Vom "totalen Krieg" zur "deutschen Gotterkenntnis". Die Weltanschauung Erich Ludendorffs

AutorIn Name
Andreas
Schwab
Art der Arbeit
Lizentiatsarbeit
Stand
abgeschlossen/terminé
DozentIn Name
Prof.
Stig
Förster
Institution
Historisches Institut
Ort
Bern
Jahr
1997/1998
Abstract

Erich Ludendorff hat in der deutschen Geschichte bis 1918 eine oft beschriebene wichtige Rolle für sich beansprucht. Vor dem Ersten Weltkrieg war er an zentraler Stelle im Generalstab massgeblich an der Organisation des deutschen Angriffs beteiligt. Im Weltkrieg bildete er ab 1916 gemeinsam mit Hindenburg die 3. Oberste Heeresleitung, die aber die Niederlage nicht abwenden konnte. Nach dem Krieg beteiligte sich Erich Ludendorff am Hitler-Putsch von 1923. Er entfaltete eine aktive publizistische Tätigkeit, deren Erzeugnisse ich als Quellenbasis benützt habe. Besonders durch den Einfluss seiner zweiten Frau Mathilde kam Erich Ludendorff mit esoterischem Gedankengut in Kontakt. Ab 1925 bis zu seinem Tod 1937 trat Erich Ludendorff nur noch als Führer des „Tannenberg-Bundes" öffentlich politisch in Erscheinung.

 

Ich habe mir zur Aufgabe meiner Lizentiatsarbeit gemacht, die Weltanschauung Erich Ludendorffs zu untersuchen. Sie hat sich organisch aus seinen Erfahrungen im Weltkrieg entwickelt. Da er persönlich oft für die Niederlage verantwortlich gemacht wurde, entwickelte sich Ludendorff zu einem der heftigsten Vertreter der Dolchstosslegende. Rund um sich sieht er nur Feinde, wie die „überstaatlichen Mächte", ein Oberbegriff für alle dem „Deutschtum" negativ gegenüberstehenden Einflüsse, die in ihrer dämonischen Macht nicht zu fassen sind. Eine „geheime jüdische Weltleitung" in Kooperation mit den Freimaurerlogen und den Jesuiten hat sich zum Ziel gesetzt, eine Weltrepublik zu errichten und das nationalistische Deutschland zu zerstören. Er fühlt sich paranoisch umzingelt von feindlichen Mächten, die sich darum bemühen, jede „freiheitliche" Bewegung in Deutschland zu zerstören.

 

Die lizentiatsarbeit habe ich in vier Hauptkapitel gegliedert. Im ersten Teil umreisse ich die Einstellung Erich Ludendorffs zum Kampf, worauf seine Weltanschauung zu weiten Teilen beruht. Der Kampf ist für ihn ein unabänderliches Naturgesetz. Keine noch so ausgeklügelte Friedensordnung könne bestehen gegen diese Tatsache des Lebens. Der Kampf, der auf persönlicher Ebene besteht, setze sich in grösserem Ausmass ebenfalls unter Nationalstaaten durch. Die Staaten, die sich prinzipiell antagonistisch gegenüberstünden, hätten sich im ewigen Kampf zu bewähren, weil sie sonst untergingen. Es gehe um alles oder nichts, um die Existenz überhaupt. Ludendorff kommt zu einer glatten Umkehrung von Clausewitz, indem er den Krieg als „äussere Politik mit anderen Mitteln" bezeichnet und fortfährt: ,,Im übrigen hat die Gesamtpolitik dem Kriege zu dienen."

 

Die ganze Politik gerät in die Abhängigkeit des Krieges, wodurch nur folgerichtig ist, dass sie einzig unter das Fachwissen der Militärs gestellt wird. Wenn die Führungsspitze der Armee die gesamte Innenpolitik leitet, wird die Gesellschaft am besten für den kommenden Krieg vorbereitet. Ein Diktator, der gleichzeitig Militär und Politik kontrolliert, ist deshalb für Ludendorff die effizienteste Lösung, sich dem Existenzkampf zu stellen. Um den "totalen Krieg" zu überstehen, muss im Volk die „seelische Geschlossenheit'' gewährleistet sein. Die soldatischen Tugenden Gehorsamkeit, Treue und Opfersinn sollen dem ganzen Volk vermittelt werden. Dies bedingt eine Erziehung, die Wert legt auf eine seelische Stärkung und eine weltanschauliche Aufklärung des einzelnen, einen „vaterländischen Unterricht'', den Ludendorff bereits im Weltkrieg für die Soldaten gefordert hatte. Die weltanschauliche Aufklärung soll aber für die gesamte Gesellschaft gelten und nicht auf das Militär beschränkt bleiben. Diese Beziehungen zwischen Militär und Volk habe ich im zweiten Kapitel untersucht.

 

Im dritten Kapitel gehe ich Erich auf Ludendorff als Religionskämpfer und strikten Gegner des Christentums ein. Er ist der Meinung, dass die Ideen des Christentums sich in einer Zeit überlebt hätten, wo jeder Staat sich gegen andere durchzusetzen habe. Die gewaltlosen Ideale der Bergpredigt hätten zu einer Verweichlichung geführt, die nicht zum deutschen Volk passe. Die "artfremde Lehre", die aus der jüdischen Tradition komme, sei vollständig abzulehnen. Der deutsche Rassegedanke sei mit dem Christentum nicht länger zu vereinbaren. Das deutsche Volk habe sich wieder auf seine eigentlichen Wurzeln zu besinnen, welche am besten in der Ludendorffschen "deutschen Gotterkenntnis" erfüllt seien. Seine „deutsche Gotterkenntnis", die er anstelle des Christentums einführen möchte, sakralisiert den unausweichlichen Kampf und hat ansonsten keinen religiösen Inhalt.

 

Die geschichtlichen Wurzeln des Ludendorffschen Denkens behandle ich im vierten Kapitel. Ich stelle den Sozialdarwinismus, die Zivilisationskritik und die Suche einer idealen Gesellschaft in ihren historischen Bezügen dar und weise nach, dass ähnliche Strömungen auf einer langen Tradition beruhen und dass mithin Ludendorff nicht als blosser Einzelfall gelten kann.

 

Dieses Konglomerat von rassistischen Ideen weist Erich Ludendorff als einen der prononciertesten Vertreter des rechtsradikalen Bewegung nach dem Ersten Weltkrieg aus. Obwohl er sich ab 1923 von Hitler endgültig getrennt hat, haben die beiden Weltanschauungen viele Übereinstimmungen. Die oftmals wirren Gedankengänge einfach als „Spintisierereien" eines alternden Generals abzutun, greift gerade unter dem Blickwinkel der Parallele des Nationalsozialismus zu kurz.

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