Art der Arbeit
Masterarbeit
Stand
abgeschlossen/terminé
DozentIn Name
Prof. em.
Thomas
Späth
Institution
Historisches Institut
Ort
Bern
Jahr
2021/2022
Abstract
Die vorliegende Masterarbeit untersucht You- Tube-Videos mit historischen Inhalten, die den Spartacusaufstand 73 – 71 v. Chr. thematisieren, mit dem Ziel, unter rezeptionsgeschichtlichen Gesichtspunkten ein Antikebild aus den Videoquellen herauszuarbeiten, und dieses mit den Geschichtsdarstellungen aus gängigen wissenschaftlichen Handbüchern und Lexika zu vergleichen. So lassen sich Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen den digitalen Darstellungen auf YouTube und den textuellen der wissenschaftlichen Nachschlagewerke herauskristallisieren.
Da es nur wenige geschichtswissenschaftliche Forschungsarbeiten zur Schnittstelle von YouTube und Geschichte gibt, erstellte der Autor ein Analyseraster, das sich thematisch an bereits bestehenden rezeptionsgeschichtlichen Arbeiten orientierte, die sich mit dem Thema „Spartacus“ in anderen Massenmedien, vor allem dem Film, beschäftigt haben. Im begrenzten Rahmen der Masterarbeit wurde das Antikebild anhand der Kriterien „Sklaverei“, „Heldentum“ und „Fremdheit“ untersucht.
Das Quellenkorpus umfasst insgesamt 11 Videos, die alle über 1000 und bis zu 3800000 Mal aufgerufen und auf Deutsch oder Englisch veröffentlicht worden sind. Diese Videos wurden in ein primäres und ein sekundäres Quellenkorpus eingeteilt. Dabei bildeten die drei Videos des primären Quellenkorpusʼ, die mit Abstand am häufigsten angeschaut worden sind, den eigentlichen Untersuchungsgegenstand, während die Videos des Sekundärkorpusʼ vor allem zu Vergleichszwecken herangezogen wurden.
Im Ergebnis konnte festgestellt werden, dass die Plattform YouTube eine extreme Varietät an Antikeund Geschichtsbildern vorweist, daher sind Generalisierungen, vor allem in Anbetracht der wenigen Quellen, die im Rahmen einer solchen Arbeit untersucht werden können, mit Vorsicht zu geniessen. Innerhalb der untersuchten Quellenkorpora haben sich jedoch einige Konstanten herauskristallisiert: Erstens wird die antike Sklaverei konzeptionell kaum von der (früh)neuzeitlichen Institution unterschieden, dabei wird aufklärerisches Gedankengut wie das Prinzip, dass jedes In- dividuum ein Recht auf Freiheit habe, in der Regel in die Antike hineinprojiziert. Oftmals erscheinen die Römer dabei als die bösen Sklavenhalter und die Sklaven als unterdrückte homogene Schicht.
Zweitens wird Spartacus, im Gegensatz zur Antike, in der er per se nicht als positives exemplum gelten konnte, als Held, also als vorbildhafter Charakter, wahrgenommen. Wie der „Held“ Spartacus verstanden wird und wofür er steht, gestaltet sich aber sehr unterschiedlich: Spartacus kann ein Held für die Freiheit und die Unterdrückten sein, aber auch einfach ein pragmatisch agierender General. Zuweilen wird er auch einfach als literarische Konstruktion sichtbar gemacht, die nur anhand der Darstellungen von Appian und Plutarch Konturen gewinnt. Spartacus ist aber stets positiv konnotiert und im Gegensatz zu den antiken Quellen, die sich vor allem mit Crassus und Pompeius beschäftigen, immer der Mittelpunkt der Geschehnisse. Dass Spartacus aber erst seit der frühen Neuzeit als positive Figur verstanden wurde (als Plutarchs Doppelbiographien auf Englisch, Spanisch, Französisch und Deutsch übersetzt wurden), wird jedoch nicht in Betracht gezogen.
Drittens wird die Antike grundsätzlich nicht als etwas Fremdes wahrgenommen. Es gibt zwar Ansätze wie das Verwenden von lateinischen Termini (ludus, lanista etc.) oder das Aufgreifen antiker Kunst, um die Antike als fremd erscheinen zu lassen, aber die Versuche bleiben rudimentär. Der
Gesamteindruck, den die Videoquellen abgeben, ist, dass die Antike als etwas durchaus Verständliches wahrgenommen wird.
Ein weiteres Teilergebnis der Analyse war, dass YouTube-Videos sich visuell und inhaltlich gerne an Computerspielen, Kinofilmen, TV- Serien, E-Books und anderen digitalen Medien orientieren. Somit entsteht das digitale Antikebild auf YouTube innerhalb einer anderen intertextuellen Umgebung als textuelle Darstellungen in wissenschaftlichen Nachschlagewerken.
In einem letzten Schritt wurden die Resultate der Quellenanalyse mit Geschichtsdarstellungen aus wissenschaftlichen Nachschlagewerken verglichen. Dabei zeigte sich, dass gängige Nachschlagewerke wie das Lexikon der Alten Welt, The Cambridge Ancient History, das Handbuch der klassischen Altertumswissenschaften, die Encyclopedia of the Ancient World oder The Oxford Classical Dictionary Antikebilder ausgestalten, die jenen der YouTube-Videos durchaus ähnlich sind. Die Freiheitsnarrative, die positiven Beschreibungen oder gar Heroisierungen von Spartacus (die immer eine spezifische Quellenauswahl bedingen) und die positivistische Darstellung des Spartacusaufstandes (trotz der widersprüchlichen und dünnen Quellenlage) sind Kernbestandteil von vielen wissenschaftlichen Nachschlagewerken; eine klare Ausnahme bildete innerhalb der untersuchten Nachschlagewerke nur der Neue Pauly