Art der Arbeit
Masterarbeit
Stand
abgeschlossen/terminé
DozentIn Name
Prof.
Christian
Windler
Institution
Historisches Seminar
Ort
Bern
Jahr
2016/2017
Abstract
Als Ausgangspunkt der Studie dient die parallele Präsenz von Giacomo Caracciolo und Domenico Passionei zu Beginn des 18. Jahrhunderts in der Eidgenossenschaft. Caracciolo hatte von 1710 bis 1716 die Luzerner Nuntiatur inne; Passionei gelangte 1714 in die Eidgenossenschaft, wo er den Papst am Badener Friedenskongress repräsentierte. Über ihre Rolle als translokale Vermittler zwischen Rom und der Eidgenossenschaft hinaus waren beide als lokale Akteure tätig. Als prägend für die Zeit ihres Aufenthaltes in der Eidgenossenschaft erwiesen sich zwei eng miteinander verschränkte Konflikte: der Spanische Erbfolgekrieg und der Zweite Villmerger Krieg.
Die Arbeit geht der Frage nach der Doppelpräsenz zweier päpstlicher Gesandter in der Eidgenossenschaft im Umfeld des Badener Friedenskongresses nach und untersucht die dadurch hervorgerufene Mehrstrangigkeit der Kommunikation in den römisch-eidgenössischen Beziehungen. Untersucht wird dabei das Verhältnis der beiden Akteure zu den in Folge der oben erwähnten Konflikte entstandenen Faktionen in Rom und in der Eidgenossenschaft. Verschiedene methodische Ansätze werden miteinander kombiniert, um mithilfe einschlägiger Quellen und Sekundärliteratur ein möglichst vollständiges Bild der Präsenz bei der Akteure in der Eidgenossenschaft zu zeichnen: Akteurszentrierte Ansätze der neueren Aussenbeziehungsforschung sowie mikropolitische Studien Wolfgang Reinhards und seiner Schüler finden ebenso Verwendung wie die nach Handlungsmodi und Argumentationsweisen frühneuzeitlicher Diplomaten fragenden Forschungen von Jean-Claude Waquet. Als Quellengrundlage dient in erster Linie Korrespondenz aus der Abschriftensammlung des Schweizerischen Bundesarchivs (v.a. Abschriften aus dem Archivio Segreto Vaticano und den Pariser Archives du Ministère des Affaires Étrangères).
Untersucht werden zu Beginn Werdegang und Karriere Caracciolos und Passioneis. Während Caracciolo die „klassische“ Karriere eines Nuntius einschlug und über verschiedene Ämter nach Luzern gelangte, begann Passioneis Karriere höchst unkonventionell: Neben seiner Tätigkeit an der römischen Kurie schuf er sich rasch den Ruf eines Gelehrten, bevor er über Paris, Den Haag und Utrecht nach Baden gelangte. Daneben wird aufgezeigt, dass es im Umfeld des Spanischen Erbfolgekrieges sowohl in der Eidgenossenschaft als auch in Rom zu Faktionsbildungen kam. Die Rolle Caracciolos während des Zweiten Villmerger Krieges wird im zweiten Teil untersucht, wobei eine Neubewertung seiner konfliktreichen Präsenz in der Eidgenossenschaft vorgenommen wird. Im dritten Teil der Arbeit wird die Doppelpräsenz Caracciolos und Passioneis im Umfeld des Badener Friedenskongresses beleuchtet: Caracciolo, nach der Niederlage der katholischen Orte bei Villmergen der Kriegstreiberei beschuldigt, musste die Innerschweiz 1712 verlassen und verfolgte den Friedenskongress aus der Ferne, während Passionei bemüht war, die Anliegen der Kurie in den Friedensvertrag einzubringen und eine Restitution der katholischen Orte zu erreichen.
Die Doppelpräsenz von Caracciolo und Passionei in der Eidgenossenschaft führte rasch zu Kompetenzstreitigkeiten, welche die Kurie von vornherein zu verhindern suchte, indem eine klare Kompetenzenverteilung vorgenommen wurde: Passionei und Caracciolo wurden feste Rollen vorgeschrieben, deren Einhaltung sich jedoch wiederholt als schwierig erwies. Beide Akteure verfügten in Rom über ein ussreiche Kontaktpersonen, welche ihr Handeln unterstützten. Sowohl während des Zweiten Villmerger Krieges als auch während des Friedenskongresses von Baden verbanden verschiedene, miteinander konkurrierende Korrespondenzstränge Rom und die Eidgenossenschaft. Eine genauere Analyse der betrachteten Korrespondenz zeigt, dass sich Caracciolo eines stark religiös und militärisch gefärbten Argumentariums bediente, während Passionei je nach Kontext unterschiedliche Register zog, um seine Ziele zu erreichen. Obwohl weder Caracciolo noch Passionei in der Eidgenossenschaft letztlich Erfolge verbuchen konnten, wirkte sich ihr Aufenthalt höchst unterschiedlich auf ihre Karriere aus: Der Aufenthalt in der Eidgenossenschaft bedeutete für Caracciolo das Ende seiner Karriere, Passionei allerdings diente die Badener Zeit, während der er zahlreiche wertvolle Kontakte knüpfen konnte, als „Sprungbrett“ für seine weitere Karriere, die in der Erlangung der Luzerner und Wiener Nuntiatur und schliesslich des Kardinalats kulminieren sollte.