Lateinamerikanische Delegierte an den Internationalen Arbeitskonferenzen 1960 – 1963

AutorIn Name
Luisa
Jakob
Art der Arbeit
Masterarbeit
Stand
abgeschlossen/terminé
DozentIn Name
Prof.
Stephan
Scheuzger
Institution
Historisches Institut
Ort
Bern
Jahr
2019/2020
Abstract
«This grotesque contrast between the nations which seek to [...] conquer Mars or the moon, and those who are determined to remain with their feet on the ground, to cut a way towards civilisation and progress for our forgotten peoples [...].» Die Internationale Arbeitsorganisation (IAO) feiert 2019 ihr 100-jähriges Bestehen und gehört damit zu den ältesten internationalen Organisationen (IO). Neben ihrem Alter hebt sie sich auch in Bezug auf ihre dreigliedrige Struktur von anderen IO ab. Die IAO setzt sich jeweils aus Regierungs-, Arbeitnehmer*innen- und Arbeitgeber*innendelegierten aus allen Mitgliedstaaten zusammen. Die Internationale Arbeitskonferenz (IAK) – das höchste Organ der IAO – findet jährlich in Genf statt und verabschiedet die internationalen Arbeitsnormen. Alle Mitgliedstaaten können jeweils vier Delegierte an die Konferenz entsenden, bestehend aus zwei Regierungsdelegierten und je einer Vertretung der Arbeitnehmer*innen und Arbeitgeber*innen. Weitere Organe sind der Verwaltungsrat, als exekutives Organ, und das Internationale Arbeitsamt als ständiges Sekretariat. Diese einzigartige Struktur ermöglicht eine breitere Partizipation als andere IO und macht die IAO dadurch zu einem interessanten Forschungsobjekt. Die Historiographie der IAO weist bis heute einen starken Fokus auf den globalen Norden auf. Die vorgelegte Arbeit leistet einen Beitrag zur Behebung einer wichtigen Forschungslücke und konzentriert sich auf die lateinamerikanischen Delegierten an den IAK in den Jahren 1960 bis 1963. Dabei widmet sie sich Fragen rund um die Politisierung der Debatte, das lateinamerikanische Selbstverständnis, die Süd-Süd-Solidarität sowie die technische Zusammenarbeit. Der Untersuchungszeitraum umfasst das für die inner-latein- amerikanischen Beziehungen prägende Ereignis der «Kubakrise». 1960 bis 1963 nahmen 233 stimmberechtigte lateinamerikanische Delegierte, davon nur drei Frauen, an den IAK teil. Diese gaben dabei insgesamt 196 Voten ab, wovon anteilsmässig am meisten von den Arbeitnehmer*innendelegierten stammten. Auffällig ist zudem die unterschiedliche Aktivität sowohl der einzelnen Delegierten als auch der Unterschied zwischen den Delegierten der verschiedenen Länder. Eine weit verbreitete Forderung der lateinamerikanischen Delegierten war die nach einer besseren Vertretung der Länder des Südens in der IAO, insbesondere im Verwaltungsrat. Die Rückmeldungen zur Arbeit der IAO fielen jedoch grundsätzlich positiv aus, den kritischen Rückmeldungen gemeinsam war der Appell nach einer vermehrten Fokussierung der Arbeit der IAO auf Lateinamerika bzw. die «Entwicklungsländer» generell. Obwohl die Diskussionen an den IAK nicht dazu gedacht waren, politische Äusserungen einzubringen – die nicht in direktem Zusammenhang mit traktandierten Geschäften standen – zeigt die Untersuchung, dass politische Auseinanderset- zungen im Kontext des Kalten Krieges mit der Teilnahme der kubanischen Delegierten ab 1961 zugenommen hatten. Rund 15% der lateinamerikanischen Personen konnte dabei eine klare politische Parteinahme nachgewiesen werden. Von diesen Personen gingen rund 36% aller Voten aus, die nicht alle zwingend politisch waren. Die Zahlen zeigen, dass dieser verhältnismässig kleine Kreis von Personen ausserordentlich aktiv war. Die Politisierung der Debatte zeigte sich dabei insbesondere bezüglich der Frage der Süd-Süd-Solidarität und in Bezugnahmen auf Lateinamerika, die bestätigen, dass Lateinamerika als Einheit wahrgenommen wurde. Die Bezugnahmen erfolgten in erster Linie im Zusammenhang mit gemeinsamen wirtschaftlichen Herausforderungen. Sehr präsent waren diverse Solidaritätsbekundungen mit den unabhängig gewordenen Nationen und solchen, die sich auf dem Weg dahin befanden. In diesem Zusammenhang äusserten sich auch verschiedenste lateinamerikanische Delegierte, über alle Fraktionen hinweg, gegen den Kolon alismus. Zudem wurde auch immer wieder Kritik an den «Industriestaaten» geäussert, wobei nur die sozialistischen Delegierten auch ihre Ablehnung eines Neo-Kolonialismus und einer Verlängerung des Imperialismus zum Ausdruck brachten. Die Voten zeigen ebenfalls, dass sich die lateinamerikanischen Delegierten als Teil eines grösseren globalen Südens verstanden. Schliesslich weist auch die Diskussion über die technische Zusammenarbeit – ein wenig untersuchtes Tätigkeitsgebiet der IAO – eine zunehmende Politisierung und damit eine Fragmentierung der pan-lateinamerikanischen Haltung zur Thematik auf. Dabei lässt sich allerdings auch feststellen, dass die technische Unterstützung trotz einer Zunahme von kritischen Äusserungen – wie der Kritik, es handle sich bei der technischen Zusammenarbeit um eine «Weiterführung des Imperialismus» – nie vollständig in Frage gestellt wurde.

Zugang zur Arbeit

Bibliothek

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