Art der Arbeit
Masterarbeit
Stand
abgeschlossen/terminé
DozentIn Name
Prof.
Christian
Rohr
Institution
Historisches Institut
Ort
Bern
Jahr
2016/2017
Abstract
Im Februar 2017 durfte sich St. Moritz zum wiederholten Mal Austragungsort eines Grossanlasses (Olympische Spiele, Weltmeisterschaften) im Alpinen Skisport nennen und konnte damit eine Tradition weiterführen. Das Wort „Tradition“ trifft für den Kurort im Engadin aber nicht nur für Spitzensportanlässe zu, sondern für den Wintersport allgemein. Dieser wurde im Verlauf des 19. Jahrhunderts in vielfältiger Weise erfunden, etabliert und weiterentwickelt und konnte sich gerade im Graubünden, Wallis und Berner Oberland weit verbreiten.
Die Masterarbeit widmet sich dem Thema Wintersport und versucht, dieses aus einer tourismusoder mediengeschichtlichen Perspektive anzugehen. Wie es der Titel der Arbeit bereits nahelegt, liegen der Arbeit Plakate als wichtigste Quelle zugrunde, die in einem seriell-ikonografischen Verfahren analysiert, verglichen und historisch eingebettet werden. Die serielle Ikonografie kombiniert dabei die v.a. in der Kunstgeschichte angewandte Methode der Bildbeschreibung und interpretation mit dem in der Geschichtswissenschaft verbreiteten Anspruch, Bilder nicht als einzelne Kunstwerke sondern als Dokumente im historischen Diskurs zu betrachten. Die Plakate werden somit in eine Reihe gestellt, die die Herausarbeitung von Entwicklungen und Tendenzen, aber auch Diskontinuitäten und Differenzen innerhalb des gewählten Korpus erlauben.
In der Arbeit werden mittels dieser Methode Prof. Dr. Christian Rohr knapp 150 Plakate der Orte St. Moritz, Zermatt und Gstaad aus den 1920er bis 1980er Jahren analysiert und verglichen. Die Auswahl der Orte und der Zeitspanne erfolgte dabei unter dem Anspruch der Autorin, weniger den Anfängen des Wintersports als eher dem Aufstieg dessen zum Breitensport und Massenphänomen nachzugehen. Die Bildbeschreibung und -interpretation erfolgte in einem ersten Schritt innerhalb der jeweiligen Orte und wird erst in einem zweiten Schritt auf die vergleichende Stufe gehoben. Während also die Auswahl der Orte und Zeitspanne weitgehend aus einer tourismusgeschichtlichen Perspektive betrachtet werden muss, spielt die mediengeschichtliche Komponente bei der eigentlichen Analyse eine entscheidende Rolle. Plakate werden gemeinhin als „Spiegel der Gesellschaft“ bezeichnet, indem sie konzentriert auf ein Bild abzubilden versuchen, was eine Gesellschaft beschäftigt. Touristikplakate als eine Gattung der Plakate müssen darüber hinaus aber auch als „Kind des Reisezeitalters“ betrachtet werden, wodurch sie einerseits die Gesellschaft reflektieren, andererseits aber auch als Teil der Tourismusgeschichte zu bewerten sind. Als solche können sie Aufschluss darüber geben, wer wann wo wie von Tourismusorten angesprochen und beworben werden sollte.
Die Plakatanalyse zeigt, dass etwa in den 1930er und wieder ab den 1970er Jahren verbreitet Frauen als Werbegesichter eingesetzt wurden, während Kinder und kindliche Motive erst in den 1950er Jahren auftauchten, wogegen männliche Werbegesichter über die gesamte Zeitspanne deutlich seltener zum Einsatz kamen. Gleichzeitig lässt sich bereits für die erste Dekade, stärker aber ab den 1950er Jahren, die Inszenierung von Bergbahnen als mögliche Werbestrategie erkennen, jedoch v.a. dann, wenn, wie in Gstaad, landschaftliche Merkmale fehlten und Menschen als Werbeträger wenig Tradition hatten. Das Thema der Tradition scheint allgemein in der Wintersport-Plakatwerbung eine wichtige Rolle zu spielen. Darauf deuten v.a. die Plakate von St. Moritz hin: nicht nur, indem die Plakate von St. Moritz das weitaus grösste Quellenkorpus bilden, was auf ein verbreitetes Traditionsbewusstsein schliessen lässt, sondern auch, dass der Gründungsmythos des Wintersports in diesen Plakaten immer wieder aufgenommen und betont wird. Weniger mit einem Mythos als eher mit einem Identitätsmerkmal der höchsten Klasse hat man es schliesslich in den Plakaten Zermatts zu tun, nämlich dem Matterhorn. Dieses überragt seit den 1960er Jahren sämtliche Plakate des Ortes und hat damit menschliche und technische Werbeträger ganz oder zumindest teilweise verdrängt.
In der Plakatanalyse der Wintersport-Werbeplakate können damit mehrere Entwicklungen, Tendenzen und Differenzen aufgezeigt
und vergleichend interpretiert werden. Eine Tatsache hat sich aber bis heute nicht verändert und verbindet damit die Plakate vom Anfang des 20. Jahrhunderts mit jenen der Alpinen Ski-Weltmeisterschaften im Februar 2017: Die Darstellung von Sonne, Bergen und Schnee war, ist und bleibt auf Wintersport-Werbeplakaten verschiedener Orte zu unterschiedlichen Zeiten zentral.