Schule als Teil der Lebenswelt. Einfl ussfaktoren und Entwicklung von Fricktaler und Unteraargauer Schulen des ausgehenden 18. Jahrhunderts im Vergleich

AutorIn Name
David
Pfammatter
Art der Arbeit
Masterarbeit
Stand
abgeschlossen/terminé
DozentIn Name
Prof.
Heinrich R.
Schmidt
Institution
Historisches Institut
Ort
Bern
Jahr
2010/2011
Abstract
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit den lebensweltlichen Einflüssen auf die Entwicklung des Schulsystems in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Dabei stehen die Niederen Schulen des noch habsburgischen Fricktals und des bernischen Unteraargaus im Zentrum. Die Aufschlüsselung der politischen, ökonomischen wie auch der konfessionellen Gegebenheiten vor der Helvetischen Revolution macht einen ersten Schwerpunkt der Arbeit aus. Auf dieser Grundlage werden die Niederen Schulen der beiden Regionen im Mächteverhältnis der Trias Obrigkeit-Kirche-lokale Potentaten betrachtet und einander gegenübergestellt. Der Vergleich der Schulen in den beiden Regionen erfolgt sowohl auf normativer Ebene wie auch anhand des konkreten Unterrichts. Schliesslich werden die wichtigsten staatspolitischen, konfessionellen, ökonomischen und marktstrategischen Faktoren der Schulentwicklung herausgearbeitet. Noch ohne Schulobligatorium, ohne Lehrerausbildungsstätten und mit grossen Freiheiten in der Unterrichtsgestaltung wurden die Schulen im Fricktal und im Unteraargau meist nur im Winter abgehalten. Die Gegenüberstellung der Schulsituation der beiden heutigen aargauischen Kantonsteile hat allerdings eine asymmetrische und systemeigene Schulentwicklung zu Tage gefördert. Die jeweiligen lebensweltlichen Voraussetzungen haben die regionale und lokale Organisation von Schule geprägt und deren Entwicklung wesentlich gesteuert. Ausserdem konnte festgestellt werden, dass die Einführung des Normalschulsystems im Fricktal um 1774 einen Schulstandard herbeigeführt hatte, den der Unteraargau erst im Verlauf des 19. Jahrhunderts erreichen sollte. Die Gegenüberstellung der Unteraargauer Schulen hat gezeigt, dass die lebensweltlichen Systemvoraussetzungen dort – ähnlich wie im Fricktal vor 1774 – viel breiter wirksam waren. Bestimmte nach der Einführung des Normalschulwesens im Fricktal primär die Zentralregierung und damit ein staatspolitischer Faktor den Schulalltag, so kann für das Schulwesen vor 1774 im Fricktal und jenes von 1799 im Unteraargau eine vielfältigere Palette von Einflussgrössen festgemacht werden. Da beispielsweise der Rechenunterricht bei Weitem nicht in allen Schulen eingeführt gewesen ist, stellt sich die Frage, welche Faktoren einen solchen begünstigt haben. Die Untersuchung hat eine Konzentration von Schulen mit Rechenunterricht im Unteraargau ergeben. Auf der Suche nach möglichen Ursachen hat sich herausgestellt, dass Heimund Fabrikarbeit einen unmittelbaren Einfluss auf die Installation des lokalen Schulwesens gehabt haben. Mit Sicherheit haben sich die Integration der Kinder in die Textilproduktion und der andere Arbeitsrhythmus auf den Schulbesuch und die Jahresschuldauer ausgewirkt. Letztlich war es das Textilwesen, welches die Marktsituation im Unteraargau verändert und offenbar die Einrichtung von guten, will heissen, von Schulen mit besonderen Qualifikationsmöglichkeiten erfordert hat. Die ökonomischen und marktstrategischen Faktoren führten dazu, dass in den Schulen des protoindustrialisierten Unteraargaus vermehrt gerechnet wurde. Mit den staatspolitischen, konfessionellen, ökonomischen und marktstrategischen Charakteristika des Fricktals und des Unteraargaus sind vier wesentliche lebensweltliche Faktoren der Schulentwicklung aufgelistet worden. Gleichzeitig konnte damit die These vom Bildungsvorsprung des Protestantismus falsifiziert und damit gezeigt werden, dass diese so nicht haltbar ist und auch viel zu undifferenziert, weil sie die nichtkonfessionellen Faktoren nicht einbezieht. Allerdings sollte nicht der Eindruck entstehen, dass es sich bei den obigen Parametern um eine abgeschlossene Liste handelt. Um die gesamte Palette der Einflussgrössen eruieren zu können, wäre eine vollumfängliche Beschreibung der lebensweltlichen Strukturen notwendig. Weitere Faktoren wie die soziale Lage, die Bevölkerungsentwicklung oder Umwelteinflüsse müssten untersucht werden. Letzten Endes sollte bedacht werden, dass der Schulmeister sowohl im Fricktal vor 1774 und im Unteraargau um 1799 als auch im Fricktal nach 1774 – wenn auch mit anderen Vorzeichen – die zentrale Figur gewesen ist. Die konkrete Unterrichtsgestaltung hing letztlich trotz aller normativen Vorgaben von seinen Fähigkeiten, seinem Wissensstand und seinen persönlichen Ansichten ab. Daher sollte bei jeder Beurteilung der Schulentwicklung berücksichtigt werden, dass am Ursprung nicht zwingend ein lokaler oder sogar überregional wirksamer ökonomischer oder staatspolitischer Faktor gestanden haben muss, sondern dass es sich unter Umständen schlicht um die individuelle Ausgestaltung der Schule durch den Schulmeister gehandelt haben könnte. Eine zumindest teilweise Publikation der Resultate dieser Arbeit ist geplant.

Zugang zur Arbeit

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