Sones Tschinggeli hätti jetzt au gärn! Anwerbepraktiken für weibliche ausländische Arbeitskräfte nach dem Zweiten Weltkrieg (1945 – 1964)

AutorIn Name
Eveline
Schönberg
Art der Arbeit
Masterarbeit
Stand
abgeschlossen/terminé
DozentIn Name
Prof.
Kristina
Schulz
Institution
Histoire contemporaine
Ort
Neuchâtel
Jahr
2017/2018
Abstract
Die Autorin untersucht in ihrer Masterarbeit die von Schweizer Akteuren praktizierte Anwerbung von weiblichen ausländischen Arbeitskräften im Zeitraum zwischen 1945 und 1964. Eruiert wurde, warum nach dem Zweiten Weltkrieg ein Mangel an weiblichen Arbeitskräften bestand, welche Branchen davon besonders betroffen waren und welche Argumentationslinien für deren (Nicht-)Rekrutierung von Gesellschaft und Politik aufgeführt wurden. Anhand der Hausdienst-Branche zeigt die Autorin auf, dass sowohl private Akteure – d. h. Arbeitgeberverbände, gemeinnützige Organisationen sowie Arbeitgebende – als auch die Schweizer Behörden massgeblich an der Anwerbung bzw. Rekrutierung beteiligt waren. Durch die Anwerbeaktion des Migros-Genossenschafts- Bundes wird exemplarisch aufgezeigt, wie die Anwerbung und Vermittlung von ausländischen Hausangestellten für Schweizer Haushalte ablief und welche Akteure massgeblich beteiligt waren. Ebenfalls von Interesse war dabei das in allen Rekrutierungspraktiken inhärente Bild der „idealen ausländischen Arbeiterin“. Dieses Bild war sowohl von migrationspolitischen, aber auch gesellschaftlichen Vorstellungen geprägt und damit ein Abbild des Diskurses über die weibliche ausländische Erwerbstätigkeit in der Schweiz. Als Quellenkorpus dienten zum einen die im Schweizerischen Bundesarchiv vorzufindenden Bestände der an der Anwerbung beteiligten Schweizer Behörden, wozu insbesondere das Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit (BIGA), die eidgenössische Fremdenpolizei sowie das eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement und das eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement gehörten. Zum anderen boten insbesondere die Quellen zur Trentiner-Aktion, welche sich im MGB-Archiv in Zürich befinden, Einblick in die privaten Anwerbe- und Vermittlungspraktiken. Ebenfalls analysiert wurde die Rolle des gemeinnützigen Vereins der Freundinnen Junger Mädchen, welcher vom BIGA bereits 1946 mit der Vermittlung ausländischer Dienstmädchen beauftragt wurde. Die Quellen des Dachverbandes sind im Gosteli-Archiv in Worblaufen einzusehen. Die Nachkriegszeit war geprägt durch die wirtschaftliche Nachfrage nach Arbeitskräften sowie der gesellschaftlichen Angst vor einer „Überfremdung“ durch die ausländischen Arbeitnehmenden. Insbesondere deutsche Hausangestellte wurden verdächtigt, ihre Rolle als erzieherische Instanz auszunutzen, um die Familie – Keimzelle des Staates – mit fremdem Gedankengut zu infiltrieren. Obwohl die Nachfrage nach deutschen Dienstmädchen trotz gewisser Vorbehalte auch nach dem Zweiten Weltkrieg nach wie vor gross war, konnte diese aufgrund der alliierten Ausreisesperren vorerst nicht gedeckt werden. Deshalb richtete sich das Augenmerk der Arbeitgebenden schon bald auf Italien, wo die Regierung keine Vorbehalte gegen die temporäre Abwanderung von Arbeitskräften hatte. Die Anwerbung der Arbeitskräfte wurde meist von privaten Akteuren übernommen, wobei häufig der wohltätige Aspekt der Aktion hervorgehoben wurde, um die Widerstände in der Gesellschaft zu mindern. Auch Gottlieb Duttweiler, Initiant der Trentiner-Aktion, betonte, mit der Rekrutierung von Dienstmädchen nicht nur den Migros-Genossenschafter-Familien einen Dienst zu leisten, sondern auch die Region im Südtirol entlasten zu wollen. Die idealen Arbeiterinnen, so zeigte sich in den Rekrutierungsverfahren, waren jung, belastbar, gesund, von ländlicher Herkunft, politisch unauffällig, ledig und kinderlos. Bis zum Abkommen mit Italien von 1948 wurden verheiratete Frauen von der Anwerbung ausgeschlossen, weil ein „schleichender Familiennachzug“ und damit die Verwässerung des praktizierten Rotationsprinzips befürchtet wurde. Die Behörden Italiens wie auch der Schweiz waren daran interessiert, Einfluss auf die soziale Zusammensetzung der Migrierenden zu nehmen. Ab 1946 verbot die italienische Regierung deshalb die private Rekrutierung von italienischen Arbeitskräften. Verhandlungen zwischen der Schweiz und Italien brachten schliesslich ein Anwerbeabkommen hervor, welches im Juli 1948 in Kraft trat und die Rekrutierung in geordnete Bahnen lenken sollte. Die soziale Zusammensetzung der angeworbenen Arbeiterinnen veränderte sich ab diesem Zeitpunkt dahingehend, dass nun auch italienische Staatsangehörige mit bereits in der Schweiz tätigen Familienmitgliedern eine Arbeits- bzw. Aufenthaltsbewilligung erhalten konnten. Nach wie vor sollte jedoch verhindert werden, dass das Rotationsprinzip und damit das flexible Einsetzen der Arbeitskräfte aufgeweicht würde. Zwar bestand das Idealbild der ausländischen Arbeiterin auch während der 1950er und 1960er Jahre formell weiter, jedoch wurde in den Folgejahren die Rekrutierungspraxis der gestiegenen Nachfrage nach weiblichen Arbeitskräften angepasst. Frauen wurden nun auch angeworben, wenn sie bereits verheiratet waren oder Kinder hatten.

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