Sex Wars. Feminismus und Pornographie in der Deutschschweiz (1975-1992)

AutorIn Name
Leena
Schmitter
Art der Arbeit
Lizentiatsarbeit
Stand
abgeschlossen/terminé
DozentIn Name
Prof.
Brigitte
Studer
Institution
Historisches Institut
Ort
Bern
Jahr
2008/2009
Abstract


1984 schrieb eine Gruppe autonomer Frauen aus Zürich folgendes über Pornographie: „Porno ist die patriarchale Darstellung der männlichen und der weiblichen Sexualität, sie legt bildlich fest, wie die Sexualität einer richtigen Frau zu sein hat. [...] Porno hämmert dem Mann ein, dass die Frau sein Objekt ist, zu seiner Verfügung steht, hämmert der Frau ein, dass ihre grösste Lust in ihrer Verfügbarkeit zu sein hat.“ Diese Definition von Pornographie wurde bis anfangs der 1990er Jahre von anderen Feministinnen in der Deutschschweiz kaum bestritten – und wurde auch vorher, ab Mitte der 1970er Jahre, nicht in Frage gestellt. Und trotz dieser Einigkeit wurde Pornographie als ein gesellschaftspolitisches, linkes und feministisches Thema insbesondere 1983/1984 und 1988/89 diskutiert. Zu Beginn der 1980er stand die Revision des Schweizerischen Strafgesetzbuchs auf der politischen Agenda, die auch den Tatbestand der Pornographie neu regeln sollte. Einige Feministinnen der Frauenbefreiungsbewegung (FBB) deuteten den damals vorgelegten Entwurf als „Kriegserklärung“ an Frauen und starteten eine „Gegenoffensive“. Was mit dieser militärisch anmutenden Bezeichnung umschrieben wurde und wie sich die feministische Auseinandersetzung mit Pornographie äusserte, war Gegenstand der Untersuchung. In der Arbeit wurde auf die feministischen Deutungsmuster der Pornographie fokussiert und die forschungsleitenden Fragestellungen waren u.a. die folgenden: Welches waren die gesellschaftspolitischen Auslöser, die dazu führten, dass Feministinnen sich des Themas Pornographie annahmen? Wie wurde Pornographie von den Feministinnen gedeutet und was waren konkrete Handlungsstrategien, Pornographie zu thematisieren? Sind unter Feministinnen unterschiedliche Deutungsmuster der Pornographie auszumachen und wie verhielten sich feministische Verständnisse über Pornographie zu jenem der Männer in der Neuen Linken? Die Arbeit hat gezeigt, dass Pornographie ab Mitte der 1970er Jahre ein Thema war, über das in feministischen Kreisen der Deutschschweiz gesprochen wurde. Damals wurde Pornographie allerdings erst stellenweise innerhalb grundlegender Sexualitätsund Körperlichkeitsdiskurse diskutiert. Die Pornographie-Diskussion unter Deutschschweizer Feministinnen erreichte 1983/1984 – ausgelöst durch die Revision des Sexualstrafrechtes – ihren Höhepunkt. Dabei wurde kritisiert, dass in der Pornographie, die Teil einer Industrie sei, Macht und Gewalt dargestellt werde, wobei suggeriert werde, Frauen wünschten, unterdrückt zu werden. Sie reproduziere, indem sie reale Geschlechterverhältnisse überspitzt darstelle, ungleiche Beziehungen zwischen den Geschlechtern. Ausserdem werde Sexualität in der Pornographie zu einem konsumierbaren Gut, dem jegliche Erotik abgesprochen werde. Während dieses Höhepunkts der innerfeministischen Pornographie-Diskussion wurde Pornographie auch in der so genannten Prüderieund Puritanismusdebatte 1983/1984 zwischen Männern und Frauen der Neuen Linken – insbesondere in der POCH (Progressive Organisationen Schweiz) – verhandelt. Während in der POCH Männer den Frauen „Prüderie“ vorwarfen, vertraten Frauen die Position, Männer seien lediglich an ihrer eigenen Lust interessiert und unterstützten deswegen die weniger restriktive Handhabe von Pornographie. Nachdem im Anschluss daran das Thema unter den Feministinnen etwas abflaute, flammte die Diskussion innerund ausserhalb feministischer Kreise im Rahmen der deutschen PorNO-Kampagne 1988 wieder auf. Obwohl sich die Deutschschweizer Feministinnen von dieser Kampagne distanzierten, wurde in der Linken im Allgemeinen und unter Feministinnen im Besonderen ein Gesetz gegen Pornographie diskutiert. Allmählich machte sich allerdings ein Überdruss mit dem Thema Pornographie in der Linken breit. In dieser letzten Phase nahmen sich die Feministinnen auf eine neue Art dieses Themas an und begannen, sich Pornographie selber anzueignen, indem sie versuchten, nicht-sexistische Pornographie selber herzustellen.

Pornographie war für die untersuchten Feministinnen ein Mittel, um die gesellschaftlichen Geschlechterverhältnisse in einem kapitalistischen System zu thematisieren. Sie war für diese Frauen also keine Fiktion im engeren Sinn, sondern ein einseitiges Abbild der gesellschaftlichen Realität. Ausserdem besitze Pornographie einen suggestiven und somit hervorbringenden Aspekt, weil sie zur Reproduktion und Zementierung ungleicher Geschlechterverhältnisse führe. Pornographie wurde insbesondere gegen Ende der 1980er Jahre aber auch als etwas Dynamisches verstanden. Feministinnen verstanden Pornographie nicht grundsätzlich schlecht, sondern auch als eine Form der Darstellung, die geformt und angeeignet werden kann. Diese „Aneignung“ bezeichnet den Versuch der Aufhebung hegemonialer Sexualitätsdiskurse und rekurrierte auf vieldeutige Lesarten von Pornographie. „Sex Wars“ umschreibt für die Schweiz also zwei Dinge: Einerseits die grundlegende Diskussionen über Sexualität, Körperlichkeit und Geschlechterverhältnisse in feministischen Gruppierungen. Andererseits bezeichnet der Begriff für die Schweiz die Diskussion über die Deutungsmacht von Pornographie zwischen Männern und Frauen.

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