Werbung kann ein aufschlussreicher Überrest aus vergangener Zeit sein, was sie als Quelle für die historische Forschung brauchbar macht. Um sie zu analysieren ist eine Erweiterung der Instrumente der Quellenkritik unumgänglich, da wir meist nur ihren Endzustand, als fertiges Produkt in Form einer Werbebotschaft kennen. Unterlagen zur Entstehung, Zielsetzung und Wirkung von Werbung sind nur ausnahmsweise vorhanden. Sie können jedoch helfen, die Aussagen der Werbequellen zu relativieren. Genau dies setzt sich die Arbeit zum Ziel. Sie widmet sich der historischen Entwicklung der Werbung der Herrenkonfektionsfirma PKZ Burger-Kehl & Co. in den Jahren 1915-1975. Ausgehend von den im Firmenarchiv vorhandenen Unterlagen werden die Zusammenhänge zwischen Erscheinung und Entstehungsbedingungen der Werbung für PKZ erörtert. Dazu ist es unabdingbar, einen Blick hinter die Werbemittel selbst – also die Plakate, Inserate oder Filme – zu werfen, um die Funktionsweisen und Zielsetzungen der Werbeproduktion zu analysieren und mit Erkenntnissen der Werbegeschichte über andere Firmen, Branchen und Länder zu vergleichen. Zusätzlich werden Modelle, Methoden und Erklärungsansätze aus verwandten Gebieten vorgestellt und angewendet, insbesondere aus der Unternehmensgeschichte, Konsumgeschichte, Kunstgeschichte, Modegeschichte, Wirtschafts- und Sozialgeschichte. Ein erster Teil der Arbeit erläutert die Entstehungsbedingungen der PKZ-Werbung: gesamtwirtschaftliche und betriebswirtschaftliche Voraussetzungen wie Kleiderkonsum, Umsatzentwicklung, organisatorische Eingliederung der Werbung, Absatz- und Werbekonzepte. Neben einer Analyse der Werbeausgaben und deren Verteilung auf die Werbemittel werden auch deren technische Aspekte untersucht. Ein chronologisch gegliederter Abschnitt stellt die inhaltlichen Entwicklungen der PKZ-Werbung kurz vor und wird dabei ergänzt von einigen Längsschnitten zu besonders interessanten Themengebieten (Männer und Frauen, Mode, Schweizer Qualität, Plakatwettbewerbe). Nach einem abschliessenden Vergleich mit dem Versuch, die Zusammenhänge von Entstehungsbedingungen und Erscheinungsbild der PKZ-Werbung zu erhellen, fragt ein Ausblick nach den Auswirkungen der Resultate auf die gesellschaftsgeschichtliche Betrachtung von W erbequellen.
In einer ersten Phase entwickelt sich die PKZ-Werbung in der Zwischenkriegszeit durch Zentralisierung und Professionalisierung zu einer von der betriebsinternen „Reklameabteilung“ produzierten, überdurchschnittlich qualitätvollen Werbung mit hohem künstlerischen und kreativen Anspruch und einer starken Betonung des Spektakels. Nach dem Zweiten Weltkrieg erfolgt der Schritt zu einer von externen Werbeagenturen hergestellten, wenig auffälligen Werbung, die kaum mehr eine Vorreiterrolle für sich beanspruchen kann. Anscheinend hat die PKZ-Werbung vom Übergang zur Konsumgesellschaft in den langen 1950er Jahren nicht profitiert. Der künstlerische Werbepionier schafft die Umstellung auf eine psychologisch orientierte Werbung nach amerikanischem Vorbild erst reichlich spät. Diese Entwicklung hängt zusammen mit der starken Firmen- und Werbetradition, die einem Wechsel eher im Wege steht. Erschwerend kommt die zunehmende Erosion der Marktstellung von PKZ seit der Weltwirtschaftskrise dazu.
Eine Mikrosicht auf die Firma PKZ erlaubt anhand eines ausserordentlich reichhaltigen Quellenbestandes eine Untersuchung darüber, wie das Erscheinungsbild der Werbung einer Firma auf Veränderungen im Unternehmen (insbesondere Umsatzentwicklung und Organisation) und in ihrem Umfeld (Werbetechnik, Werberezeption, gesellschaftliche Veränderungen) reagiert. Besonders offensichtlich treten die Grenzen der Werbung – und damit auch ihre Aussagekraft für die Gesellschaftsgeschichte – dort zu Tage, wo Kampagnen einen Schritt zu weit gehen und die Grenzen der Akzeptanz ausloten. Entsprechend wird in diesem Bereich ein Schwergewicht gelegt. Gehen wir davon aus, dass Werbung Idealvorstellungen und nicht Realitäten abbildet, so können in der Analyse solcher Kampagnen und der Reaktion darauf die Grenzen von Idealvorstellungen der handelnden Akteure (Firmenleitung, Werber, Kunden) festgemacht werden.