Neutralität, Vertrauen und ein Fass voll Nadeln. Basel als Drehscheibe für Handel, Schmuggel und Kriegsressourcen am Oberrhein im Spanischen Erbfolgekrieg (1701 – 1714)

AutorIn Name
Noah
Businger
Art der Arbeit
Masterarbeit
Stand
abgeschlossen/terminé
DozentIn Name
Prof.
André
Holenstein
Institution
Historisches Institut
Ort
Bern
Jahr
2022/2023
Abstract

Im Spanischen Erbfolgekrieg war Basel eine bedeutende neutrale Drehscheibe für Kriegsressourcen und zivile Handelsgüter. In den Jahren 1701 bis 1714 kämpften Frankreich und die Grosse Allianz (Reich, niederländische Generalstaaten, England/Grossbritannien) am Oberrhein und in Südschwaben um die spanische Krone. Im neutralen Basel füllten Handeltreibende, Kaufleute, Ratsherren, Bankierswitwen und Postbediente die Getreidespeicher für die Armeen am Oberrhein, organisierten die Passage fremder Truppen über eidgenössisches Territorium, sammelten und vermittelten nützliche Informationen für die Kriegsführenden, boten Finanzdienstleistungen an und wandelten die gegenseitigen Handelsblockaden der Kriegsparteien in einen blühenden Zwischenhandel um.

 

Transfers von Kriegsressourcen und der grenzüberschreitende Handel erforderten diplomatische, infrastrukturelle und geostrategische Vorbedingungen sowie ein enges Beziehungsgeflecht zwischen den regionalen Akteur:innen des Handels. In Basel agierte das Direktorium der Kaufmannschaft als Interessensvertretung der Kaufleute mit weitreichenden obrigkeitlichen Kompetenzen in kommerziellen Angelegenheiten und war für den Unterhalt und die Ausgestaltung der kommerziellen Beziehungen zuständig.

 

Anhand quellenbasierter Fallbeispiele werden die Praktiken des Transfers von Kriegsressourcen, des neutralen Handels und Schmuggels sowie der Beziehungsgestaltung untersucht. Mittels systematischer Analyse der kommerziellen Praktiken und Beziehungen können akteursspezifische Interessen, wiederkehrende Verhaltensweisen und Strategien, Handlungslogiken und handlungsleitende Beziehungsressourcen erkannt werden.

 

Die Untersuchung basiert auf reichhaltigen Protokollen des Basler Direktoriums der Kaufmannschaft im Staatsarchiv Basel. Gesandtschaftsberichte und die ein- und ausgehende Korrespondenz des Direktoriums ermöglichten die Analyse kommerzieller Geschäfte und Beziehungen. Zusätzlich wurden aus dem Staatsarchiv Basel Protokolle des Dreizehnerrats und des Kleinen Rats von Basel hinzugezogen sowie die Sammlung der älteren eidgenössischen Abschiede, Berichte des kaiserlichen Gesandten Trauttmansdorff nach Wien aus dem Bundesarchiv Bern, Bestände des Schwäbischen Kreises aus dem Hauptstaatsarchiv Stuttgart und baden-durlachische Geheimratsprotokolle und Korrespondenzen sowie das Auslaufregister der oberösterreichischen Regierung aus dem Generallandesarchiv Karlsruhe.

 

Die kriegsfähigen Akteure des oberrheinischen Raums (Frankreich, Schwäbischer Kreis, Baden-Durlach, Vorderösterreich) benötigten personelle, finanzielle, materielle und kommunikativ-informative Ressourcen, die neutrale Individuen zur Verfügung stellten. In Kombination mit der günstigengeografischenLage,dertiefgreifenden grenzüberschreitenden Verflechtungen und der für alle Kriegsparteien nützlichen Drehscheibenfunktion wurde die Neutralität zur kommerziellen Option mit individuellen Profitchancen. Kaufleute wie Franz Leisler erlangten regelmässige Zinszahlungen und Zehntrechte als Gegenleistung für die Kreditvergabe an die vom Krieg belastete Markgrafschaft Baden-Durlach.

 

Handelsverbote, Konterbandebestimmungen, Kriegsabgaben, Deklarationspflichten und rigorose Kontrollen beider Kriegsparteien erschwerten den Handel und führten zu verstärktem Schmuggel aus Basel. Der Schmuggel war alltäglich, wurde quer durch alle sozialen Milieus mit unterschiedlichsten Gütern betrieben und bis zu einem gewissen Grad durch die Obrigkeit und das Direktorium geduldet und gefördert. Anders als bei der Einfuhr kriegsrelevanter Güter hatten die Kriegführenden ein grosses Interesse an den Einnahmen aus Einfuhrzöllen ziviler Güter. Zoller und Obrigkeiten gingen teilweise rigoros gegen den Basler Schmuggel vor. Der ausgeprägte Handlungsfreiraum der Zoller, die prozentual an den Einnahmen derKriegsabgabenundderkonfisziertenSchmuggelgüter beteiligt waren, führte zu eigennützigen Beschlagnahmungspraktiken.

 

Grundlage der betrachteten kommerziellen Aktivitäten waren soziale Beziehungen zwischen den Akteur:innen des Handels. Kontinuierlicher Austausch von Beziehungsressourcen wie Geschenken, Informationen, Gefälligkeiten und Loyalitätsbekundungen schuf sozial bindende Gunst-Schuld-Verhältnisse und führte zu vertrauensvollen Beziehungen. Solche Bindungen, wie etwa zwischen dem Basler Direktorium und dem vorderösterreichischen Zollpächter Andreas Schmalholz, erwiesen sich als äusserst resilient.Das Vertrauen in die langfristige Nützlichkeit der Bindung und in die Wiederherstellung reziproker Kooperationsbereitschaft glich temporäre Störungen aus. In diesen Beziehungen führte die kommunikative Herstellung gemeinsamer Interessen und geteilter Profitmöglichkeiten zu Kollaborationen unterschiedlicher Akteur:innen und ermöglichte beispielsweise die Zollumgehung für Basler Fuhren, gemeinsame Entschädigungsforderungen für konfiszierter Basler Waren oder die erfolgreiche argumentative Rechtfertigung der Neutralität auf der diplomatischen Ebene.

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