Konfessionskonflikte im Thurgau (Frauenfeld)

AutorIn Name
Patrick
Spiri
Art der Arbeit
Masterarbeit
Stand
abgeschlossen/terminé
DozentIn Name
Prof.
André
Holenstein
Institution
Historisches Institut
Ort
Bern
Jahr
2014/2015
Abstract
Im Kontext der in den letzten Jahrzehnten wieder erstarkten Konfessionalisierungsund Konfessionsforschung untersucht die vorliegende Masterarbeit unter den Eckpunkten „güetliches Einvernemmen“ und „gefährliche Weitläuffigkeit“ die konfessionelle Konfliktkultur der Stadt Frauenfeld im ausgehenden 17. Jahrhundert. Die Konzepte „Konfessionskultur“ und „konfessionelle Konfliktkultur“ betrachten Religion vornehmlich als kulturelles Phänomen mit lokaler Verhaftung, woran die Masterarbeit analytisch anknüpft. Methodisch wird die Arbeit damit in den Bereich der mikrohistorischen Untersuchungen gerückt, die seit einigen Jahren die Konfessionsforschung zunehmend dominieren und, anders als die zuvor von der Forschung fokussierte Makrogeschichte, vor allem lokale Zusammenhänge und Fragestellungen wieder vermehrt in den Blick nehmen. Für die vorliegende Arbeit wurde die Stadt Frauenfeld als mikrohistorischer Untersuchungsraum gewählt. Der Untersuchungszeitraum wurde bewusst auf die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts gelegt, da die Phase der Konfessionalisierung nach 1648 in der Forschung als mehrheitlich abgeschlossen betrachtet wird und sich in Frauenfeld zu dieser Zeit sowohl in dogmatischer als auch quantitativer Hinsicht mit der reformierten und katholischen Kommune zwei starke konfessionelle Gemeinden gegenüberstehen. Die Arbeit geht im Allgemeinen Fragen nach dem gemischtkonfessionellen, alltäglichen Zusammenleben auf engem Raum nach. Wie in anderen gemischtkonfessionellen Städten, war das Verhältnis zwischen Katholiken und Reformierten auch in Frauenfeld sehr fragil. Zwar versuchte man sich zu arrangieren und „güetliches Einvernemmen“ aufrecht zu erhalten, jedoch konnte dieses durch kleine Reibereien jederzeit in eine „gefährliche Weitläuffigkeit“ kippen, sich also zu einem schweren Konflikt ausweiten. Nach einem einleitenden Teil, welcher den theoretischen, analytischen und methodischen Bogen der Arbeit aufspannt, widmet sich der erste Hauptteil der Untersuchung den kontextuellen Verhältnissen, in welche die Stadt Frauenfeld im ausgehenden 17. Jahrhundert eingebettet war. Die Stadt befand sich in einer komplexen herrschaftsrechtlichen Situation. Ursprünglich eine habsburgische Landstadt, war sie seit der Eroberung der Landgrafschaft Thurgau durch sieben eidgenössischen Orte, diesen direkt unterstellt, Sitz des eidgenössischen Landvogts und damit Verwaltungszentrum des Kondominiums. In der Arbeit wird sowohl der Verflechtung der Stadt mit der eidgenössischen Landesverwaltung Rechnung getragen, als auch die politische, juristische und kirchliche Situation in der Stadt selbst thematisiert und ausgeleuchtet. Der zweite Hauptteil der Arbeit fokussiert anhand verschiedener Quellenbeispiele unter dem Eckpunkt der „gefährlichen Weitläuffigkeit“ die konfessionellen Konflikte zwischen Katholiken und Reformierten der Stadt Frauenfeld in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Neben einem Ehestreit, der durch die Konversion des Mannes in eine konfessionell aufgeladene Weitläufigkeit mündete und beinahe zu einem innereidgenössischen Bürgerkrieg führte, werden ein Handgemenge zwischen jungen Katholiken und Protestanten, ein langwieriger Streit zwischen den beiden Konfessionen um eine Kapelle, so wie der Machtkampf der beiden Kommunen anlässlich von Ratsbesatzungen thematisiert. Alle untersuchten Konflikte haben die Gemeinsamkeit, dass sich früher oder später die eidgenössische Obrigkeit einschalten musste, um mit einem Rechtsspruch wieder „güetliches Einvernemmen“ herzustellen. Auf lokaler Ebene schienen sich keine oder nur unzureichend funktionierende Konfliktlösungsmechanismen ausgebildet zu haben. Ein weiterer wichtiger Befund ist die zentrale Rolle einzelner Akteure, wie beispielsweise der Geistlichkeit oder dem eidgenössischen Landvogt, deren Einfluss auf den Verlauf eines Konfliktes entscheidend sein konnte. Auch dieser Aspekt wird in der Arbeit berücksichtigt. Im dritten Hauptteil wird dem „Konflikthaften“ noch die „Normalität“ gegenübergestellt. Auch dies geschieht anhand verschiedener Quellenbeispiele. Das Beispiel eines überkonfessionellen „Bundschutzes“ angesichts der Gefahr eines drohenden innereidgenössischen Bürgerkriegs in Zusammenhang mit dem Glarnerhandel, so wie der täglich gelebte gemischtkonfessionelle Austausch in der Trinkgesellschaft der Konstabler, zeigen Aspekte eines gemischtkonfessionellen Zusammenlebens jenseits grosser religiöser Auseinandersetzungen, geprägt durch ein „güetliches Einvernemmen“. Damit ist auch dem zweiten Eckpunkt der Arbeit Rechnung getragen. Die Arbeit zeigt auf, dass Konfession entgegen der gängigen Lehrmeinung auch nach 1648 noch einen wichtigen Faktor in der alltäglichen Lebenswelt der Menschen darstellte. Ihre Bedeutung ist zwar nicht mehr vorrangig in einem glaubensmässig-dogmatischen Sinne zu sehen (dieser Teil des konfessionellen Gegensatzes wurde mehrheitlich nur noch innerhalb der Geistlichkeit und durch deren Vertreter, dafür mit um so grösserer Vehemenz gelebt), sondern vor allem in einem religiös-symbolischen und funktional-pragmatischen Sinne. Konfession konnte als Vehikel für das Erreichen persönlicher oder politischer Ziele bedeutsam sein. Einerseits sicherlich durch das Netzwerk mit den eigenen Glaubensgenossen, aber eben auch als Faustpfand, mit dem sich Konflikte auslösen, eskalieren und beeinflussen liessen.

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