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Am Anfang dieser Forschungsarbeit standen die Vereinstagebücher der 1872 gegründeten „Kongregation der Marienkinder“ der Stadt Luzern. In ausführlichen Einträgen hielten die Mitglieder – Mädchen und Frauen der Luzerner Oberschicht – darin nicht nur detailliert das Vereinsprogramm fest, sondern reflektierten insbesondere darüber, was es bedeute, ein „Marienkind zu sein. Als Grundlage ihrer Überlegungen diente ihnen die religiöse Unterweisung durch den geistlichen Vereinsvorsteher, der (....) ehrerweisend als „Seelenführer“ bezeichnet wird.
Die Vereinstagebücher faszinieren durch das tief ernste, engagierte Ringen um ein richtiges Selbstverständnis als „Marienkind“ das in den Einträgen der Autorinnen zum Ausdruck kommt. Die schreibenden Frauen bemühten sich zu verstehen und zu verinnerlichen, wie sie als „Marienkinder“ handeln, denken und fühlen sollten, welche Positionen ihnen dieser Titel im irdischen und jenseitigen Leben zuwies und in welchem Verhältnis zur Welt, den Menschen und dem Himmel sie als „Marienkinder“ stünden. „Marienkind“ zu sein erscheint in diesen Texten als eine mögliche Identität und Position für eine katholische Frau im sozialen, politischen und kulturellen Kontext der Schweiz des 19. Jahrhunderts. (...)