Rollenspiele. Geschlechterstrukturen in drei Spielfilmen der Groupe 5

AutorIn Name
Beatrice
Stierli
Art der Arbeit
Lizentiatsarbeit
Stand
abgeschlossen/terminé
DozentIn Name
Prof.
Brigitte
Studer
Institution
Historisches Institut
Ort
Bern
Jahr
2008/2009
Abstract

Mitte der 1960er-Jahre befand sich die Schweizer Filmlandschaft im Umbruch. Eine neue Generation von Filmschaffenden gewann in den späten 1960er-Jahren an Einfluss und fand schliesslich in den frühen 190er-Jahren unter dem Label „neuer Schweizer Film“ auch international Beachtung. In der Romandie entwickelte sich eine Spielfilmpraxis, welche die internationale Aufmerksamkeit auf sich zog. Der 1968 gegründeten Groupe 5 kommt dabei eine wesentliche Bedeutung zu. Die Zusammenarbeit der Groupe 5 mit der Télévision Suisse Romande (TSR) ermöglichte den Cineasten Claude Goretta, Michel Soutter und Alain Tanner nicht nur eigene Spielfilme zu drehen, sondern sich auch als Autoren zu positionieren. Mit dem Zusammenschluss in der Groupe 5 war es Goretta, Soutter und Tanner möglich, als Produzenten ihrer eigenen Filme aufzutreten. Durch diese Kontrolle der finanziellen Mittel konnten die drei Genfer Regisseure ihre künstlerische Position sichern. Die drei Autorenfilmer verstanden den Film als Mittel der subjektiven Analyse der gesellschaftlichen Wirklichkeit. Um ihre Zeitgenossen und Zeitgenossinnen mit der Realität zu konfrontieren, wählten sie den Weg der Fiktion.

 

Die Lizentiatsarbeit untersucht die geschlechtsspezifischen Rollenbilder und die damit verbundenen Machstrukturen in den Spielfilmen von Goretta, Soutter und Tanner anfangs der 190er-Jahre. Thema sind die Vorstellungen und Visionen von der Liebe, der Sexualität und des zwischenmenschlichen Zusammenlebens der drei Autorenfilmer, die in den Filmen zum Ausdruck kommen. Ziel der Lizentiatsarbeit ist es nicht, die historische Abbildungstreue zu untersuchen. Der Film soll nicht als Sekundärquelle behandelt werden. Die Lizentiatsarbeit sieht den Film als historische Quelle, die danach befragt wird, wie die geschlechtsspezifischen Rollenbilder in den Filmen La Salamandre, Les Arpenteurs und L’Invitation konstruiert werden. Die Filmanalyse ist Gegenstand des letzten, vierten Kapitels. Im zweiten Kapitel wird der Werdegang der drei Cineasten Goretta, Soutter und Tanner im Kontext der neuen europäischen cineastischen Bewegungen besprochen. Das dritte Kapitel beschäftigt sich mit den drei Spielfilmen La Salamandre, Les Arpenteurs und L’Invitation im engeren Sinne. Thema ist die Produktion, die Form der Filmsprache und die Bedeutung der Schweiz als filmisches Territorium.

 

Die Filmanalyse hat gezeigt, dass die Frauenrollen keine Nebenrollen sind, doch unterlaufen alle drei Regisseure die Stärke ihrer Protagonistinnen wieder. Einerseits stehen die Frauenfiguren aufgrund der dominanten Eigenschaft der Naivität für ein biologisch determiniertes Frauenbild, das modifiziert, beziehungsweise aufgewertet, reproduziert wird. Andererseits zeigt sich im Verlauf der Filme, dass jene Frauen, welche die Fähigkeit zur Analyse besitzen, von einem Mann abhängig oder einsam sind. Die drei Genfer hinterfragen in ihren Filmen die gesellschaftlichen Strukturen und deren Auswirkungen auf die zwischenmenschliche Ebene. Gerade auf dieser intimen zwischenmenschlichen Ebene werden die geschlechtsspezifischen Rollen und deren Machtstrukturen nicht grundsätzlich in Frage gestellt.

 

Für die Arbeit mit dem Film als historischer Quelle ist die begriffliche und theoretische Unterscheidung von Spielund Dokumentarfilm wesentlich. Zwar vermitteln beide historische Realität, doch der Spielfilm folgt einer anderen Logik als der Dokumentarfilm. Der wesentliche Unterschied liegt darin, dass das Verhältnis zur Realität verschieden definiert ist. Der Dokumentarfilm erhebt den Anspruch, Realität möglichst unmittelbar wiederzugeben. Der Spielfilm ist in der Realität verankert, besitzt aber die Möglichkeit, die filmische Realität freier zu gestalten als der Dokumentarfilm. Obwohl der Spielfilm, wie auch der Dokumentarfilm, Realitäten zu filmischen Ereignissen umformen, wurde der Spielfilm selten Gegenstand der historischen Forschung. Die vorliegende Lizenziatsarbeit versteht sich als Beitrag, den Spielfilm als historische Quelle zu etablieren. Interdisziplinäres Arbeiten zwischen der Filmund der Geschichtswissenschaft eröffnet aufschlussreiche Wege, um gesellschaftliche Realitäten zu erfassen.

Zugang zur Arbeit

Bibliothek

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