichen Unterstützung des Brunnenbauprogramms, erfahren nach der Pilotphase und der Ablösung des verantwortlichen Experten durch eine Expertin einen markanten Wandel, der von einer gewissen Aufwertung zeugt.
Quer durch alle Kategorien hindurch werden Frauen vor allem soziale oder Hilfstätigkeiten zugeschrieben, welche meist in Funktion einer übergeordneten Aufgabe konzipiert worden waren. Der Einbezug der sozialen Dimension im Projekt förderte allgemein den Einbezug von Frauen (ländliche Frauen, Arbeiterinnen, Expertinnen, auch die Begleiterinnen erhalten eine neue Stellung).
Dem traditionellen Frauenbild der ProjektExperten entsprach die Auxiliarfunktion, welche der sozialen für die Verbesserung der technischen Dimension zukam, vorzüglich. Die erwähnten Zuordnungen wurden auch nicht durchbrochen, als die (bau-)technische Vorherrschaft zuerst durch die Stärkung einer betriebswirtschaftlichen Komponente ergänzt und schliesslich durch die Doppelstrategie – Institution-Building – Dorfbeteiligungì abgelöst wurde. Wie zuvor der technische bleibt der betriebswirtschaftliche und später der institutionelle Sektor in Männerhand, während auf dem (komplementär konzipierten) Gebiet der Animation oder der «Dorfbeteiligung» allmählich Stellen mit Frauen besetzt werden. Wie die Strukturierung des geschlechtsspezifischen Einbezugs der Bevölkerung durch das traditionelle Rollenbild der ausländischen Projektangestellten verlief, wird anhand der Geschichte des Trinkwasserprojekts in Moçambique deutlich. Zu untersuchen bleibt hingegen, ob und wie sich diese Strukturierung auf die soziale Position der einheimischen Frauen in dieser vorwiegend matrizentrierten Region auswirkt. Nicht schlüssig beantworten lässt sich ferner die Frage, ob eine verbesserte Trinkwasserversorgung, ob die Mitsprache der Dorfbewohnerinnen bei der Standortbestimmung der Brunnen, ihre Befähigung zu deren Unterhalt und zur Organisation im Wasserkomitee die praktischen oder gar die strategischen Gender-Needs (Moser) dieser Frauen berücksichtigen, oder ob sie dadurch vor allem Mehrbelastung und Kontrolle ausgesetzt sind, ohne dass eine (relative) gesellschaftliche Besserstellung damit einhergeht.