Art der Arbeit
Masterarbeit
Stand
abgeschlossen/terminé
DozentIn Name
Prof.
Christian
Rohr
Institution
Historisches Institut
Ort
Bern
Jahr
2017/2018
Abstract
Lawinen haben seit Jahrhunderten das Leben in hochalpinen Regionen geprägt. Der Kanton Wallis gehört dabei zu den am meisten betroffenen Gebieten der Schweiz und allgemein. Isabel Furrer setzt sich daher zur Aufgabe, eine Geschichte der Walliser Schadenslawinen für den Zeitraum zwischen 1500 und 1900 zusammenzustellen. Der Untersuchungsraum dieser Arbeit beschränkt sich auf sechs Gebiete im Oberwallis: Goms, Leukerbad, Simplongebiet, Lötschen-, Saas- und Mattertal. In diesem Zusammenhang stehen im Besonderen der Mensch und dessen Handeln in Bezug auf die Schadenslawinen im Fokus. Die Verbindung zwischen Mensch und Lawine wird auf einer sozialen und kulturellen Ebene untersucht. Auf der Basis dieser sozial- und kulturgeschichtlichen Herangehensweise, in die zudem die Umweltgeschichte hineinspielt, wird unter anderem nach der Wahrnehmung und der Deutung von Lawinen durch den Menschen gefragt. Von Interesse sind zudem die Suche nach den Verschütteten bzw. deren Rettung. Mit diesem Aspekt gehen die Aufräumarbeiten und der Wiederaufbau einher. Bei den beiden zuletzt genannten Punkten spielt die Nachbarschaftshilfe eine grosse Rolle. In welchem Ausmass diese stattfand, versucht die Arbeit ebenfalls zu rekonstruieren. Ein besonderes Augenmerk liegt auf der Frage, wie sich die Menschen vor den Lawinen zu schützen versuchten. Dabei liegt der Fokus auf den Präventionsmassnahmen, die ergriffen wurden. Schliesslich geht die Autorin für das gesamte untersuchte Gebiet der Frage nach, ob im Umgang mit der Lawinengefahr in den ausgewählten Untersuchungsregionen im Oberwallis Unterschied zu erkennen sind oder ob ein einheitliches Bild bezüglich des Umgangs mit den Schadenslawinen gezeichnet werden kann.
Die zur Beantwortung der Fragen herangezogenen Quellen sind von unterschiedlichster Art. Besonders ergiebig für die Arbeit sind die Abschriften der Riedmattenchronik, der Roth-Chronik, der Chronik des Thales Saas, der Michel Chronik und der Binntal-Chronik, weiter Briefe, amtliche Schatzungen der durch die Lawine verursachten Schäden, Sterberegister, Waldreglemente, zeitnahe Literatur zu Lawinen, zu Schutzbauten bzw. zu den beim Bund eingereichten Präventionsprojekten. Die genannten Quellen werden mit einer historisch-hermeneutischen Methode quellenkritisch auf deren Zuverlässigkeit untersucht. Die Analyse umfasst Fragen nach der Echtheit bzw. Zuverlässigkeit, dem Zustand, der Beschaffenheit, dem Autor und dem Adressaten; inhaltlich wird auf folgende Gesichtspunkte hin fokussiert: Ort, Datum, Abbruchgebiet, betroffene Gebiete, Opfer unter Menschen und Tieren, Sachschäden, Wahrnehmung, Deutung, Suche, Rettung, Nachbarschaftshilfe, Wohltätigkeit anderer, Präventionsmassnahmen.
Wahrnehmungen und Deutungen sind, sofern in den Quellen erwähnt, alle religiöser Natur, da in dieser Zeit der katholische Glaube einer der wichtigsten Bestandteile im Leben der Oberwalliser war. Die gedeuteten Lawinenniedergänge wurden alle in Verbindung mit Gott gebracht.
Signifikante regionale Abweichungen lassen sich für die sechs Regionen Goms, Simplon, Leukerbad, Lötschen-, Saas- und Mattertal nicht erkennen. Dies gilt zunächst für die Suche nach Verschütteten. Das Vorgehen bei der Rettung wird in mehreren Quellen genau beschrieben – allerorts wurde mit einem Stock, der immer wieder in die Schneemassen gestossen wurde, nach Vermissten gesucht. Die Nachbarschaftshilfe im Zuge der untersuchten Lawinenunglücke sah ebenfalls in allen Regionen ähnlich aus. Oft taten sich grosse Gruppen von Männern zusammen, um nach den Verschütteten zu suchen oder um bei Wiederaufbau zu helfen. Die betroffenen Gemeinden wurden mit Geld und Naturalien, die durch organisierte Spendenaktionen gesammelt wurden, unterstützt. Die Hilfe kam nicht nur von den Oberwalliser Nachbargemeinden, sondern auch aus dem Unterwallis und weiter entfernten Gegenden in der Schweiz. Finanziell unter die Arme gegriffen wurde den von Lawinen bedrohten Gemeinden auch vom Bund. Die von den Oberwalliser Gemeinden eingereichten und in dieser Arbeit untersuchten Präventionsprojekte sahen meist eine Verbauung und eine Aufforstung vor. Verbauungen fanden ihren Platz unter, innerhalb oder ob dem Wald. Je nach Lage wurden bestimmte Schutzbauten erbaut. Alle hier untersuchten Projekte planten eine Verbau durch Mauern, Pfahlwerke und Terrassen und eine Aufforstung durch Lärchen, Fichten und Arven. Die eingereichten Projekte wurden vom Bundesrat genehmigt und mit Fördergeldern unterstützt. Die Frage, ob markante Unterschiede zum Unterwallis und anderen, von Lawinen bedrohten Gebieten der Schweiz bezüglich des Umgangs mit der Bedrohung bestehen, hätte freilich den Rahmen dieser Arbeit gesprengt und kann somit nicht beantwortet werden.