Markenherrschaft und "Reklameschwung". Eine Geschichte der schweizerischen Schokoladeindustrie und ihres Marketings, 1880-1920

AutorIn Name
Roman
Rossfeld
Art der Arbeit
Dissertation
Stand
abgeschlossen/terminé
DozentIn Name
Prof.
Jakob
Tanner
Institution
Neuzeit
Ort
Zürich
Jahr
2004/2005
Abstract
Gemäss einer repräsentativen Umfrage in den 15 Mitgliedstaaten der Europäischen Union dachten 1997 fast 80 % der Befragten, wenn sie das Wort «Schweiz» hörten, zuerst an das Klischee von einem «Land der Berge, Uhren und der Schokolade». Bis heute besitzt Schokolade in der Schweiz einen Stellenwert, den nur noch wenige andere Produkte wie zum Beispiel Uhren oder Käse erreichen, und obwohl der wichtigste Grundstoff, der Kakao, nicht ein schweizerisches Erzeugnis ist, sondern aus exotischen Ländern stammt, ist die Schokolade zu einem Symbol für die Schweiz und zu einem wichtigen Faktor der nationalen Identität geworden. Der Aufstieg der schweizerischen Schokoladeindustrie ist umso erstaunlicher, wenn man bedenkt, dass die Schweiz bis zum Ende des 19. Jahrhunderts nicht zu den traditionell wichtigen Produzenten von Schokolade gehörte, sondern (wie Deutschland) erst nach der Mitte des 19. Jahrhunderts an Bedeutung gewann, dann aber eine rasante Entwicklung durchlief. Bereits 1905 war Cailler das achtgrösste Unternehmen in der Schweiz überhaupt, und die Schokolade hatte sich nun zum sechstwichtigsten Exportgut entwickelt. 1914 hatte die Schokoladeindustrie schon eine derart hervorragende Bedeutung, dass sie an der dritten Landesausstellung in Bern in einem eigenen Pavillon im Zentrum des Ausstellungsgeländes untergebracht wurde. Ausgehend von dieser Entwicklung versucht die Arbeit zu klären, wie und warum diese Industrie innerhalb weniger Jahrzehnte zu einer der bedeutendsten der Schweiz aufsteigen konnte und aus diesem Produkt ein Symbol und Werbeträger für die ganze Schweiz wurde. Zugleich soll aber auch danach gefragt werden, was für Bilder und Vorstellungen zum Produkt und auch zur Schweiz dabei vermittelt wurden und was für ein Image (der Schweiz) dadurch entstand. Basierend auf einer kritischen Diskussion der – in der traditionellen Forschung – als zentral betrachteten Innovationen der Milchschokolade (durch Daniel Peter nach 1875) und der Conche (durch Rudolf Lindt 1879) soll dazu insbesondere die Entwicklung des Marketings der schweizerischen Schokoladeindustrie untersucht werden. Über die Produktentwicklung, die Preisgestaltung, die Distribution und die Werbung (die sogenannten 4 P der modernen Marketingtheorie) wurde die kulturelle und emotionale Bedeutung des Produktes zwischen Konsument und Produzent immer wieder neu ausgehandelt und mit Hilfe von Plakaten und anderen Werbeträgern reproduziert und verfestigt. Die Arbeit bewegt sich dabei im Schnittfeld zweier neuerer – in meiner Dissertation miteinander verbundener – Ansätze aus der Ernährungs- und Unternehmensgeschichte. Sie versucht erstens ein Beitrag zu einer Ernährungsgeschichte als Kulturgeschichte zu sein, die deutlich macht, dass Nahrungsmittel – wie Eva Barlösius es formuliert – nicht nur zur Befriedigung des physiologischen Bedürfnisses nach Nahrung dienen, sondern immer auch als Teile um-fassender gesellschaftlicher Verhaltensnormen zu verstehen sind. Während in der bisherigen Ernährungsforschung der kulturgeschichtliche Blick auf die Ernährung eher vernachlässigt wurde, soll hier gerade «das Kulturphänomen [Essen] und die kulturelle und soziokommunikative Bedeutung des Essens» im Zentrum des Interesses stehen und die Nahrung als symbolische Form der Kommunikation verstanden werden, mit deren Hilfe man sich auch über kulturelle Werte verständigen kann. Speisen, Getränke und Mahlzeiten dienen «regelmässig zur Abgrenzung gesellschaftlicher Gruppen und Schichten sowie ethnischer und religiöser Minoritäten, aber ebensosehr zur Differenzierung von Siedlungsräumen, Landschaften und Nationalstaaten». Erst ein kulturgeschichtlicher Zugang zur Ernährungsgeschichte macht verständlich, wie aus einem exotischen Produkt wie Schokolade ein zentrales Element der schweizerischen Identität werden konnte. Zweitens soll mit der Untersuchung des Marketings aber auch eine Unternehmensgeschichte als Marketinggeschichte geschrieben werden. Der Forschungsstand zur Geschichte des Marketings ist im deutschsprachigen Raum generell als ungenügend zu bezeichnen, und auch für die Literatur zur Geschichte der schweizerischen Schokoladeindustrie gilt, was bereits Fritz Blaich nach der Sichtung von über 150 Firmenfestschriften festgestellt hat: «Angaben über Ziele und Mittel der Absatzpolitik [...] muss sich der Leser [...] meist mühsam zusammensuchen.» Die Arbeiten weisen meist eine stark technik- und personengeschichtliche Orientierung auf, die Darstellung der Innovationen der Milchschokolade und der Conche – das heisst eine produkt- und produktionsorientierte Argumentation – allein genügt aber nicht für eine Erklärung des späteren kommerziellen Erfolges dieser Industrie. Grundsätzlich gilt, dass Produkte nicht nur hergestellt, sondern immer auch verkauft werden müssen und erst die Durchsetzung eines neuen Produktes im Markt aus einer an sich noch bedeutungslosen Invention eine erfolgreiche Innovation macht. Am Beispiel von Suchard, der bis nach 1900 grössten Schweizer Schokoladefabrik, soll deshalb gezeigt werden, wie das Unternehmen sich in der Zeit zwischen 1860 und 1920 sukzessive dem Marketing zugewendet hat und die Entwicklung des Marketings zu einem entscheidenden Faktor für den Erfolg von Suchard geworden ist.

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