Im Spannungsfeld zwischen Freiheit, Gleichheit und napoleonischen Machtinteressen. Der Modell- und Satellienstaat Königreich Westphalen 1807-1813

AutorIn Name
Janick
Roth
Art der Arbeit
Masterarbeit
Stand
abgeschlossen/terminé
DozentIn Name
Prof.
Stig
Institution
Historisches Institut
Ort
Bern
Jahr
2016/2017
Abstract
Nach dem Tilsiter Friedensvertrag im Juli 1807 war Napoleon auf dem Höhepunkt seiner Macht und konnte die territoriale Ordnung in Mitteleuropa nach seinen Vorstellungen neu gestalten. Daraus ging mit dem Königreich Westphalen auch ein Staat in Mitteldeutschland hervor, der eine natürliche Grenze zu den anderen Mächten auf dem Kontinent bilden sollte. Jedoch verfolgte Napoleon noch andere Ziele mit Westphalen, es sollte auch als moralische Grenze dienen und der militärischen Eroberung sollten „moralische Eroberungen“ folgen. „Welches Volk wollte denn unter die preussische Willkürherrschaft zurückkehren, wenn es einmal die Wohltaten einer liberalen Regierung gekostet hat?“, fragte Napoleon seinen Bruder Jérôme, den designierten König Westphalens. Ausserdem wollte Napoleon das Königreich Westphalen zum Modellstaat für andere Rheinbundstaaten werden lassen, der diese von den Vorzügen eines französischen Regierungssystems überzeugen sollte. Damit die rund zwei Millionen Westphalen in den Genuss der Verköstigung dieses liberalen Regierungssystems kamen, erliess Napoleon eine Reihe von Reformen. Erstmalig im Rheinbund hatte Napoleon dabei keine Rücksicht auf angestammte Herrscher oder ein historisches Kernland zu nehmen, denn das Königreich wurde aus den Herzogtümern Hessen-Kassel und Braunschweig, Teilen Hannovers und Preussens sowie einigen kleinen deutschen Territorien neu zusammengesetzt, deren alte Herrscher allesamt flohen oder abgesetzt wurden. Somit konnte Napoleon seine Ideen eines Staates ein erstes Mal von Grund auf umsetzen. Zur Durchsetzung seiner Modellstaats- und Reformpläne liess Napoleon von namhaften französischen Juristen eine geschriebene Verfassung für Westphalen ausarbeiten, in der seine Ideen verankert wurden. Den designierten König wies der Kaiser nach der Übergabe der Verfassung an: „Seien Sie ein konstitutioneller König“. Das Königreich Westphalen wurde somit zum ersten Staat auf deutschem Boden, dessen Monarch an eine geschriebene Konstitution gebunden war. Mit der Gleichheit vor dem Gesetz, der Emanzipation der Juden, der Gewerbefreiheit sowie der Abschaffung der Leibeigenschaft und allen Adelsprivilegien wurden in ihr Grundrechte verankert, die die Bevölkerung in Deutschland bisher nicht kannte. Weiter zeigte sich der fortschrittliche Charakter der Verfassung auch im Verwaltungs- und Regierungssystem. Altständische Kooperationen wurden von neuen politischen Repräsentationskörperschaften (Reichstände) abgelöst und die Verwaltung wurde hierarchisch organisiert und Ministerien unterstellt. Napoleon war gewillt, aus dem zusammengewürfelten Königreich einen geeinten Staat zu formen. So bemerkenswert die fortschrittlichen Verfassungsartikel waren, die Kehrseite der Medaille zeigte sich bereits in der Verfassung. Napoleon band das Königreich durch die Verfassung eng an Frankreich und seine Familie. Trotz Verfassung behielt der König viel Macht und konnte faktisch alleine regieren. Weiter wurde das Königreich durch die Eingliederung in den Rheinbund verpflichtet, 25'000 Soldaten an die Grande Armée zu stellen. Um dies zu erreichen, musste in Westphalen die allgemeine Wehrpflicht eingeführt werden. Die grösste Belastung für den jungen Staat war allerdings, dass er die Hälfte der einträglichen Staatsdomänen an Napoleon abtreten musste, dieser wollte damit seine verdienstvollen Gefolgsleute belohnen. Diese Regelung brachte Westphalen mehrmals an den Rand des Ruins und der Einkommensausfall konnte nur mit enormen Steuererhöhungen kompensiert werden. In der Masterarbeit wird anhand von Forschungsliteratur und zeitgenössischen Quellen (Verfassung, Gesetzesdekrete, Zeitungsartikel) untersucht, welche Reformen im Königreich Westphalen tatsächlich umgesetzt wurden und dem Modellstaatsvorhaben Vorschub leisteten. Dem gegenüber werden die satellitenstaatlichen Verpflichtungen gestellt, um so abschliessend zu zeigen, welche Bevölkerungsgruppen im neuen Staat zu den Profiteuren und welche zu den Verlierern gehörten. Zudem werden anhand verschiedener Widerstandsformen gegen das neue System die Akzeptanz in der Bevölkerung und somit die moralischen Eroberungen genauer beleuchtet. Dabei werden die gesellschaftlichen, politischen und militärischen Folgen der Reformen verknüpft, um so ein Gesamtbild des Königreichs Westphalen zu schaffen und ein möglichst umfassendes Urteil über den Staat zu fällen.

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